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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0029
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19

bunden, liegt eine hn halben Achteck geschlossene und mit zier-
üchen Sterngewölben überdeckte dreijochige Kapelle, welche tech-
üiscben Kennzeichen zufolge mit dem Schiffskörper gleichzeitig
ei'baut, aber etwas später. vollendet worden ist. Obgleich der
i^anie dieses interessanten Heiligthums weder inschriftlich noch
urkundlich überliefert ist, 'so sind doch Gründe vorhanden,
’welche mit grofser Wahrscheinlichkeit die Bezeichnung dieser
Kapelle errathen lassen. Da nämlich an dem nördlichen Mittel-
pfeiler dieser Kapelle der Kame des Baumeisters und das Datum
des Baues auf einer besonders dazu formatisirten und dem Mittel-
Pfeiler angepafsten Inschriftstafel vorhanden ist, da ferner die
^ a<?aden dieser Kapelle reicher und glänzender ausgestattet und
v°Hendeter durchgeführt worden sind, als irgend ein andrer
Bautheil der Kirche, so ist man zu der Annahme berechtigt,
^afs die Kapelle dasjenige Heiligt.hum war, welchem die Bau-
fierren (Rath und Kirchenvorstand), sowie der Baumeister die
gi'öfsten materiellen wie künstlerischen Mittel zuzuwenden für
Uöthig hielten. Dies kann aber den vielen oben angedeuteten
^rkunden zufolge kein andrer Raum als der der Frohnleich-
Uamskapelle gewesen sein, derentwillen die höchsten Würden-
träger der Kirche die bedeutenden Ablässe bewilligt hatten.

Mit der Frohnleichnamskapelle in der äufseren Gestaltung
sehr verwandt erscheint der auf der Südseite belegene, ebenfalls
aus dem Schiffskörper heraustretende viereckige Raum, dessen
^ezeichnung und Erbauungszeit uns unbekannt ist. Der jet.zt
dai'in noch vorhandene geschnitzte Flügelaltar mit Darstellungen
aus dein Leben der heiligen Amalberga wird von älteren wie
Ueueren Schriftstellern als der 1409 gestiftete heilige Bluts-Altar
^ ezeichnet und nach ihm die ganze Kapelle beiaannt. Aber ohne
hiureichenden Grund, denn abgesehen davon, dafs dieser höl-
Zerne Altar von seiner ursprüngliche'n Stelle gerückt sein lcann
lst in den Darstellungen desselben kein Zusammenhang mit der
^erehrung des heiligen Blutes und Körpers Christi zu erkennen,
der jedenfalls vermittelt worden wäre, wenn der Altar wirklich
als Frohnleichnams-Altar gedient hätte. Nur aus der Gesammt-
auordnung und der Bildung der Kunstfonnen mufs angenommen
^erden, dafs diese Südkapelle sehr bald nach Vollendung der
^i’ohnleichnamskapelle, also ca. 1410 erbaut worden ist.

Später als diese letztgenannte Kapelle sind die beiden öst-
daran stofsenden Räume aufgeführt, welche die klare ein-
^uitliche Schönheit des Fa^.adensystems auf s Höchste beeinträch-
haben und von denen nichts weiter anzuführen ist, als dafs
^ eide in zwei Geschossen und in späteren, theilweis sehr nüchter-
Uen gothischen Formen hergestellt worden sind.

Der westliche Theil der Kirche, welcher hart und unvei-
U'uttelt niit dem reichen Backsteinbau des Schiffes verbunden
lsB bewahrt die ältesten wie die jüngsten Baureste und zeigt
dena entsprechend einerseits hochalte rohe, andrerseits spät nüch-
f ei'ne Kunstformen. An der Südwestecke ist von dem ältesten
au ein Thurmrest 38 Fufs tief, 32 Fufs lang und ca. 10 bis
^ h'ufs hoch in 17 Fufs dickem Granitmauerwerk mit abge-
Schrägter Granitplinthe erhalten. S. Bl. XI, Fig. 1, den dunkel
Schraffü'ten Theil des Grundrisses. Ueber demselben erhebt sich
aUs dunkelrothen Backsteinen ein westliches, später erbautes
yUex'haiis, dessen Südseite bisher ein sehr mittelmäfsiger Giebel
111 ueducirteh Renaissanceformen abschlofs. — Xeben diesen Thei-
) U5 aber nicht genau in der Mittelaxe, steht aus andenn Mate-
U|al (gelben Backsteinen) erbaut der einfach gehaltene viereckige
3 °ckenthurm, der oben ins Achteck übergehend, von einer
^och etwas gothisch gehaltenen Iiaube abgeschlossen wird. —
Uzweifelhaft ist dies der oben mehrfach erwähnte Thurm

-87 an die
Mit diesem

^ es Meisters Joh. Bapt. v. Mailand, welcher 1584-

ehe des eingestürzten alten Granitthurmes trat.
Zeitr

auin stimmen die wenigen mit gothischer Stylbildung vei-
uüschten Renaissanceformen, wobei zu bemerken ist, dafs, nacli
^d’zahnungen zu urtheilen, der Thurm den letzten beabsich-
^’gten Schmuck, besonders eines Hauptportals nie erhalten liat.

