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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0016
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so sehr den Besueh entzogen, dafs Friedrich I. von Hohenzol-
lern sich 1435 veranlafst fand, um dem altehrwürdigen Gottes-
hause neue Würde zu verleihen, ein besonderes Kapitel bei der
Kirche mit täglichem Gottesdienste zu stiften. In der darüber
ausgefertigten Urkunde ') sagt der Kurfürst ausdrücklich, dafs
die Kirche „von dem hochgebornen Fürsten, Herrn Hemrich*),
vormals der Wenden König auf dem Harlunger Berge zur Ehre
und zur Würde der hochgelohten Königin Maria erbaut sei
und dafs genannte Königin an derselben Stätte viel grofse'Gnade
und Wunderwerke gethan habe und noch thue etc. . . . dafs es
aber an der hochgelobten Stätte u. 1. Frau mit ihrem Lobe bis-
her so gar geringe bestellt gewesen.“, Zu diesem Zwecke wur-
den besondere Klostergebäude auf der Ost- und Nordseite der
Marienkirche aufgeführt und dieselben mit Prämonstratenser
Stiftsherrn aus dem Dome besetzt.

Fi’iedrich II. (Eisenzahn) vei'Iieh aber, dexx Bestrebungen
seines Vaters folgend, dem Mäi’ienberge eine nochmalige beson-
dere Berühmtheit, indem er 1440 eine Gesellschaft oder Brüdei’-
schaft unsrer lieben Frauen (nach ihrem Ordenszeichen auch
Schwanenorden benannt) stiftete und die Marienkirche zum Mit-
telpunkte derselben machte. Diese Gesellschaft * 2) hatte zunächst
zum Zwecke, „unter seinem Adel und den Hofleuten Gottesfurcht
und redlichen Sinn zu verbreiten und ein Band der Liebe zwi-
schen den von seinem Vater gebändigten Märkischen Vasallen
und dem neuen Fürsten zn knüpfen“. Die Mitglieder waren ver-
pflichtet, die Festtage u. 1. Frau würdig zu feiern, den Armen
Almosen zu i;eichen und gegenseitig sich treulich beizustehn.
Alle Quatember mufste ein Beitrag an das Marienklostei’ auf dem
Berge eingesendet werden, wie aucli die Mönche viennal jährlich
der verstorbenen Ordensmitglieder öffentlich mit Gebet zu ge-
denken vei’pflichtet waren Zu diesen Gedächtnifstagen mufsten
die Gesellschaftsmitglieder mit den Ordensinsignien erscheinön
oder einen ehrbaren Stellvertreter senden 3). Die Ordenszeichen
durften bei dem. erfolgten Tode eines Mitgliedes von den Ange-
höi’igen nicht behalten werden, sondern mufsten an den Propst
auf dem Berge zurückgegeben und auch dafür gesorgt werden,
dafs das Wappen des Verstoi’benen mit dem Ordenszeichen ver-
sehen gemalt und z.um Aufhähgen in* die Marienkirche, eingesen-
det wui’de. Zur würdigen Feier dieser Gedächtnifsfeste und
Ordenstage mufs um 1440 die zweigeschossige Kapelle an die
alte St. Marienkirche angebaut und mit derselben verbunden wor-
den sein. Der untere Theil (Krypta?) dieser Ordenskapelle wurde
dem heiligen Leonhard geweiht, und in ihr befanden sich Gräber
von Oi’densmitgliedern, besonders der Edlen von Waldenfels, die
1469 Schlofs Plaue besäfsen 4). Durch das Ansehen seines Stif-
ters und durch die gesteigerte Marienverehrung ei’langte der
Schwanenorden in kurzer Zeit eine so weite Vei’breitung, dafs
schon 1459 ein neuer gottesdienstlicher Mittelpunkt zu Anspach
für die süddeutsehe Zunge und ein eben solcher in der Schlofs-
kapelle zu Königsberg 1511 für die preufsischen Ritter gestiftet
wurde. Dennoch und trotz vieler Bereicherungen, welche dem
Stifte zu Theil wurden, war der neue Glanz, der den Harlunger
Bei’g und die Kirche umgah, von keinerix langen Bestande.
Schon am Anfange des XVI. Jahrhunderts hatten solche Stiftun-
gen sich überlebt; die Reformation nahm ihnen vollends jeden
Boden. Wenn auch die zahlreicheh Besuche des Bei’ges durch
gröfsere Volksmengen an derix Tage von Mariä Geburt und St.
Michael noch fortdauerten, wie die Ui’kunde vom J. 1496 be-
weist, so hob doch Joachim II. schon 1539 das Stift auf dem
Berge auf; die Mönche zogen fort, die Klostergebäude verfielen,
die Kirche selbst wui’de 1551 dem Domkapitel übereignet. Nun
w’ar die Zerstöi’ung nicht mehr aufzuhalten, die Glasgemälde,
Altarbilder, Mefsbücher, Ohorstühle, Ordensschilder verschwan-
den spurlos, nur die Glocken wux’den gerettet. Bis nach dem
Jahre 1586 bewahrte die Kirche ihr Dach, später, kurz vor dem

J) Heffter, Gesch. <1. St. Brandenburg. 262.

