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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0060
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50

und der später, 1178, wegen seiner besonderen Geistesgaben zum
Biscbof von Ratzeburg erhoben wird 1). Der Name Isfried kann,
der Abkürzungssitte jener Zeit gemäfs, sehr wohl Iso lauten und
stände der Vermuthung, dafs Isfried von Jerichow als Baumeister
zu Diesdorf thätig gewesen ist, Nichts entgegen, als das Beden-
ken, dafs in der Urkunde von 1161 der Bischof Herrman von
Verden ihn nicht als praepositus, sondern nur als frater be-
zeichnet. Dies Bedenken ist aber nicht zu erheblich. Einmal
kann der Stiftungsbau von Diesdorf, dessen Beginn nirgend er-
wäbnt wird, sehr wohl schon 1155 begonnen und im Wesentli-
chen 1159 vollendet worden sein, so dafs die Verdienste des Is-
fried, welcher erst 1159 Propst zu Jeriehow wird, dem Bruder
und nicht dem Propste zukämen, andrerseits darf bei der stren-
gen Sitte des Prämonstratenser-Ordens, dessen Mitglieder sich
sogar „pauperes Christi“ nannten, nicht zu grofses Gewicht auf
die demüthige Bezeichnung frater gelegt werden, welche ein be-
geisterter Ordensjünger Norberts sicherlich lieber hörte, als den
pomphafteren Titel praepositus. Kurz, es erscheint nach dieser
Darlegung und mit Rücksicht auf die unten spezieller hervorzu-
hebende Aehnlichkeit der Bautechnik beider Klosterkirchen mehr
als wahrscheinlich, dafs der Erbauer von Diesdorf jener Isfried
von Jerichow gewesen ist, der bereits damals die Kirche zu Je-
richow gebaut und theilweis wenigstens vollendet hatte.

Die Klosterkirche zu Diesdorf wurde der Jungfrau Maria
und dem heiligen Kreuze geweiht und einem aus Chorherren und
Nonnen des Augustiner-Ordens gebildeten Konvente übergeben. 2)
Die Bestätigung des Klosters nebst allen Rechten und Gütern
erfolgte 1188 durch Papst Clemens III. Weitere Schenkungen
sowohl von Seiten der Markgrafen wie benachbarter Grafen und
Dynasten finden sich 1190, 1217, 1226, 1228, so.dafs der zahl-
reiche Landbesitz schon damals das Kloster zu einer sehr be-
güterten Stiftung erhob. 3 *) Im Jahre 1235 beschlofs der Propst
von Diesdorf in einem der Dörfer des Klosters eine Kirche zu
erbauen, damit die noch immer in heidnischen Gebräuchen ver-
harrenden Slaven der Umgegend durch kirchlichen Besuch noch
mehr zum Christenthum hingeführt werden möchten. Aber erst
10 Jahre später scheint diese Absicht ermöglicht worden zu sein,
nachdem Bischof Meinhard v. Halberstadt die Drohung ausge-
sprochen hatte, dafs alle Wenden, die von ihren heidnischen Ge-
bräuchen nicht abliefsen, fortgejagt und christliche Bewohner an
ihre Stelle gesetzt werden sollten. Inzwischen hatte sich der
Reichthum des Klosters durch die Freigebigkeit frommer Leute
und durch wohlthätige Stiftungen sehr vermehrt. Zu den Haupt-
wohlthätern des Stiftes haben die Grafen von Lüchow und Dan-
nenberg bis zum Aussterben dieser Familien gehört, weshalb auch
einzelnen derselben ein ehrenvolles Begräbnifs in der Kirche
verstattet worden ist. Von der durch einen Ritter von dem
Knesebeck geschehenen Stiftung eines Altars des heiligen Gei-
stes spricht eine Urkunde vom Jahre 1281 '), sowie 1332 der
Stiftung eines ewigen Lichtes vor dem heiligen Grabe in
der Klosterkirche gedacht wird. 5) Im Jahre 1459 besafs das Klo-
ster 46 Dörfer und Antheile von 21 anderen Dörfern, dazu viele

’) Isfried, der auch eine Zeit lang Kaplan des Ilerzogs Heinr. d. Löwen zu Braun-
schweig war, mufs ein ausgezeichneter und hochbegabter Mann gewesen sein, da wir ihn
so häufig mit den hochgestelltesten und bedeutendsten Männern seiner Zeit, wie Anselm
v. Havelberg, Albrecht d. Bären, Heinr. d. Löwen, Wibald v. Corvey etc. im Verkehr er-
blieken. Als Bischof ist er auch der Erbauer der Kirchensehiffe des Dornes zu Ratzeburg,
den sein Vorgänger Evermodus begonnen, und im Chor und Kreuz, aber ohne die Gewölbe,
vollendet hatte. Die grofse Aehnlichkeit zwisehen dem Dome zu Braunschweig und dem zu
Ratzeburg erklärt sich aber dadurch, dafs Isfried als Günstling Heinr. d. Löwen mit Braun-
schweig stets in direktem Verkehr stand und entweder auf die dortige Bauthätigkeit ein-
wirkte oder von dort her beeinflusst wurde.

