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Auktionshaus Dr. Walther Achenbach <Berlin> [Hrsg.]; Auktionshaus Dr. Walther Achenbach [Hrsg.]
Auktionshaus Dr. Walther Achenbach: Gemälde, Perserteppiche, Mobiliar: m. E. d. Finanzamtes, eines Konkursverwalters, und anderer Besitz ; in unseren Ausstellungs- und Versteigerungsräumen, Berlin W 50, Hardenbergstr. 29a-e ; [Versteigerung: 2. März 1937] — Berlin, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.15114#0032
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Oberstes Wiedergutmachungsgericht rehabilitiert den seriösen Kunsthandel

(CORA-Entsdieidung über Auktion Mayer-Fuld, Berlin 1940)

Der 3. Senat des Obersten Wiedergutmachungs-
gerichtes in Nürnberg (AZ: ORG/III/611 — Fall
Nr. 1590) hat mit Urteil vom 27. 6. 1957 eine für
den seriösen Kunsthandel grundlegende Entschei-
dung getroffen. Das Urteil stellt eine Ehrenrettung
deutscher Kunsthändler und -sammler dar, die wäh-
rend des „Dritten Reiches" Kunstgegenstände aus
jüdischem Vorbesitz ersteigert haben, ohne die zur
Auktion führenden Zusammenhänge zu kennen.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Frau M.-F., eine zum katholischen Glauben über-
getretene Jüdin, war in 2. Ehe nach Rumänien, an
den Wohnort ihres Mannes, übergesiedelt. Nach
Kriegsbeginn kehrte sie nicht nach Deutschland zu-
ri.i rV.

Das Finanzamt Berlin verlangte die Zahlung von
Reichsfluchtsteuer. Der Beauftragte von Frau M.-F.
ließ den wertvollen Kunstbesitz von einem an-
gesehenen Berliner Auktionshaus versteigern. Der
Kunsthändler B. ersteigerte einen wertvollen
Schreibtisch und veräußerte ihn einige Jahre später
wieder an einen ausländischen Kunden. Nach der
Ersteigerung erfuhr der Kunsthändler, daß der
Schreibtisch aus jüdischem Besitz stammte, er hatte
aber von den besonderen Umständen, die zur Ver-
steigerung führten, keine Kenntnis.

Im Verfahren forderte Frau M.-F. einen Wert-
ersatz von DM 45 000.— mit der Begründung, daß
die Naturalrestitution nicht mehr möglich sei und
der Schreibtisch diesen Wert heute repräsentiere.
Das Kunsthaus B. erklärte sich bereit, den Verkaufs-
erlös nach Umstellung im Verhältnis 10 : 1 zur
Auszahlung zu bringen. Das Oberste Rückerstat-
tungsgericht sprach der Berechtigten unter Zurück-
weisung der weitergehenden Forderung auch nur den
im Verhältnis 10 : 1 umgestellten Verkaufserlös zu.

Das Urteil hat die entscheidenden Grundsätze in
folgenden Leitsätzen zusammengefaßt:

1. SCHADENSERSATZ — ART. 31, ABS. 1
REG

Ein Antiquitätenhändler, der auf einer —
ihrem Anschein nach privaten — Versteigerung
einen wertvollen Schreibtisch erworben und die-
sen später im Betrieb seines Geschäfles weiter-

veräußert hat, hat sich nicht um deswillen, weil
er vor dem Weiterverkauf erfahren hatte, daß
der ursprüngliche Eigentümer des Schreibtisches
ein Jude war, einer Außerachtlassung der im
Verkehr erforderlichen Sorgfalt schuldig gemacht
und haftet somit nicht auf Schadensersatz nach
Art. 31.

2. KENNTNIS VON DER ENTZIEHUNG

Unter den in Ziffer 1 bezeichneten Umstän-
den kann, auch wenn ein „Entzichungsfall" im
Sinne des Art. 2 REG vorlag, nicht geltend ge-
macht werden, daß ein Käufer von dem Vor-
liegen einer Entziehung Kenntnis gehabt habe.

