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Uiitersuchungcn an dcr Palastkapcllc Aarl's dcs Großcn zu
Aachcn habcn scrner ergcben, daß auch hicr eine Dorhossanlage
gleich der vor dcr Basilika Linhard's iin Odcnwald gcwescn i'st
(6'S- ^6). Selbst die Lingangshalle hat sich hier wie dort ini
Grundriß nachweisen lassen. Mesclbe hatte einc Tiefe von 8,50 m
und eine Breite von l?,40 m im Lichten, war also, der Bedeutung
der Airche entsprechend, beträchtlich größer als die ;u Lorsch,
hatte jedoch nur einen Durchgang in der Bntte der Längenseitcn. ')

Vb die verwandten Airchenanlagen ;u Seligenstadt a. B7. ^)
nnd auf dcni yeiligenberg bei heidelbergb) eine ähnlichc Aus-
bildung des Atriunis-Linganges gehabt haben, ist nicht niehr
festzustellen. yingegen sei noch auf ein verwandtes Beispiel jen-
seits der Alpen vcrwiescn, auf kcinen geringeren Bau als die
alte Peterskirche in Roin. Abbildungen derselben aus der Zeit
des Neubaues inr sechszehnten Zahrhundert ^) zeigen uns einen
der Lorscher Thorhalle ähnlichen Tingangsbau, der niit drei
Geffnungen den Zutritt zuni vorhofe verniittelte, unten niit
Säulen geschniückt war und in einem oberen Stockwerkc drei
Lenster hatte (Fig. 47 u. 48). ?a wir wissen, daß Lhrodegang,
der vater des Nlosters Lorsch, in einer wichtigen politischen
Niission niit deni s)abste in Roni zu verhandeln gehabt hat, so
dürften wir vielleicht diese Aehnlichkeit der bedeutendsten Aloster-
kirche Deutschlands niit der ersten der gesaniniten danialigen
Lhristenheit doch nicht als ganz zufällig betrachten, zumal da
auch die Lorniensprache der Lorscher Thorhalle sich eng der
röniisch-italischen anschließt.

Nehmen wir die ganze klösterliche Airchenanlage als solche
in Betracht, so scheint auch sie nicht ohne bestimmende Vor-
gängerin gewesen zu sein. Bischof Lhrodegang von Metz,
den wir, obwohl er beim Beginne des Rmbaues aus seinen
Bischosssitz zurückkehrte, dennoch für den eigentlichen Gründer des-
selben ansehen müsscn, hatte als Reorganisator der Alerikerklöster
und Lrbauer zweier anderer Alöster sicherlich sich da Rath geholt,
wohin sein ganzes lvesen neigte, bei den römischen Linrichtungen.
Nun hatte aber Italien in jener Zeit ein Aloster auszuweisen,
als dessen eigentlicher Begründer ein Abt Thomas, ein Franke
von Geburt, genannt wird, und das bis in's zehnte Zahrhundert
hinein vorwiegend von Aebten fränkischer ljerkunst regiert wurde.
Ls ist dieses das Aloster Harsa zwischen Roni und Reate im
Sabinergebirge. Mit reichlichen privilegicn ausgestattet, hatte
es stets Beziehungen zu den deutschen ljerrschern unterhalten, denen
es aus dem Zuge nach Rom vielfach als Absteigequartier diente.
Zn einer Schrist dcs Abtcs b)ugo'°ff (9st7—lOZst) werden uns
Angaben über diese Alosteranlage gemacht, die uns einen be-
deutsamcn Lingerzeig sür die Linflüsse gebcn, unter denen die
Lorscher Airchenanlage entstandcn sein kann. Diese Schrist ent-
hält eine knappe Beschreibung dcr Alosterbaulichkeiten, die 8s)0
von Arabern zerstört wurden, also wohl der in dem ersten viertel
des achten Zahrhunderts gegründetcn Anlage. Das Aloster hatte
hiernach, wie Lorsch vor dem großen Lrande, süns Airchen, wo-
von zwei Rirchen, wohl Doppelkirchen, für Gcncsende und Schwcr-
kranke bestimmt waren.") Bogcnhallen (urcus äoLmbuIutorios)
aber hatte es innerhalb und außcn; ersterc waren sür die lNönche
bestinnnt und bildeten das cigentliche Llaustrinn, letztcre für die
Laicn; wir haben also hier die Schilderung cincs Alosters, welches
ein Atrium hatte, das, sür dcn verkehr des Publikums mit der
bsauptkirche bestimmt, zweifellos an dcr westscite derselbcn lag,

0 vgl. L. Rhoen, Die Aapelle der karolingischen Pfalz zn Aachen. 1887.
Druck ron F. N. Palm in Aachen. Seite sg u. Taf. I.

2) vgl. Adamy a. a. V.

^) Vgl. Schleuning a. a. V.

») Mitgetheilt bei Letarouilly, Der vatikan, Taf. y. Fig. 2.

") Sn öer vestructio Aarkeosis.

