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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0014
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in seinen Bestrebungen nacbdrücklicher zu unterstützen, wurden
946 zu Havelberg, 948 zu Meifsen und 949 zu Brandenburg
Bisthümer gegründet. In der erhaltenen Stiftungsurkunde des
Brandenburger Bisthums wird der auf der Insel belegene Ort
bereits Stadt ('cmitas) genannt 1). Unzweifelhaft wurde für den
Bischof ein Wohnsitz und zur gottesdienstlichen Feier eine Dom-
kirche erbaut, deren Lage auf der Insel neben der slavischen
Burg gesucht werden mufs. Aber obgleich Otto I. die errich-
teten Bisthümer durch die 968 erfolgte Stiftung des Erzbisthums
Magdeburg noch mehr zu sichern suchte, war die Herrschaft
des Christenthums doch nur von kurzer Dauer. Durch Bedrük-
kungen gereizt und in ihrer nationalen Selbstständigkeit bedroht,
erhoben sich 983 die sämmtlichen Slaven östlich von der Elbe
in einem einmüthigen Aufstande, Havelberg und Brandenburg
fielen in ihre Hände, die Bischofssitze wurden zerstört und die
heiligen Kultusplätze mit den alten heimischen Göttern vonNeuem
besetzt. Anderthalb Jahrhunderte lang thronte fortan der in
Pommern besonders hochverehrte Triglav auf dem Harlunger
Berge. Erst später erschienen zeitweis slavische Fürsten von
Brandenburg als Vasallen der deutschen Könige. Meistens
schwankte der Besitz von Brandenburg zwischen Deutschen und
Slaven hin und her, in hartem Streite häufig wechselnd, doch
so, dafs die letztern bis 1130 stets die Oberhand behielten und
11 Bischöfe von Brandenburg ihre Diözes nicht betreten konn-
ten. Der steigende Glaubenseifer, der die Kreuzzüge hervorrief,
sowie das Streben der Fürsten nach weltliehem Besitz verwan-
delte die Kämpfe um die Landesgrenzen in einen der blutigsten
und ausdauerndsten Rapenkämpfe, den die Geschichte kennt.
Die Slaven haben denselben bis zur völligen Vernichtung ihrer
politischen Existenz durchgekämpft. Erst dem vereinten Auf-
treten des Erzbischofs von Magdeburg und des eben so tapfern,
wie staatsmännisch kiugen Geschlechtes der Askanischen Fürsten
gelang es von dem Jahre 1130 ab, dem Christenthum und sei-
nen deutschen Bekennern neuen Boden zu gewinnen. Schrittweise
vorrückend und ein heidnisches Heiligthum nach dem andern
mit Kirchen und Klöstern besetzend, war die bauliche Thätigkeit
stets mit der missioparen Wirksamkeit verbunden. So erfolgte
von Magdeburg aus die Besitznahme eines unzweifelhaft hoch-
heiligen heidnischen Kultusplatzes bei Leitzkau, bei welchem nach
mehrjähriger klösterlicher Existenz die erste steinerne Kirche
1114 zu bauen begonnen wurde. — Diese Kirche war die erste bi-
schöfliche Stiftskirche des Bisthums Brandenburg, und desKlosters
Einflufs hat sich auf das Brandenburgische Kapitel Jahrhunderte
lang erhalten. Wie langsam die christlichen Fortschritte waren
und welche Schwierigkeiten überwunden werden mufsten, lehrt
die Beschreibung der Missionsreisen des Bischofs Otto v. Bam-
berg vom Jahre 1127, besonders sein Aufenthalt in Havel-
berg zur Genüge 2). Noch bezeichnender ist hierfür der Brief
des Bischofs Anselm von Havelberg an den berühmten Abt
Wibald von Oorvey vom Jahre 1147, worin er schreibt:
In praesepio meo Havelberg pauper Christi cim fratribus meis
pauperibus Christi maneo, ubi alii turrim fortituclinis aedißcant a
facie inimici, alii sunt in excubiis ad defendendum contra insultus
paganorum, alii divinis obsequiis mancipati quotidie martyrium ex-
spectant.... 3). Nur wegen des Verdachtes, sich zum Christen-
thume hinzuneigen, wurde der slavische Fürst Meinfried im
Jahre 1126 zu Brandenburg getödtet. Dieses Ereignifs schreckte
seinen Sohn und Nachfolger Pribislav, so dafs er lange Jahre
hindurch dem Heidenthume ergeben blieb. Aber die erlahmende
Widerstandsfähigkeit seines zersplitterten Volkes erkennend und
mit seinem Nachbar Albrecht dem Bären in Freundschaft lebend,
übergab er demselben bereits itn Jahre 1127 das Land Zauche
als Pathengeschenk für seinen Sohn Otto I. Nachdem nun Al-
brecht der Bär 1136 auch Havelberg und die Priegnitz erobert
hatte und dem Pribislav von zwei Seiten sichern Schutz gewäh-

') ßiedel, Codex diplomat. A. VIII. 91.

2) Vita S. Ottonis apud Ludewig. 460.

