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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0085
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75

Innere deg Thurraes ist nur von der Plattforra aus zugänglich.
^ ei' daselbst vorhandene Raum, welcher rait einem auf Rippen
i'uhenden Kreuzgewölbe bedeckt und rait einer Karaineiraichtung
' ersehen ist, besitzt drei in der Mauerdicke belegene, nach aufsen
11 Ur schlitzartig geöffnete Schiefsscharten, deren eine den Graben,
^ ie zweite die Brücke und die dritte die Stadtseite bestreicht,
lvie dies aus dem Grundrisse Fig. 3 erkannt werden kann. Un-
^ er diesem Gemache befindet sich das brunnenartig tiefe, nui
)°ü oben aus zugängliche, völlig lichtlose Verliefs, während eine
1)1 der Mauerdicke angeordnete Wendeltreppe zum zweiten Ge-
Schosse emporführt. Auch dieser Raum besitzt einen Kamin
und ist mit einem trefflich gemauerten Kreuzgewölbe, des-
if 1 sen Rippenformstein der Holzschnitt darstellt, bedeckt. Diei
¥ flachbogige Oeffnungen führten' auf den Umgang, der auf
sandsteinernen Kragsteinen ruhte und mittelst 16 flachbogi-
S er Oeffnungen zwischen schlanken Zinnenpfeilern nach aufsen
lliri geöffnet & war. Um dem schmalen Umgange eine gröfsere
nützbare Tiefe zu geben, ist die UmfasSungsmauer um 18 Zoll
2,lt'iickgesetzt und mit sechszehn 10 Zoll tiefen flachbogigen
^flendnischen verselien. Das dritte, ebenfails heizbaie Thuim-
^schofs wird wie das zweite durch eine Wendeltreppe eistie-
^ eib ist mit einem gleichen Kreuzgewölbe bedeckt und öffnet sich
tlach aufsen durch vier flachbogige Fensterscharten, die nacL
<ien Himmelsrichtungen orientirt sind. In dem vierten (obersten)
^tockwerke, welches mit einem fünfkappigen Kreuzgewölbe be-
rieclct ist, sind die gleiclimäfsig konstruirten vier Fensterschai -
so geordnet, dafs ihre Axen in die Mitte der I ensteraxen

ten

. Aai’unter belegenen Stockwerks fallen, so dafs äuf diese Weise
Dde Thurmseite möglichst vollstandig gedeckt wurde und die
0rhandenen Schiefsscharten nach allen Richtungen hin wirken
^°ünten. Von dem obersten Stockwerke führt eine Wendel-
JPP e auf die Plattfor m, welche ehemals mit einem reich ge-
b ederten Zinnenkranze umgeben war J) und mittelst grofser,
ausladender Sandsteinrinnen entwässert werden konnte. Un-
" eifelhaft diente die obere Plattform zur Aufstellung vonWurf-
^ laschinen. Koch jetzt sind eine Anzahl grofser, aus Granit ge-
adener Wurfgeschosse auf derselben vorhanden 2).
j, Mit dieser zweckgemäfsen Anordnung und Einrichtung der
ai)anla,o'e flält die äufsere Ausstattung und künstlerische Glie-

d ö

Clüng gleichen Schritt
° eüen

Das Aufsenthor ist seiner vorgescho-

der Zerstörung leichter ausgesetzten Lage halber mit vol-
^ 111 ^ e°hte in einfachen Kunstformen hergestellt worden. Gleich-
j 1 entbehrt dasselbe nicht derselben Wandgliederung mit Blen-

qen, _i_i_._-.--. nm_ i _4-^- —__ cine

^ " relche der oblonge Thurm besitzt, ja es hatte sogar
£ V Strebepfeilern eingefafste, von einem Wimpei’g überstiegene
^Pflzbogennische empfangen, welche jedenfalls zur Aufnahme ei-
Gl Meiligenstatue gedient hat. Bei weitem reicher ist das durch
le zurückliegende Lage besser gesicherte Innenthor geschmückt
0en- Dunkelgrün glasirte, bald spiral- bald zickzackförmig
n^dnete Ziegelstreifen beleben die gdätten Mauerflächen des
j üthurrnes und treten theilweis auch auf die Mauerfläche des
lllenthores über, welches überdies durch einen glasirten Thon-
p. enfries von medusenartigen Masken (vgl. dasDetail Bl. XXXIX,
ütf) ^ ^ 6111 ß undthurme ästhetisch verbunden ist. Wappen-

^reisblenden, sowie die kräftig und schön profilirte Zinnen-
Dtt 11-/ Vo^ end en die Ausstattung des Innenthors, während der
ssive auf Kragsteinen ruhende Umgang und der mit vier tie-

% p . ° ö °.

^ t J1|nabsteigenden Erkern trefflich gegliederte obere Zinnen-
dem Rundthurme eine ebenso eigenthümliche wie wir-
jj § svolle Gesammtgestaltung leihen. Da die Schönheit der
ailptverhältnisse mit. einer ebenso kraftvollen wie maafshalten-

J)

Uiit g er auf Bl. XL dargestellte Zinuenkranz ist nach den noc.h sichtbaren Spuren und
2 1 tenahme der obengenannten Hülfsmittel restaurirt wor'den.