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Die Entscheidung, ob der Käufer im vor-
liegenden Fall die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt angewendet hat oder nicht, hängt von
der Art seines Verhaltens ab. Wenn er unter ver-
nünftiger und zutreffender Beachtung des Maßes
von Sorgfalt, das ein verständiger Mensch in
bezug auf sein eigenes Vermögen anwenden
würde, gehandelt hat, so entspricht sein Handeln
der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Er ist
nicht an die besonderen Verhaltungsregeln ge-
bunden, die für einen Treuhänder fremden Ver-
mögens gelten.

4. SCHWERE ENTZIEHUNG — STRENGE
HAFTUNG NACH ART. 30 REG

Der Erwerber eines Vermögensgegenstandes,

dessen Übertragung unter den Merkmalen eines

„Entziehungsfalles" im Sinne des Art. 2 REG
erfolgt ist, unterliegt der strengen Haftung nach

Art. 30 nur dann, wenn er selbst an dem unrecht-
mäßigen Verhalten, durch das das Rechtsgeschäft
mit dem Makel behaftet wird, eine Schuld trägt
oder von einem solchen Verhalten Kenntnis hatte.

Mit dieser Entscheidung hat CORA klargelegt,
daß die Verpflichtung zum Schadensersatz (Art. 31
Amer. REG), d. h. zum Ersatz des heutigen Wertes
dann nicht besteht, wenn der Erwerber nach der
äußerlich privaten Versteigerung und noch vor dem
Weiterverkauf erfährt, daß der Vermögensgegen-
stand aus jüdischem Besitz stammt. Die Kenntnis

des jüdischen Vorbesitzers reicht nicht aus, um die
Kenntnis des Entziehungsvorganges zu subsumieren.

Die strenge Haftung des Erwerbers (Art. 30 REG)
bleibt auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der
Erwerber selbst an der Entziehung eine Schuld
trägt oder im Zeitpunkt des Erwerbes von der Ent-
ziehung Kenntnis hatte.

Um zu bestimmen, ob das Verhalten des Händlers
der „im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entsprach",
genügt nicht die Feststellung, daß die Weiterver-
äußerung nicht mit dem wirklichen oder mutmaß-
lichen Willen des Berechtigten übereinstimmte, das
entscheidende Merkmal liegt darin, ob das Verhal-
ten des Händlers angemessen, und zwar unter ge-
höriger Beobachtung des Maßes an Sorgfalt, das ein
verständiger Mensch im bezug auf sein eigenes Ein-
kommen anwenden würde. Nicht diejenigen Grund-
sätze sind zur Anwendung zu bringen, die billiger-
weise von dem Treuhänder des Vermögens verlangt
werden müssen, sondern nur die angemessenen
Regeln, deren Anwendung man bei eigenem Ver-
mögen erwarten würde.

Dr. K. Voelkl, Rechtsanwalt,
Nürnberg.

P. S.

Auf der gleichen Auktion hatte der im vorigen
Jahr verstorbene Kunsthändler Karl Haberstock
die „Kreuztragung" eines unbekannten italienischen
Meisters ersteigert, die von ihm dann als Werk
Tintorettos erkannt und an die Stadt Düsseldorf
verkauft wurde. Im Rückerstattungsverfahren dieses
Gemäldes spielte die Frage des gutgläubigen Erwerbs
durch Haberstock eine erhebliche Rolle. Das CORA-
Urteil stellt nunmehr eine posthume Anerkennung
der Haberstockschen Thesen dar. Denn das Wieder-
gutmachungsamt in Düsseldorf hatte 1950 die Rück-
erstattung des Gemäldes an die einstmalige Besitze-
rin verfügt. Die „Weltkunst" hat in 1952/1, Seite 11,
auf diese ungerechtfertigte Maßnahme hingewiesen
und die Hauptargumente mitgeteilt, die in einer
Broschüre Karl Haberstocks gegen diese Rückerstat-
tung angeführt wurden, die das Nürnberger CORA-
Urteil jetzt spät, aber dem Recht genügetuend zu
den seinen gemacht hat.
 
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