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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0077
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67

Technisch.es.

Zwar läfst die treffliche Erhaltung des ganzen Bauwerkes
Schon im Allgemeinen auf eine gediegene technische Ausführung
Scbliefsen, aber die Sicherheit und Genauigkeit, womit alle ßo-
^' en eingewölbt, besonders aber die runden Eckthürmchen an-
§ elegt und mit Reliefpfeilern, Blenden etc. aufgemauert sind, ist
ei’raschend und gehört zu den vortrefflichsten Leistungen der
luktur, wie solche höchst selten vorkommt und nur durch die
§ e^issenhafteste Ueberwachung bei der Bauausführung erreicht
^ lrd. Eine eigenthümliche Konstruktion ist die durch zwei über
j^'euz gelegte starke Ganzholzbalken bewirkte Verankerung des
jj.^hpelgewölbes im runden Oberthurme (vgl. den Durchschnitt
2) wie eine ähnliche bei dem Steinthorthurme der Neustadt
^Qdenburg (Bl. XV. Fig. 8) mitgetheilt worden ist. Auch ist
^e Verbindung des runden Oberthurmes mit dem untern quadrat-
rirugen Thorhause mittelst- eines achtseitigen Prismas, welches
aUl ^ckzwickeln sich erhebt-, nicht ohne Interesse. Die Mauer-
^ärken sind mit Rücksicht auf die fortifikatorischen Zwecke auf-
end schwach gewählt, so dafs der Umgang hinter der untern
^nenwand an den schmalsten Stellen auf 2 Fufs, die Verbin-
0fj§ strePP en auf 18 — 20 Zoll eingeschränkt werden mufsten.
eubar hat die Benutzung der Reste des alten Granitbaues auf
e erwähnte, bis zur äufsersten Grenze getriebene Oekonomie
Seffihrt. — Der Backsteinbau ist meistentheils in slavischem Ver-
ande ausgeführt; das Steinformat der treffiich gebrannten Mauer-
eine beträgt 10§—IQ\ Zoll, 4§— 5 Zoll und 3§—3§ Zoll. Zie-
’ ternpel'sind seP r sparsam vorhanden (gerade so selten wie
Querschiffe des Domes); der einzige, welcher an dem innern
°i'bogen erscheint, ist identisch mit einem der an den Schiffs-
’eri', der Xord- und Querschiffsmauern des Domes vorkom-
^enden Stempel, der in dem Holzschnitte S. 59 unter b mitge-
jj ut worden ist. Aucli hierdurch wird die Gleichzeitigke.it der
^ a,iausführung des Uenglinger Thors mit jenen Bautheilen des
° mes erwiesen.

Resultat.

liie in künstlerischer wie technischer Beziehunv hervortre-
tend .

e5 enge Verwandtschaft zwischen dem Querschiffe des Do-

^. 8 Und dem Uenglinger Thore rechtfertigt. das Datum von ca.

Hdo

für den Backsteinbau, während der untere Granitbau auf

a‘ 1290 anzunehmen ist.

X. Das Tangermünder Thor.

S v- ePe Erbauungszeit dieses Thores oder seine späteren

cksale sind keine historische Nachrichten vorhanden.
ütid HauP teordnung dieses kleineren, einfacher gestalteten
Th nUn<l er rei ch geschmückten Thores ist der des Uenglinger
auf° leS Se'l lr ähnlich *). Auch hier ist der sehr bedeutende, nach
^ Sen ca. 32 Fufs, nach innen ca. 18 Fufs hohe in Granitquadern
r§ estellte Rest eines älteren oblongen Thorgebäudes benutzt
en5 unr über demselben das mit kleinen Eckthürmchen flan-
e^ e Thorhaus zu erbauen. Hinter der Zinnenwand desselben
Pj sich der runde, aber sehr niedrige Oberthurm, dessen
2 aVform auf einem Kugelgewölbe ruhend, wieder mit einem
^ nhfanze umgeben ist. Das Erdgeschofs, welches ebenfalls
Cet ! n ehlahrt dient, ist mit einem Tonnengewölbe bedeckt, öff-
tel^ Sleh uach beiden Frontseiten im Rundbogen und konnte mit-
ah 6lnes Fallgatters an der Feldseite gesichert werden. Wie
1 Tie Hauptanordnung leicht als eine variirte Wiederholung
aill enigen des Uenglinger Thors erkannt wird, so lassen sicli
%• ^ THuptstrukturtheile, wie die Zinnenpfeiler und Eck-
nien iCUen al s unmittelbare, wenn auch in reducirten Kunst.for-
ausgefi'ihrte Kopieen der entsprechenden Bautheile am Ueng-

k 0tS(.e]H r Uie perspektivische Abbildung in Strack a. a. 0. Bl. 14 und dazu die von
^er Zeitschr. fiir Bauw. VII. BI. 36 nebst den dazu gehörigen Details Bl. 37

i linger Thore betrachten, Zu der durch jede Wiederholung her-
!! vorgerufenen Nüchternheit gesellt sich auch eine bei weitem we-
niger sorgfältige technische Ausführung und eine schwächlichere
H Profilirung aller Details, so dafs der Eindruck dieses Thores ge-
| gen die treffliche, reiche und reife Erscheinung des Uenglinger
Thores wesentlich zurücksteht. Nichts destoweniger behauptet
das Tangermünder Thor unter den zahlreichen Beispielen dieser
|| Gattung der Profanbaukunst einen ehrenvollen Platz, der ihm
auch durch manche sinnreiche Konstruktion in der Verbindung
! des alten Granitbaues mit dem späteren Backsteinbaue gebührt.