«) Diefe Anlage würde den Gebrauch des wortes trixlex Scite s erklären.

wic wir es in gleicher weise auch für Lorsch festgestcllt haben.
Auch war der ganze Alosterbezirk wie hier durch eine wauer
eingesriedigt. Dic verwandte Anlage des Alosterneubaues zu
'sarfa, die unter dem Linflusse der Älosteranlage zu Lluny ent-
stand, dürfen wir hier außer Acht lassen. Zene Schilderung, die
sich zwar auf ein bestimmtes Aloster bezieht, dercn allgemeine
Angaben aber sicherlich als typisch anzusehen sind, giebt uns also
das Vcrbintungsglied zwischen den bekannten Atriumsanlagen
der altchristlichen Aeit in Ztalien und speziell in Rom und den er-
wähnten Beispielen diesseits der Alpen in Deutschland, insbcsondere
der Lorscher Anlage.')

Sowohl die soeben erwähnte Schilderung wie die vcrwandt-
schaft der kirchlichen vorhofsanlagen zu Steinbach i. G-, Aachen
und aus dem kjeiligenberg bei kjeidclberg ^) mit der zn Lorsch
lassen unter Berücksichtigung der an letzterm Grte vorgefundenen
Spnren^) dcn Rückschluß zu, daß auch die vorhofsanlage zu
Lorsch mit seitlichen Dallen versehen gewescn ist. von eincm
Brunncn jedoch, der eine nothwendige Anlage der altchristlichen
Airchenvorhöfe war und dessen Zuflußrinne sich in Steinbach
nachweisen ließ, haben wir bis jetzt Lpuren nicht vorgefunden.
Das wasser zu demselben hätte sich, wie auch bei den übrigen
Brunnen des Alosterbezirkes, nur durch tiesc Grabungen gewinnen
lasscn. Aebrigens ist an dicser Stelle noch hervorzuheben, daß
die Airchen zu Lorsch, Steinbach und Seligenstadt auch hinsichtlicki
ihres Bauprogramms verwandt waren: alle -rei waren zur Auf-
nahme von wunderthätigen Reliquien bestinimt, sie waren wall-
fahrtskirchcn. Bei dcr damaligen Grganisation innerhalb des
christlichcn Aultus warcn für derartige Airchcn größere geschlossene
Vorräume oder !)öfe nothwendig, theils weil die zum Gottcs-
dienst bestimmten Räume bei festlichen Gelegenheiten nicht aus-
reichten, die große Zahl der herbeiströnienden pilger zu fassen,
.theils weil nicht alle berechtigt waren, jene zu betreten. Die
Zweckmäßigkeit dcr ältesten dicser Anlagen, der zu Lorsch, mag
daher nicht ohne Linfluß auf die Gestaltung der genannten ver-
wandten werke gewesen sein; daß sie dcm Lrbauer dcrsclben,
Linhard, nicht unbckannt gcwesen ist, crgiebt schon die nahe Be-
ziehung, in dcr er sich zum Alostcr Lorsch als dem Lrben seincr
Besitzungen im Gdenwald, unter diesen auch der Steinbacher
Basilika, schon bei Lebzeiten befunden haben muß.

Die Verwandtschast der erwähnten Alosteranlagen Linhard's
und der jOalastkirche Aarl's d. Gr. zu Aachcn mit dem fränkischen
Alostcr zu Lorsch crstrcckt sich jcdoch nur aus den Grundriß und Aus-
bau der Airchen im Allgemeinen, weniger auf die künstlerische Aus-
führung. Zn dieser kjinsicht hat die Lorscher Airche nach dem cr-
haltenen Rest der Anlage, eben unscrer Thorhalle, wcit über jenen
gestanden, und wenn wir bloß aus diescm Umstande eincn direktcn
Schluß auf die Lntwicklung dcr Aunst jcncr Zeit ziehen wollten,
so müßtcn wir zu dem Lrgebniß kommen, daß sie unter Aarl dem
Großen in raschcm Sinken begriffen war. wohl finden sich einzelne
Formen hicr wic dort in gleicher wcise vcrtreten, so die Aämpfer-
gesimse dcr Pfeilcr;^) aber kein einzigcs dcr aus karolingischer
Zeit crhaltcnen Bauwerke zeigt uns jcne reizvollcn, sür den Zweck
ihrer jetzigen Verwendung von den Lrbauern gcschaffenen Formen,
wie sie nicht bloß an dcr Thorhalle, sondcrn auch untcr den
Hundstückcn vorkommen. Dic korinthischen Aapitalc in dcr s?alast-
kapelle zu Aachen sind sammt ihren Säulenstämmen römischcr

i) vgl. über chirfa imd Ll.iny I. Schlosser, Die abeiidländische Kloster-
anlage. tvie» issd S. qy rc. tvir verdankeii diescm lverkchen obigen nicht
unwichtigen ffinweis.

^) Mr führen die Uirchenanlagen in der Reihenfolge an, wie sie zeit-
lich nachgewiesen worden sind.

^) vgl. oben S. 8 u. 9-

tz vgl. oben Seite 28. Die erhaltenen Aampfer- und Gesimsprofile der
karolingischen Banten zu I'-gettleim, Aachen, Steinbach, Seligenstadt nnd
Lorsch sind verwandt mit einander.
 
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