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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0035
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'Er genannten Kapelle wurde schon 1460—1470 eine andere
zu Ehren des heiligen Kreuzes in zwei Geschossen (mit einer
ßücherei darüber) auf Kosten eines Lübecker. Kanonicus Mat-
thaeus Prenne erbaut und 1474 yom Bischof Arnold v. Burgs-
cl° rf bestätigt ’).

Danrit war aber im Wesentlichen an dieser Kirche die stif-
tende und bauende Thätigkeit zu Ende. Bei der Uebergabe
(^ es Gotteshauses an die evangelischen Visitatoren erfahren wir,
dafs 18 Altäre vorhanden waren und 4 geistliche Brüderschaf-
eu an derselben bestanden 2).

Eine am Schlusse des XVI. Jahrh. ausgeführte Reparatur
a,ü Thurrne abgerechnet, welche die ursprüngliche Spitze ver-
anderte und abgesehen von der Uebertünchung des Innern, ist
h Godehard’s Pfarrkirche noch sehr wohl erhalten.

Baubes.chreibung.

Wie der Grundrifs, Bl. XVIII. Fig. 10, durch die verschie-

-I ' o >

ene Schraffirung andeutet, verdankt diese mäfsig grofse, aber
® ehr interessante Pfarrkirche drei verschiedenen Bauepochen im
Vesentlichen ihre jetzige Gestalt. Die Westfa^ade ist in Granit-
jüauerwerk hergestellt und war ursprünglich mit zwei Thürmen
eendigt oder auf einen Bau mit zwei Thürmen beabsichtigt. Dies
e,giebt sich durch die von unten auf angelegten Vorsprünge der
estmauer, sowie aus der bedeutenden Mauerstärke der Xord-
,u,d Südmauer (mit 7 und 8.i Fufs), die, falls nur ein Thurm in
(Er Mitte errichtet werden sollte, überflüssig stärk gewesen wären.

Fbenso würde der grofse, 16 Fufs weit gespannte Bogen,
Welcher sich nach dem Schiffe zu öffnet, bedeutend eingeschränkt
w°rden sein^ wenn ein hocli hinaufsteigender Thurm darüber

^ätte

aufgeführt werden sollen. Allerdings ist jetzt nur ein Mit-

üfithurm vorhanden, welcher über die beiden Seiten des mit
1 atteldächern abgedeckten westlichen Querhauses emporsteigt,
a^ er die an ihm befindliclien kolossalen Verzahnpngen in Gra-
u,tnrauerwerk beweisen, dafs diese südlichen und nördlichen
eue des Querhauses ursprünglich viel liöher hinaufreichten,
'' n 11 abgebrochen und erst später mit Backstein-Giebeln ge-
Scblossen und mit Dächern abgedeckt wurden. Dieser Granit-

l ' Ul Et nun einerseits in der besten Technik, welche man sehen
11 ’ ausgeführt 3), andrerseits in seltener Weise mit romani-
) l' n Kunstformen ausgestattet, so dafs eine kurze Bespreehung
'Zdein das Material nicht Backstein ist, verstattet werden
de b" 1Jie sämmtlichen Mauern mit Ausschlufs der zwischen
6,1 Ihüi’men liegenden Mittelwand, sind einfach aus kleinen,
tej * Wlnblig behauenen Granitstücken emporgemauert und mit-
g. eilies abgeschrägten Gurtgesimses horizontal getheilt. Aber
i . ZeiS en ueben der soliden Structur, welche die Ecken mit
*S en Bindern sichert und hie und da ganze Binderschichten

Rieclel, VIII, 437.
Ricdel, XI, 281 ff.

I,0j- ^ niese Technik iibertrifft die oft gerühmten Granitbauten der Ifirchen zu Tempel-
1'echn(.) aUenfei<le’ ■ Pritzwai ,i: ™d Burg bei Weitem und mufs zu dem Ausgezeichnetsten ge-

werden, was von Granitbau erhalten ist.

