Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Wiegand, Theodor; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Antike Denkmäler (Band 4, Heft 2): Die altattische stehende Göttin in Berlin — Berlin, 1929

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3764#0013
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
----------25----------

des Wangenumrisses verlaufen, ohne Andeutung des Jochbeines. Der Raum zwischen Brauen und oberem Lidrand ist bei beiden
Köpfen mit der gleichen Einkehlung, wie mit dem Hohleisen hergestellt; das Auge selbst drängt sich auch bei dem Dipylonkopf
stark vor und in hochgeschwungenem Bogen begleitet die Brauenlinie die weite Öffnung; die Tränendrüse fehlt und der äußere
Augenwinkel verläuft pfeilspitzenartig x). Das Ohr ist auch hier dicht angepreßt, steht viel zu hoch und ist ganz ornamental. Die-
selbe einer bestimmten Stilstufe eigentümliche Abweichung von der Natur2) zeigt das bekannte Grabrelief des Diskophoren 3)
(Abb. 12), wo auch die Gesamtform des Schopfes übereinstimmt, dazu die derbe Bildung der Nase, die Mundwinkelkerbe und das
vorspringende Kinn 4). Die auf die Fläche übertragene Augenbildung verzichtet nicht auf die spitze Endigung des äußeren Augen-
winkels, während im inneren bereits die Tränendrüse ausgebildet ist; der Diskophor ist jünger als unsere Statue, einen sehr be-
deutenden Zeitunterschied wird man aber im Hinblick auf die sonstigen großen Übereinstimmungen kaum annehmen dürfen.

Bleiben wir zunächst bei der altattischen Marmorplastik, so finden wir überall als typisch für die ältere Stufe die sym-
metrische Stellung der Füße und eine geschlossene Bildung der Zehen. Auch ist die große Zehe in dieser Zeit als die längste
gebildet. Alles dies trifft auf unsere Figur zu, die sich darin dem Kalbträger zur Seite stellt. Die Füße der Phaidimosbasis 5)

Abb. 11. Kopi vom Dipylon

dagegen zeigen bereits die Sonderung der großen Zehe von den übrigen durch eine große Eintiefung, ihre Nägel sind unsorgfältiger
gebildet. Eichlers Vergleiche führten ihn zu der Annahme, daß die Phaidimosbasis »an das Ende der bodenständigen älterat-
tischen Plastik« gehört und damit etwa in die Mitte des sechsten Jahrhunderts.

Weitere Übereinstimmungen mit altattischen Werken lassen sich für das Gewand nachweisen. Der wellenförmig über den
Füßen abschließende Chiton 6) zeigt sich ebenso bei der stilistisch schon etwas jüngeren Akropolisfigur Nr. 582, während die Fi-
gur Nr. 589 dieselbe Art zeigt, wie die Falten des Rockes und des Mäntelchens sich dachförmig überblatten 7). Den aus abwärts
gerichteten Spitzknospen gebildeten Halsschmuck zeigt der Akropolistorso Nr. 593 8), bei dem auch die kleinen Troddeln am Man-
telende übereinstimmen (Abb. 13). Der mit dem Halsschmuck übereinstimmende Ohr schmuck 9) läßt sich in Attika von der
Francoisvase ab nachweisen bis zu den Vasenbildern des Kachrylion, Oltos und Euxitheos. Auch für das hinter den Ohren den
Kopf umschließende horizontale Schopfband finden sich Analogien in der verwandten Marmorplastik, zum Beispiel am Kopf der
Sphinx des Nationalmuseums zu Athen Inst. Phot. Nr. 730.

Alle diese und noch mehr Übereinstimmungen finden wir aber auch in der älteren attischen Porosplastik, die heute niemand mehr

J) Vgl. dazu u. a. auch das Gorgoneion Akropolisvasen I Taf. 25 Nr. 425 b, ferner die Augen Taf. 35 q u. Taf. 38 Nr. 633 a. b.

2) Vgl. dazu auch den Kopf des 'Apollo' von Sunion: Deonna, Apollons archaiques 135 Nr. 7 Abb. 16 u. 17.

3) A. Conze a. a. O. I 5 f. Nr. 5 Taf. 4. Brunn-Bruckmann, Denkmäler griech. u. röm. Skulptur 457 b. Waldmann a. a. O. 35.

") Vgl. hierzu auch die attischen Silbermünzen älterer Prägung, z. B. Cat. Brit. Mus. Coins Attica Taf. 1 Nr. 2 (Anfang 6. Jh. v. Chr.). Entwickelter schon Taf. 2 Nr. 4.

5) F. Eichler, Österr. Jahreshefte 16, 1913, 88 Abb. 47; 90 Abb. 49.

6) Vgl. Valentin Müller, Athen. Mitteilungen 46, 1921, 42 Taf. 3, 1.

7) Für die jüngere Art der Behandlung solcher Falten vgl. das Mäntelchen der Akropolisfigur Nr. 685: H. Schrader, Auswahl usw. Taf. 7 und Nr. 684 Taf. 10, wo auch die
U-Form der Faltenzüge auf dem Rücken in Weiterbildung erscheint. Dickins, Cat. Acrop. Mus. I 124.

8) H. Schrader a. a. O. Text 7 Abb. 1. Dickins a. a. O. 126 mit reicher Literatur.

9) Vgl. dazu G. Karo, Griech. Geschmeide, Festschrift für Paul Clemen 105 ff. Zu den Blüten- und Gefäßformen des Schmucks der älteren Zeit vgl. auch die Silberväschen
aus einem Grabe bei Chiusi, Amer. Journal of Archaeol. 22, 1913, 264 Abb. 7 A.

Antike Denkmäler 1928 jq
 
Annotationen