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Adamy, Rudolf
Die fränkische Thorhalle und Klosterkirche zu Lorsch an der Bergstraße — Darmstadt, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.10950#0041
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suchen, so ist es lehrreich, den Blick nach §orsch nahe gelegenen
Bauwcrken der Aarolingerzeit zu richten, nach 5eligenstadt und
Lteinbach. Das ^uadermauerwerk der Basilika an letzterein
Grte, regelmäßig und aus annähernd gleich großen ^uaderstcinen
da geschichtet, wo die Bkauer sich dem Anblick preiszugeben
hatte, verräth allerdings gegenüber der Lorscher Thorhalle eine
größere Ächerheit und Trsahrung in der Technik des 5teinver-
bandes. Dasselbe läßt sich von den Bogen des Auttelschiffes
sagen, deren Aeilsteine durchaus regelrecht zugehauen sind. Auch
die karolingischen pfeiler und Bogen der Basilika zu äeligenstadt,
die aus Ziegelsteinen hergestellt sind, lassen einen solchen Fortschritt
erkennen.

Das INaterial, aus welchem die Thorhalle erbaut wurde,
ist weißlicher und räthlicher 5andstein und Zura-Golith (Aalkstein).
Die nahe gelegene Bergstraße oder der Gdenwald haben allem An-
scheine nach das vortreffliche Alaterial erster Art geliesert; der Grt
der kserkunft läßt sich jedoch nicht feststellen.') Der Zura-Golith,
aus dem sämmtliche Aapitäle, der größte Theil der weißen
dreieckigen äteine und ein kleiner Theil der vicreckigen besteht,
stammt aus jener Gcgend, aus welcher die Trbauer kamen, von
dem sAateau westlich von Nletz.") Bemerkenswerth ist aber
außerdem, daß an der Gstseite unter dem südlichen Aämpfer-
gesims des südlichen Bogens ein vortrefflich gebranntes Aiegel-
plättchen als Ausgleich verwendet worden ist, mit anderen
Funden ein Beweis dafür, daß die Trbauer mit der Technik
des Aiegelbrennens wohl bekannt waren^). Die Behandlung
der senkrechten Gberflächen der glatten 5teine ist an den
meisten 5tellen nicht mehr zu erkennen. Tine ^lechte hat sich
aus ihnen eingenistet und die weicheren Bestandtheile ausge-
zehrt, so daß nach dem Abreiben die Flächen gleich einem
Anochengewebe wie aus einzelnen Aellen zusammengesetzt er-
scheinen. Nur da, wo bDind und lDetter weniger einwirken
konntcn, wie au den Leibungen der Bogenöffnungcn, ist die Art
der Bearbeitung noch deutlich wahrnehmbar. Die Flächen sind
hier mit kleinen quadratischen Bertiefungen versehen, die durch
schmale 5tege getrennt sind: sie sind offenbar mit dem 5tock-
hammer bearbeitet worden. Auffallenderweise ist die Benutzung
dieses Werkzeuges auch an den Aämpferprofilen der Bogen zu
crkennen.

Die ^uadersteine sind wie die Ankrustationssteine mit scharsen
Ecken versehen. Aus ein Aussugen mit lNörtel ist hier nicht
gerechnet worden.

Tine nähere Betrachtung verdienen die mit Grnamenten
bedachten Theile, die Aompositkapitäle dcs untcrcn Gcschosses,
die ionisierendcn des oberen und das Gurtgesims. Antikisierend
in der Zeichnung, haben sie sämmtlich dennoch einen der Antike
fremden Tharakter. Die technische Behandlung, welche sie er-
fahren haben, entspricht der letzteren nicht; zuni Theil aber hat
fle auch der Gestaltungsfähigkeit des 5teines nicht Rechnung ge-
tragen. Zwar läsen sich die Akanthusblätter der Aompositkapitäle
mit den 5pitzen von dem Aern ab und neigen dieselben herab;
aber sie sind trotzdem schwer und massig gearbeitet. Der Tierstab

u. Nach den Untersuchungeii des kjerrn vr. Lepsius, professors der
'Nineralogie an der Technischen kjochschule in Darmstadt.

!vir machen übrigens darauf aufmerksam, daß auch die Uuppel der jdalast-
kapelle Aarl's d. Gr. in Aachcn aus Iura-Bolith hcrgestellt ist. »Die Bcarbeitung
ihrer Merkstcine ist mit solcher Genauigkeit ausgeführt, daß sowolfl die 5toß-
wie die Lagerfugeu die Stärke uon mm nicht übersteigen.« vgl. Rhoen,
Die Kapelle der karolingischen Pfalz zu Aachen. 1887. Druck von ff. N. Palm
in Aachen. Iedoch haben wir nicht zu übersehen, daß die Lhronik von verdun
<v.erum ^LlIicLrum et sruuciscarum lomus izuiutus, V0II Utartin Bouquet.
Paris V. Zeite 272) ausdrücklich bemerkt, daß die zur Pfalzkaxelle

verwendeten Vuadersteine aus der zerstörtenStadt verdun stainmten:
Oe guuäris uulem lspiclidus äirutue civitutis <Vircluuicae> 7^<zuisgruni llupellu
extructs est.