2) In jener älteren Zeit werden mehrfach IClöster erwähnt, die mit Ordensgeistlichen
beiderlei Geschlechts besetzt waren. Erst später wurde das Unschickliche solcher Einrich-
tung erkannt, bei neuen Stiftungen vermieden und bei älteren durch Versetzung des einen
Konventtheiles beseitigt. Wann diese Trennung zu Diesdorf stattgefunden, ist ungewifs, —
wahrscheinlich geschah es im Anfange des XIV. Jahrhunderts, denn 1285 werden noch
fünf Geistliche zu Diesdorf als Zeugen benannt.

3) Riedel, Mark Brandenburg I. 56 fT.

“) Dipl. Vet. March. II. 171.

5)-lumen, quod ardet, die nocteque in Cripta, ubi requiescit Corpus Jhesu Christi.

Beckmann, a. a. 0. Sp. 149.

Mühlen und sonstiges Zubehör, so dafs von den Einkünften 60
Nonnen erhalten werden konnten. 1)

Die ferneren Schicksale des Klosters sind unerheblich. Die
Keformation trat in der Mitte des XVI. Jahrhunderts ein, ohne
aber die Stiftung ganz aufzulösen. Ihre Aufhebung erfolgte erst
in diesem Jahrhundert.

Die Klostergebäude, von einer sehr umfangreichen Kloster-
mauer umgeben, waren bis vor kurzem noch fast vollständig er-
halten und sind erst im Sommer d. J. 1860 zum gröfseren Theile
abgebrochen worden, doch wird noch ein Theil derselben zu öko-
nomischen Zwecken benutzt. Die Klosterkirche, welche manche
Beschädigung erlitten, aber noch sehr wohl erhalten ist, wird so
eben einer umfassenden Restauration unterworfen.

Baubeschreibung.

Die Kirche, deren Nordwestseite der Holzschnitt darstellt,
ist eine romanische gewölbte Pfeilerbasilika von sehr ähnlichen
Abmessungen wie Arendsee, und von dieser im Innern nur darin
verschieden, dafs die Schiffe des Langhauses nicht mit Kuppel-
oder Tonnengewölben, sondern mit schweren Kreuzgewölben be-
deckt sind, während das Aeufsere durch einen stattlichen aber
unvollendet gebliebenen Thurmbau an der Westseite einen aus-
drucksvolleren Charakter empfangen hat.

Kleine Erweiterungsbauten abgerechnet, entstammt die Kir-
che zweien Bau-Epochen, welche ziemlich bald aufeinander ge-
folgt sind. Das Langhaus, Querschiff und Chor nebst den Ab-
siden gehören dem XII. Jahrhundert an und zwar so, dafs die
östlichen Theile, Querschiff und Chor einen noch älteren Cha-
rakter zeigen, als das Langhaus, während der Thurm alle Kenn-
zeichen des entwickelten Uebergangsstyles besitzt und in die erste
Hälfte des XIII. Jahrhunderts zu stellen ist.

Die Aufsenfronten sind in den Formen des romanischen
Backsteinbaues ausgeführt, wovon Jerichow, Arendsee und die
romanischen Kirchen der Stadt Brandenburg bereits Beispiele ge-
liefert haben. Schwach vortretende Wandlissenen erscheinen an
den äufseren, wie einspringenden Ecken, Rundbogen- und Stab-
friese, inVerbindung mit einfachen oder doppelten Stromschichten
schmücken die einfach vortretenden Hauptgesimse, während ein-
fache Plinthengesimse an den Absiden wie Längswänden auf-
treten. Die Hauptabsis ist mit zwei runden Mittellissenen aus-
gestattet, deren kräftige Bildung und Verbindung mit dem Deck-
gesims Bl. XXIX, Fig. 6 u. 8 darstellen. Die nicht sehr schlan-
ken, mäfsig geschmiegten Fenster im Chor und Querschiff sind
weit auseinander gestellt, während die Oberfenster des Lang-
hauses schon paarweise geordnet, stärker geschmiegt und in sehr

') Klöden, Marienverehrung etc. S. 43.
 
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