- ln alteren Werken über die Mark, z. B. in Merian’s Topographie, finden sich
Xy. j ^ Ulut Thorthürme oft mit Ziegeldächern bedeckt, aber dieso Einrichtung ist fiir das
sche l> nicht ursprünglich, sondern gehört zn den Veränderungen, welche die italieni-
t'° uen e( esl’8 ungskunst im XVI. Jahrh. einführte. Alle solche spiiter erfolgten Konstruk-

tkluim. SlnCl daher in diesem Werke niclit berücksichtigt, sondern die ursprünglichen Ein-
U118en --- ■ - - ------ - - - -

> soweit solche mit Sicherheit erkennbar sind, wioderhergestellt worden.

den Profilirung der Det-ails verbunden ist und zu beiden Vor-
zügen sich eine meisterhafte Technik gesellt, so erreicht das
Neustädter Thor eine der höchsten Stufen unter den Profanbau-
ten des Backsteinbaues.

Ein besonderes Interesse erweckt es, d.as Neustädter Thor
zu Tangermünde mit dem Uenglinger Thore .zu Stendal zu ver-

gleichen. Vgl.

Bl. XL und Bl. XXXVI. Das Letztere stellt eine
grofsartige, auf einem sehr einfachen Grundmotive beruhende

durch eine überreiche Detailgliederung

Anlage dar, welche aber
die Grenze des künstlerisch Schönen überschreitet und dadurch
die Totalwirkung beeinträchtigt. Das Erst-ere entwickelt dage-
gen bei sehr reich gruppirter Grundanla-ge eine so mäfsige und
bescheidene Detaildurchbildung, dafs die Gesammterscheinung den
ruhigsten und würdigsten Eindruck hervorruft. Von diesem Ge-
sichtspunkte aus betraclitet, ergänzen beide Bauwerke einander
und sind als eine Quelle der anregendsten und förderndsten Be-
lehruno’ für die Anwendun'o- des Backsteinbaues zu betracht-en.

O O

Leider fehlt es -auch bei dem Neustädt-er Thore an Nach-
richten über die Bauzeit und den Meister. Indessen ergiebt die
schon mehrfach hervorgehobene Thatsache, dafs wenn keine Zie-
gelstempel an den Bauten zuTangermünde vorkommen, die Bau-
ausführung entweder vor 1440 oder nach 1480 fällt, hier den
sichern Schlufs, dafs das-Neustädter Thor, welclies nirgends der-
artige St-empel besitzt, spätestens im Jähre 1440 erbaut sein
mufs'-). Da überdies eine ■ grofse Anzahl von Formsteinen mit
den am Allerheiligen-Kloster verwendeten genau übereinstimmt,
wie beispielsweise die Profile der Bogen, der Einfassungen, der
Vorkragungen, Gurtgesimse^ der hier im Holzschnitte
wiedergegebenen Plinthe, so ist man berechtigt, nicht
nur auf eine gleiche Bauzeit, sondern auch auf den-
selben Meister zu schliefsen. Höchst wahrscheinlich
ist daher das Neustädter Thor 1436—1440 von dem
Meister von Stendal 2) erbaut worden.

T echnis, ches.

Die Technik des Materials und die Steinformate sind an dem
Anfsenthore, der Brücke und dem Innent-hore sehr verschieden.
Die treffliche Ausführung im besten Materiale zeigt das Innen-
thor und der nördliche Kundthurm. Das Steinformat an beiden
Bautheilen beträgt 10.) Zoll, 5) Zoll und 3) Zoll. An dem süd-
lichen Oblongthurme sind die Steine minder gut, t-rocken und
sandig, etwas kleiner und im Formate 10| Zoll lang, 5) Zoll breit
und 3.) Zoll dick. An dem Anfsenthore ist das Format wieder
verschieden, es bet'rägt 10' Zoll, 5) Zoll und 3) Zoll.

R-e s u 11 a t.

Das Aufsenthor, die Brücke und der oblonge Thurm am
Innenthore sind Reste der alten, Befestigungs-Anlage von ca. 1300;
das Innenthor und der Rundthurm sind spätere Erweiterungen
und Verst-ärkungen der ersten Anlage, von dem Meister von Sten-
dal von 1436—-40 erbau-t.

IX. Das Rathhaus 3).

Nach grofsen Stadtbränden im XVII. Jahrh., die das mitten
in der Stadt belegene Rathhaus besonders hart betroffen haben,

'■) I)enn die Bäuaüsführung nach 1480 zu s.etzen, verbieten die edlen Details wie die
strenge Gesammtgestaltung'.

2) Die Vorliebe für Thonplattenfriese, welche dieser Meister am Dome und Uenglin-
ger Thore zu Stendal bekundet, wird auch am Neustädter Thore durch den angeordneten
Maskenfries am Rundthurme und Innenthore sehr bestiimnt bezeichnet.

3) Das Rathhaus zu Tangermünde ist mehrfach publicirt worden. In Strack und
Meyerlieim a. a. O. ist auf Blatt 21 eine Perspekt.ivc vor der in den vierziger Jahren be-
wirkten Restauration mitgctheilt worden. Eine erschöpfende Darstellung hat der mit der Re-
stauration betraute Königl. Bäu-Inspeetor Deutsdimaim in Eörster’s Bauzeitung 1850
Iäl. 322 — 325 gegeben, weshalb von einer abermaligen Darstellung in diesem Werke um
so mehr Abstand genommen werden konnte, als das Rathliaus in seinen wichtigsteu Struk-
tur- nnd Kunstformen durch eine Hinweisung auf die ausführliche Darstellung der St. Ka-
tharinenkirche zu Brandenburg Bl. XI — XIV geniigend charakterisirt werden "kann.
 
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