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Kunstsalon Hermann Abels <Köln> [Hrsg.]
Sammlung seltener Graphik des XIX. und XX. Jahrhunderts aus verschiedenem Besitz: darunter seltene Werke und Probedrucke von Böhle, Brangwyn, Carrière, Corinth, Daumier ... ; die Versteigerung findet statt am 4. April und 5. April 1922 (Katalog Nr. 2) — Köln, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.21725#0004
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Was uns allein zum wahren Genuss
des Schönen bilden kann, ist das, wodurdi
das Schöne selbst entstand: ruhige Betrach-
tung der Natur und Kunst als eines
einzigen grossen Ganzen.

Der höchste Genuss des Schönen lässt
sich nur in dessen Werden aus eigener
Kraft empfinden.

Goethe.

Die Geschichte des 19. Jahrhunderts ist mehr als interessant.
Man darf sie großartig nennen in dem heroischen Kampf ihrer
vielfach entgegengeseßten Kräfte und Ideen. Die klassische Ideali-
tät einer antiquisch-hohen Menschheitskultur grenzt oder mündet
vielmehr in ein ungeahntes Zeitalter technischer Entwicklung und
maschineller Riesenkräfte. Individualismus kämpft gegen den neuen
Gemeinschaftsgedanken der Sozialität. Monarchien sind umwittert
vom Morgenrot revolutionärer Freiheitskämpfe ihrer Völker. Kurz-
um in allen Sphären menschlicher Lebensgestaltung ein tiefaufwüh-
lender Rhythmus und ebensolche Erschütterung als untrügliche
Zeichen einer sich vollziehenden großen Entwicklung. Gestaltete
Form und geradezu sichtbares Bild all dieser innerlich sich aus-
tragenden Wandlungen und Kämpfe gibt uns die Kunst dieses
großen Jahrhunderts. Und innerhalb ihrer mannigfaltigen Formen
tritt eine neue Gestallungsweise heraus, die auf eine viel früher
zurückliegende Entstehungszeit nunmehr zu einer unerwarteten Höhe
heranblühl: die Graphik. Sie wird im Lauf des Jahrhunderts zu
einer Großmacht des künstlerischen Ausdruckwillens. Ja, sie wird
in dem erwählten Liebling ihrer Kunstart, der Radierung, wie
Curt Glaser sagt, „das unmittelbare Ausdrucksmittel des schöpfe-
rischen Geistes“. Sie offenbart in ihrer Art die Verbindung ver-
gangener Klassizität der reinen, unbestechlichen Größe der Linie und
der Form (gegenüber dem romantischen Gefühlswert der Farbe)
auf der einen Seite, während sie anderseits je nach Landschaft,
Jahrzehnt oder Kraft ihres Meisters eine erstaunenswerte Leiden-
schaftlichkeit ihres künstlerischen Atems und ihrer Erlebnisentfal-
tung dartut. Wie nah grenzt doch Charles Meryon, Blerys
meisterlicher Schüler, in der berückenden Klarheit und erhebenden
Natürlichkeit der Form und Linie, von sattem Kupferrot getönt und
 
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