*) Der spätere christliche Name des Pribislav.

2) Vergl. Frhr. v. Stillfried-Rattonitz, der Schwanenorden. 3 ff.

3) v. Stillffied. 7 ff.

t) Riedel, a. a. O.'" X. 10.

Ausbi’uche des dreifsigjährigen Ki’ieges, erscheint sie desselben
beraubt und die Gewölbe dem Unbiü der Witterung preisgege-
ben. Dennoch ei’hielt sich ohne allen Schutz der treffliche Bau
bis zum Jahr 1722, wo König Fi’iedi’ich Wilhelm I. trotz der
Bitten und Gegenvorstellungen des Raths zu Bi’andenburg auf
Veranlassung eines Obersten Pieny die Kirche abbrechen liefs,
um die Steine zum Bau der Potsdamer Waiserihäuser zu vei’-
wenden. Der Abbrnch dauerte 1) Jahre und der Werth der
gewonnenen Steine stand in keinem Vei’hältnifs zu derx darauf
verwendeten Kosten. Brandenburg aber,- und -man kann wohl
sagen Norddeutschland, war um eins der ältesten und interessan-
testen Baudenkmale ärmer.

Baubeschreibung.

Die Quellen, auf welche die hier folgende Baubeschreibung
sich stützt und deren wichtigste hier zum ei’sten Male veröf-
fentlicht wird, bestehen: *

1) in dem 1722 auf Veranlassung des Directors der Ritter-
Akademie zu Brandenburg Chr. Heinss angefertigten Modelle
der Kirche, welches jetzt im Dome aufbewahrt wird;

2) in dem von demselben Manne verfafsten Progi’amme des
Jahres 1752, wox’in nebst einer kurzen Beschreibung der
Marienkirche. auch der Grundrifs und ein Prospect mitge-
theilt ist. Er selbst sagt darin wörtlich: „Einige Jahre
vor dessen (sc. Tempel) völliger Zerstörung'ti’ieben
mich die Ermahnungen des Märkischen Geschichtsschrei-
bers Leuthinger an, diese in 800 Jahr gestandene Marien-
kirche durch' eine genaue Ausmessung und Verzeichnung
der Vei’gessenheit zu entreifsen, mithin den künftigen Ein-
wohnern dieser Stadt und andern Freunden der Alter-
thümer das Andenken derselben zu hinterlassen;“

3) in einer Darstellung der Kirche auf einem Oelgemälde in
der St. Godehai’dkirche mit dem Meistei’zeichen g Q .TE.
welches aber, da die Kirche als nebensächlich behan-
delter landschaftlicherHintergrund erscheint, nur denWerth
der ältesten Dax’stellung-besitzt;

4) in eben solcher nur viel 'mangelhafterer Darstellung vom

Jahr 1625 auf zwei andeirn Oelgexnälden im Rathhause und
der Dechanei; ’ •

5) in 7 Stück gravii’ten Kupferplatten verschiedener Gröfse,
welche den Situationsplan der -Stadt, den ad 2. erwähnten
Grundi’ifs und Prospect, den hier BI. II, Fig. 1, zum ersten
MaTe veröffentlichten Längendurchschnitt, zwei Geschmeifle-
halsketten des Schwanenordens, den Gott Triglav, sowie
endlich mehrere Wappen nxit Buchstaben darstellen*). Diese
höchst werthvollen Kupferplatten, welche Heinss für eine
ausführliche Herausgabe der Marienkirche und ihrer Schwa-
nenordenskapelle nach eigner Aufnahme der Kirche .vor
dem. Abbruche hatte anfertigen lassen, werden jetzt auf der
Bibliothek des Gynxnasiums zu Brandenburg aufbewahrt;

6) in einer in Deckfarben sehr sorgfältig auf Papier.’gemalten
Perspective der Kirche, nebst dem Grundrisse, welche sich
im sogenannten reichen Kloster St. Paul befindet und eine
Originalzeichnung für die publicirte Darstellung des Pro-
gramms von 1752 ist;

7) in einig'en mehr oder weniger brauchbaren Originalzeich-
nungen auf der oben genannten Bibliothek, von denen aber
nur eine grofse Grundrifszeichnung wirklichen Werth hat
und möglicher Weise eine der Aufnahmezeichnungen des
Heinss ist #*).

Nach vergleichender Prüfung dieser vorhandenen Quellen ist
die auf den Blättern I. und II. gegebene Darstellung der St.
Marien-Kirche angefertigt worden. Bl. I. Fig. 1. giebt die redu-
cirte perspectivische Ansicht der Kirche vom Jahre 1586 nach

*) Sämmtliche bisherige Publicationen lassen sich anf die ad 1. 2. 3. angegebenen
Quellen zurückfiihren. Keine derselben, weder Minutoli’s noch Kallenbach’s doch v. Still-
fried’s, gewährt eine richtige Vorstellung oder erreicht an Zuverlässigkeit die erste Bekannt-
machung des Heinss von 1752.

**) Was die Aechtheit und Zuverlässigkeit dieser benutzten Hülfsmittel betrifft, so w.ird
wohl an eine beabsichtigte Fälschung seitens eines Mannes wie Heinss, der nur aus Ach-
 
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