3) Gercken, Stiftshistorie v. Erand. 79.

ren konnte, entschlofs sich derselbe, kinderlos und hochbetagt,
mit seiner Gemahlin Petrussa 1137 öffentlich zum Christenthum
überzugehen. — Albrecht war Taufzeuge und Pribislav nahm den
Namen Heinrich an. Seine erste Handlung war, den Triglav auf
dem Harlunger Berge der heidnischen Verehrung zu entziehen
(destruxil)’), sodann auf dem heiligen Wallfahrtsberge eine christ-
liche Kirche zu erbauen, in welcher seine christlich gesinnten
Vorfahren und er selbst eine Ruhestätte finden möchten. Albrecht
wurde der Erbe seiner Länder und das bischöfliche Amt trat
unter seinem Schutze in alte Rechte und neue Wirksamkeit. Von
Leitzkau aus, wohin der sterbende Pribislav seine Krone geweiht
hatte, begann die Organisation aller kirchlichen Verhältnisse, in-
dem von dem 1138 daselbst errichteten Prämonstratenserstifte
ein Theil 1161 nach Parduin, d. h. der spätern Altstadt Branden-
burg versetzt wurde 2). Dort war die wahrscheinlich von Pribis-
lav gestiftete Kirche St. Godehard 1161 bis 1164 inzwischen neu
gebaut oder als Stiftskirche eingerichtet worden. Aber die kirch-
liche Organisation ruhte nicht eher, als bis der Platz, auf wel-
chem die ursprünglich von Otto I. gegründete Domkirche gestan-
den hatte, der neuen gottesdienstlichen Ordnung übergeben war.
Schon 1166 wurden die Prämonstratenser von Parduin nach der
Burginsel versetzt und ihnen vorläufig die wiederhergestellte
Kapelle St. Peter übergeben 3). Mit dem Bau dieser Kapelle hörte
der von Leitzkau aus übertragene Granitbau in schweren roma-
nischen Formen auf, und es trat durch die Einwanderung nieder-
ländischer Kolonisten begünstigt, der Backsteinbau an seine Stelle.
Nachdem auf der Burg nun ein umfangreicher Dombau mit allen
Stiftsgebäuden bis 1194 entstanden und ein bischöfliches Kapitel
nach kirchlichem Recht gegründet war, entfaltete sich die bau-
liche Thätigkeit nach allen Seiten. Der Ort Parduin, fortan die
„Altstadt“ genannt, besafs bereits St. Godehard als Pfarrkirche,
die Neustadt empfing nun die ihrige in St. Katharina, und auf
dem Harlunger Berge, zu welchem der Volksbesuch traditionell
fortdauerte, wurde eine neuehochberühmteWallfahrtskirche ca. 1250
errichtet. Auch nah belegeneDörferwurdendurchKirchenzuPfarr-
systemen vereinigt, so Luckeberg dicht vor der Altstadt in der
St. Nikolauskirche. Alle diese Kirchen sind in romanischem Style
in einfach strengen Fonnen erbaut worden und haben denselben
mehr oder weniger bewahrt. Nur St. Katharina ist völlig er-
neuert worden. Die wachsende Bevölkerung in den Städten, die
steigende Wohlhabenheit ihrer Bewohner bei den gesicherten
Zuständen des Landes führten bald zu ferneren Bauunterneh-
mungen. Zuerst erschienen in der Mitte des XIII. Jahrhunderts
die Predigermönche des heiligen Franziskus auf der Altstadt und
erbauten Kloster und Kirche St. Johannes. Wenige Jahrzehnde
später folgten die Dominikanermönche auf der Neustadt und grün-
deten Kloster und Kirche St. Paul nach 1287 4). In diesen Stadt-
klosterbauten erscheint nun der fertig ausgebildete gothische Styl,
der bereits ein halbes Jahrhundert früher von Magdeburg übertra-
gen, in der Marienkirche aut dem Harlunger Berge, sowie bei dem
grofsartigen Umbau des Domes nach 1295 mehr und mehr her-
vorgetreten war. Der Reichthum der Städte ermöglichte die ein-
geschlagene Richtung, welche den consequenten Gewölbebau der
Hallenkirchen mit immer reicherer Fapaden - wie Raumbildung
erstrebte. So wurde schon nach 1324 der gröfste Theil der Alt-
städter Pfarrkirche St. Godehard in höchst consequenter Weise
in gothischen Formen neu erbaut. Am Schlusse des XIV. Jahr-
hunderts folgte dem die Neustadt, indem sie, begünstigt durch
die von Kaiser Cari IV. und seinen böhmischen Baumeistern über-
tragenen reiehgothischen Formen, ihre Pfarrkirche St. Katharina
einem vollständigen Neubau unterwarf. In diesem Bau erreichte
der gothische Backsteinbau in Brandenburg, namentlich in der
Fafadenbildung seinen Gipfelpunkt, aber auch seine Grenze. Mit
gleicher Beherrschung des Materials, aber in der solidesten Weise

') Raumer, Reg. 158.

'•‘) Riedel, a. a. 0. VIII, 1Ü7.

3) Riedel, a, a. O. VII. 469.

4) Fincke, Progr. 1749. 14.
 
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