vgl. weiter uiiten das Aapitel »Die fränkischen ffnndstücke«.

zwischen den Boluten ist flach und die Blattverzierung liegt auf dcn
letzteren fest auf. Die ganze Bearbeitung erweckt den Anschcin,
als ob man sich gescheut hätte, das Material krästig zu hinter-
schneiden und zu durchbrechen; das Blattwerk liegt wie festgelöthet
aus dem Aern, ohne sich zu einem wirklichen Tigenlcben aus
ihm herauszucntwickeln. Diese Gebundenheit des Grnamentes
an den Aern tritt bei den ionisierenden Pilasterkapitälen und dem
Gurtgcsims noch deutlicher hervor: man hat bei ihnen alles
Grnamentale einfach durch Tiumeißelung von Vertiefungen in
eine ebene Fläche hergestellt. Nur die Voluten der j)ilasterkapitäle
sind durch eine geringe Ausladung vor ihren übrigen Grnamenten
als wichtigste Theile auch für das Auge kenntlich gemacht. Noch
auffallender aber ist der bei den Bertiefungen fast durchweg vor-
kommends scharse IDinkel: die Akanthusblätter und palmetten
des ^rieses machen den Tindruck, als ob sie mit einem mehr
oder minder krästigen Grabstichel eingeschnitten seien; sie sind
im Aerbschnitt gearbeitet. ksiermit ist uns ein weiterer Anger-
zeig übcr die Nrsache jener dem 5teinmaterial an,sich frcmden
Behandlungsweise gegeben: man hat auch h i e r d i e T ech n i k
der ksolzbearbeitung aus den 5tein übertragen; die
Grnamente der Aapitäle und des Gurtgesimses erscheinen wie
aus ksolz gearbeitet.

Dieses Derfahren steht somit völlig in Nebereinstimmung
mit dem, welches wir oben bei der Ausammenfügung der einzelnen
Theile dcs Baues zu cinem Ganzen beobachtet haben. ^ür die
Aomposit- und ionisierenden Aapitäle ') haben die Trbauer zudem
ein solches Steinmaterial gewählt, welchcs eine Bearbcitung nach
Art jener des ksolzes am leichtesten zuläßt, einen weichen Aalk-
stein, Aura-Golith, der sich noch jetzt mit dem Nlesser und Grab-
stichel leicht bearbeiten läßt. Daß er, wie gesagt, aus der Gegend
westlich von Nletz stammt, ist für uns um so beachtenswerthcr,
da wir wissen, daß die Trbauer des Alosters von dort, aus dem
Aloster Gorzia bei lNetz, dem heutigen Gorze, kamen. 5ie haben
also das INaterial aus der Gegend des Nkutterklosters geholt,
vielleicht gar gleich bearbeitet bezogen. ^) Ts wurde den Arbeitern
sehr leicht, in diesem Nkaterial mit dem INeißel die eigenthümliche
^orm des Aerbschnittes nachzubilden. An römische Technik erinnern
aber im Bchnitt dieser Blätter nur die Augen in den Winkeln, die
jedoch konische oder trichterförmige Gestalt haben, als ob sie durch
Drehen eines Grabstichels und nicht eines Bohrers entstanden seien.
5omit weist auch die an den Grnamenten erkennbare Technik der
Lteinmetzen darauf hin, daß die hicr thätigen Aünstler noch un-
geübt in der Behandlung der 5teins waren und daß sie deßhalb
die ihnen bckanntere Technik der ksolzbearbeitung frisch und keck
aus das 5teinmaterial anwendeten. Ts mnßte ihnen dieses
um so weniger auffällig scin, da das 5teinmaterial dieser
an sich schlichten Behandlungsweise keine ksinderniffe in den
lDeg legte.

Diese Uebertragung der ksolztechnik aus den 5teinbau ist für
unsere Betrachtungen nicht ohne lvichtigkeit, zumal da sich fest-
stellen läßt, daß gleichzeitig eine ähnliche auch aus das lNetall
stattgesunden hat. Bei gegossenen 5chmuckgegenständen hat die
merowingische Aeit nämlich zur bjerstellung der Grnamente sich
gleichsalls mit Borliebe des Aerbschnittes bedient, der hier wie
dort der lsolztechnik entlehnt ist. Das ksolz war eben noch in
merowingischer Aeit das bjauptmaterial der Architcktur und 5kulp-
tur, und als die Airche, theils im Anschluß an die monumentalen
lverke der altchristlichen und römischen Aunst, theils unter
Rücksichtsnahme auf die größere 5icherheit gegen Zerstörung durch
Brand, auch in den Ländern diesseits der Alpen mehr und mehr
zuni 5teinbau überging, da mußte sie sich nothgedrungen auch

') vgl. die Abbildungen in dcin solgeiiden Uapitel.

vgl. auch weiter unten unter dem Aapitel: »Die fränkischen Fund-
stücke» die Besprechung der aus Iura-Volith hergestcllten Formen.
 
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