Das Tangermünder Thor entstammt zweien weit von ein-
|j ander getrennten Bauzeiten. Der in Granitquadern hergestellte
Unterbau mit der tonnengewölbten Durchfahrt kann noch dem
Ende des XII. Jahrh. angehören, der backsteinerne Oberbau mufs
mit Rücksicht auf die flaue und nüchterne Profilirung seiner De-
tails in die zweite Hälfte des XV. Jahrh. verwiesen und auf ca.
1460.—1470 gestellt werden.

XI. Das Rathhaus.

Das westlich von der St. Marienkirche am Markte belegene
zweigescbossige Rathhaus wird von zwei rechtwinklig zusam-
mentretenden Flügeln gebildet, von denen der eine, welcher von
Norden nach Süden gerichtet ist, aus zwei durch eine gemein-
schaftliche Mittelmauer unmittelbar mit einander verbundenen
Langhäusern besteht. Leider ist die äufsere Erscheinnng des
ziemlich grofsen Gebäudekomplexes durch Putz, Anstrich und
veränderte Fensteröffnungen sehr beeinträchtigt worden, so wie
auch die noch von Beckmann gesehene reiche Ausstattung
der inneren Säle mit ge-täfelten Decken, Wänden, Glasmalereien
ganz verschwunden ist. In dem niedrigen, von Osten nach We-
sten gericliteten Flügelgebäude (dem Rathhause) befindet sicli
im ersten Stocke die Rathsstube, ein grofser, fast quadrater
Raum mit einem reichen achttheiligen Sterngewölbe bedeckt, des-
sen Rundstabrippen ohne Konsolen aus der Wand entspringen
und in einem grofsen Schlufssteine zusammentreten, welcher
jj mit dem bemalten Reliefbikle eines Bischofs (der Sage nach dem
des Erzbischofs Dietrich Kagelwit) 1) geschmückt ist. Die spät-
gothische Formation der wenigen hier und in den benachbarten
Räumen auftret-enden Kunstformen und Ziegelstempel, von
i deren einem der Holzschnitt eine Abbildung giebt, lassen

einen Bau erkennen, der nach der Mitte des XV. Jahrh.
ausgeführt wordeu ist.

Der von Norden nach Süden orientirte Flügel besteht aus
zwei Gebäuden, dem östlich gelegenen Gewandhause (worin in
mittelalterlicher Zeit die Gewandschneider, Kürschner etc. ihre
Verkaufsplätze hatten) und dem westlich daran stofsenderi Ge-
richtshause, welches unten eine offene gewölbte Bogenhalle (das
lobium — die Gerichtslaube, worin das öffentliche Gericht ge-
hegt wurde), oben aber zwei grofse Räume, den sogenannten
bunten Saal und die Gildestube (wahrscheinlich die ehemaligen
Festlokale des Rathes und der Gemeinde von Stendal) besitzt.
Dieser Doppelflügel ist mit zwei abgestuften Giebeln an der Süd-
seite beendigt, deren Ansicht nebst Details in der Zeitschr. f.
Bauw. IX, Bl. 27 u. 28 mitgetheilt sind. Der östliche [a. a. O.
zur rechten Hand dargestellte] Giebel ist in einer zierliehen Pfei-
ler- und Spitzbogenblenden-Architektur behandelt, welche sehr
nahe mit dem auf Bl. IX. Fig. 3 gegebenen IJintergiebel des Alt-
städter Rathhauses zu Brandenburg zusammenhängt, daher eben-
falls in die zweite Hälfte des XV. Jahrh. gehört. Der westliche
Giebel mit flachen Pfeilern, zweifach getheilten Spitzbogenblen-
den und niedrigen Spitzgiebeln zeigt sowohi durch die Detail-

') Dietrich Kagelwit, von 1361—1367 Erzbischof von Magdeburg, vorherBischof von
Minden, soll der Sohn (oder Pflegesohn) eines Tuchmachers zu Stendal gewesen sein. Sp'ä-
ter war er Mönch zu Lehnin und wurde durch' Empfehlung des Bischofs Ludwig von Bran-
denburg mit dem Kaiser Karl IV. bekannt, der ihn erst zum Bischof von Minden, dann
auf den erzbischöflichen Stuhl von Magdeburg erhob. Als Erzbiscliof weihte er 1363 den
naoh löOjähriger Bauthätigkeit vollendeten Dom zu Magdeburg.
 
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