durchlegt, auch die seltene Erscheinung, dafs eine aus gleich
grofsen behauenen Stücken hochkantig gestellte Rollschicht durch-
geführt ist. Diese mühsam hergestellte Arbeit, welche keinen
constructiven Zweck hat, mufs jedenfalls als ein erstrebter künst-
lerischer Schmuck betrachtet werden. Dazu kommt, dafs die
mittlere Wand der Westfronte ein grofses romanisches Westpor-
tal in einer Blendnisclie, weiter oben eine kolossale kreisför-
mige Blendnische zeigt. Die Pfeiler und Halbkreisbogen des
Portals sind aus grofsen Granitstücken gehauen (einzelne Bo-
gensteine in Längen von 3—4 Fufs) und mit abgerundeten Kan-
ten versehen. Selbst Würfelkapitelle und Basen in der einfach-
sten, schwersten Weise sind in dem ungefügen Materiale herge-
stellt worden. Ursprünglich war dieses Portal offen und führte
in eine grofse, jetzt mit einem Kreuzgewölbe überdeckte Vor-
halle. Die beiden daran stofsenden Nebenräume sind ebenfalls
mit höchst seltenen, elliptisch überhöhten Tonnengewölben in
Granitmauerwerk überwölbt, so dafs auch hierin ein hochalter
Bau unzweifelhaft erkannt werden rnufs. Die über diesen Ne-
benräumen und der Vorhalle belegenen correspondirenden Räume
sind bereits mit Backsteingewölben (2 Kappen- und ein Kreuz-
gewölbe) bedeckt und zeigen nichts Bemerkenswertlies, als dafs
der südliche eine alte Heiz-Einrichtung bewahrt. Dagegen ist
der mittelste, noch um ein Stockwerk höher belegene Raum
nacli Osten hin mit einer (später in Backsteinen überwölbten)
Nische versehen, in, welcher ein Altar steht, so dafs er als ein
Kapellenraum aufzufassen ist. Aus dieser Kapelle führen breite
Gurtbogen, deren Schlufs in späterer Zeit mit Backsteinen her-
gestellt worden ist, in die Räume unter dem Dache, wo der
geschehene Abbruch der früheren Thurmstockwerke in einer
Höhe von über 25 Fufs noch sichtbar ist. Der weiter empor-
steigende Mittelthurm ist in Backsteinen erbaut und zeigt unten
ältere Detailreste, namentlich einfache Sägefriesschichten, welche
von später eingesetzten gothischen Fenstern zum grofsen Theile
zerstört sind. Die oberste Spitze verdankt ihre abgeschmackte
Form sogenannten Renovationen späterer Jahrhunderte.

Die Westfront von St, Godehard mufs wegen der hochal-
terthümlichen Structur und der verhältnifsmäfsig sehr reichen
Ausstattung von Kunstfonnen, sowie wegen der beabsichtigten
zweithürmigen Anlage (was in ältester Zeit nur Stifts- oder Ka-
thedral-Kirchen erlaubt ist und welclie Anlage der Dom St. Pe-
ter und Paul wiederholt) in das XII. Jahrli. gesetzt werden. Er-
wägt man nun, dafs die Kirche St. Nicolaus in ihren älteren
Theilen jedenfalls schon 1173 vorhanden war und eine sehr
zweckmäfsige Verwendung des Backstein - Materials zeigt, so
wird man zugeben müssen, dafs nach dieser Zeit wünschens-
werthe oder nothwendige Kunstformen leichter, besser und
billiger in diesem Materiale und nicht in Granit hergestellt sein
würden. Da nun gleich nach der Wiedereroberung Branden-
burgs durch Albrecht den Bären die Verlegung des in Leitz-
kau vorläufig eingerichteten Domkapitels nach Parduin erstrebt
und 1161 wirklich ausgeführt wird, so mufs man die Westfront
von St. Godehard als einen Rest des Baues von 1158—1161
betrachten. Dies wird um so wahrscheinlicher, als in der Um-
gegend von Leitzkau, welches 1114 gegründet und 1155 ge-
weiht worden ist, überall Granitbau in schweren, massigen For-
men auftritt. Unzweifelhaft wurde die bekannte und geübte Bau-
weise in Granit von den Klerikern nach Parduin übertragen und
die von Pribislav gegründete, wahrscheinlich 1156 wieder zer-
störte St. Godehard’s-Kirche von Neuem mit grofsem Aufwande
und in der vollendetsten Technik erbaut. Wie der Schiffs- und
Chorbau dieser ältesten Kathedrale in Brandenburg gestaltet ge-
wesen, ist unbekannt, und kann nur vermuthet werden, denn
an seine Stelle trat mit Benutzung der alten Fundameiite ') in
der ersten Hälfte des XIV. Jahrh. der jetzige Backsteinbau.

Derselbe zeigt eine dreischiffige Hallenkirche mit etwas über-
höhtem Mittelschiffe, halbachteckig geschlossenem Chore und
herumgeführten Seitenschiffen. Bl. XVIII, Fig. 2 und 10. Die

’) Dics geht aus der sehr geringen Spannungsweite iles Mittelschiffes von 24 Fufs
liervor.

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