D

a nun das westlichste Joch des nördlichen Seitenschiffes aus
üemselben Material erbaut ist, wie der Thurm und tie t aian

vorhandenen Details, z. B. der Fries aufsen an der Westwand
entweder ganz rohe spätgothische Formen, oder wie das nord-
westliche Portal sehr eilige und nachlässige Technik zeigen,
endlich wie der nordwestliche Wandpfeiler ganz unprofilirt ge-
blieben sind, so mufs man die ganze Nordwestecke ebenfalls
als erneuert betrachten ’). Daher ist bei dem Zusammensturze
des grofsen Mittelthurmes das nordwestliche Seitenschiffsjoch,
sowie die Nordseite des westlichen Querhauses mit den Um-
fassungswänden schwer beschädigt und bei dem schleunigen
Wiederaufbau, vielleicht aus Sparsamkeitsgründen, nur das
Schiff ergänzt und der Mittelthurm erneuert worden, weshalb
die Westseite von St. Katharina jetzt einen unregelmäfsig'en und
nüchternen Anblick darbietet.

Bei weitem anziehender ist die Erscheinung der übrigen
Kirche, deren Fa^aden nach einem sehr einheitlichen, nur an
den Kapellen etwas modificirten Systeme erbaut sind, Bl. XII,
Fig. 4. Die vor der Wand mäfsig hervortretenden Strebepfeiler
steigen in reicher und lebendiger Gliederung mit Nischen, Maafs-
werk und Giebeln in abwechselnden Schichten schwarzgrün und
hellroth gefärbt bis zu dem Hauptgesimse empor und sind dort
mit demselben verkröpft. Die an den Strebepfeilern befindlichen
Nischen waren ursprünglich mit 148 Statuen von Heiligen in drei
Viertel der natürlichen Gröfse besetzt, von denen sich leider nur
noch 18 Stück erhalten haben. Grofse, selu* gut profihrte Spitz-
bogenfenster, Bl. XI, Fig. 4, liegen in den glatten rothen Mauer-
flächen und ruhen auf einem durchgehenden Gurtgesimse, wel-
ches wie die Wand- und Strebepfeilerbasis, Bl. XI, Fig. 5, aus
grün glasirten * Steinen hergestellt ist. Der gröfste Reichthum
dieses Systems entfaltet sich an der Frphnleichnamskapelle. Dort
sind die Strebepfeiler in der Fonn sechseckiger Fialen mit Figu-
ren-Nischen und Ziergiebeln gestaltet, welche an den Umschlie-
fsungswänden frei vortretend empoi’steigen und der obern, über-
aus reichen, zum gröfsteri Theil ganz frei durchbrochenen Gie-
belwand als Stützpfeiler dienen. Zwei reich profilirte, oben mit
durchbrochenem Flechtwerk umgrenzte Portale führen in das
Innere, welches von stattlichen Fenstern erleuchtet wird. Hori-
zontale Friese und glasirte Abdeckungen trennen die einfachen
untern Fensterwände von dem Hauptgiebel und' den auf Ost-
und Westseite vorhandenen durchbrochenen Brüstungsgallerien,
hinter denen das steile Satteldach sich erhebt. An diesen ober-
sten krönenden Theilen erscheint bei allem Reichthum an Maafs-
und Flechtwerk ein streng organisirtes System von Freipfeilern
und dazwischen gestellten mehr oder weniger durchbrochenen
Wänden, wodurch in Verbindung mit der edlen Zeichnung aller
Ornamente ein sehr bedeutender künstlerischer Eindruck gewon-
nen wird. Um die eigenthümliche Wirkung dieses kleinen, aber
reich und trefflich ausgeführten Bauwerks möglichst genau wieder
zu geben und den constructiven Zusammenhang aller Details zu
zeigen, ist die Nordfaijade desselben in dem halben Maafsstabe
der Details auf Bl. XIV, in Farbendruck gegeben worden. Es
mufs dabei bemerkt werden, dafs absichtlich keine Ergänzung
oder Restauration der zerstörten Theile stattgefunden hat, son-
dern nur der an verschiedenen Stellen deutlich sichtbare, schön
fleischrothe Ton der unglasirten Backsteine, welcher durch den
Rauch benachbarter Häuser einen schwärzlichen Ton angenommen
hat, in ursprünglicher Intensität wiederhergestel.lt worden ist 1 2).

Die Seitenansicht der obern Giebeltheile der Frohnleich-
namskapelle giebt Bl. XIII, Fig. 1, worin namentlich die mittelst
durchbrochener Giebelbrüstungen bewirkte Verbindung des Nord-
giebels mit der Schiffsmauer sichtbar wird.

Eine ähnlich reiche Giebelbildung ist über der Kapelle auf
der Südseite vorhanden, nur fehlt die an der Frohnleichnams-

1) Durch ein Versehen beim Stiche ist die dunklere Schraffirung des Schiffes und
Chores auf die Nordwestecke ausgedehnt worden, während den oben angeführten Gründen
entsprechend, der hellste Schraffirungston daselbst angegeben sein miifste.

2) Kallenbach hat zuerst in seinem Werke: Baukunst des Mittelalters, chronologisch
geordnet, 1847, eine Darstellung von der Frohnleichnamskapellc nebst einem Theile der
Schiffsfa<;ade gegeben; aber die mitgetheilte Zeichnung giebt weder die Verliältnisse, noch
die Gliederungcn richtig. Noch mangelhafter und unbräuclibar ist die von E. Förster in
seinem bekannten Werke nach Kallenbach mitgetheilte Kopie desselben Gegenstandes.
 
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