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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0091
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81

uttkünstlerische Verbindung mit den Chormauern nur dadurch
Ul>tstanden ist, dafs man die noch projektirten zwei östlichen
horpfeüer, welche den Altarraum polygon abgrenzen und einen
lögang der Seitenschiffe herstellen sollten, ganz willkürlich fort-
8 etassen hat. Diese regellose Strukturbildung, so wie die ge-
1 hckten Hauptverhältnisse und eine viel weniger sorgfältige Aus-
1Jüi'Ung beeinträchtigen die innere Wirkung der Kirche sehr er-
eblich. Mit Eücksicht auf die Thatsache, dafs die 1484 gestiftete
. erheiligen-Kapelle in ihren älteren Theilen mit dem Chorbau
1111 Verbande aufgemauert ist, darf der Chorbau auf ca. 1480
Aesetzt werden.

Technisches.

Ein gröfseres Interesse erweckt die Ostfapade, welche mit
ren wichtigsten Details durch Fig. 1, 2 und 3 veranschaulicht
^ 11'^- Auch hier hat der schon bei der Besprechung der Chor-
j age zu Werben hervorgehobene Grund, die vielen kleinen Po-
^§°nseiten der drei Chöre in mehrere grofse Polygonseiten zu-
^Qßienzuziehen, um dadurch die praktische Herstellung des
achverbandes zu erleichtern, zur Anordnung von dreieckigen
. cben Kappengewölben geführt, welche die Strebepfeiler in den
*i lrisP ringenden Ecken mit den äufsei’sten Punkten der änstofsen-
j 611 Eolygonseiten brückenbogenartig verbinden, das Hauptgesims
j^agen und dem Dachverbande ein äufseres Auflager bereiten.
leses in den Marken sehr selten vorkommende Struktursystem J)
an der Ostfapade von Osterburg eine besonders reiche Ausbil-
. ug erfahren, wie aus der originellen Gestaltung der Strebepfeiler
. fEn einspringenden Ecken Fig. 2 ersehen werden kann. Auch
^ie seltene Erscheinung zweier Spitzbogenfenster unter einem
^ e 111 einschaftlichen Rundbogen an der Mittelmauer des Hauptchors
^shalb von Interesse, weil dadurch am Schlusse des Mittelalters
° rnaen entstehen, welche an die älteste gothische Epoche erin-
* ein. Von der Gestaltung des einfach kräftigen Hauptgesimses
(i em darunter angeordneten glasirten Stabfriese giebt Fig. 3
llle Darstellung.

Das Steinformat beträgt am Chorbau 101—11 Zoll, 4f bis
8 'noti un(j 33 Zoll, an der in dem Westthurme befindlichen,
aehträglich eingesetzten , Spitzbogenthür 1H—llfZoll, 5| Zoll
Und3|Zoll.

Kunstwerke.

^ Das einzige aus dem Mittelalter erhaltene Kunstwerk ist
Pff ^ ronzene5 pokalförmig gestaltete Taufbecken, welches mit
anzenornamenten und biblischen Sprüchen in Minuskelschrift
e' enförmig umgeben ist. Die untere Inschrift giebt das Datum
1 und nennt den Meister: „mester volker van mundl.“

R e s u 11 a t.

Der Westthurm, die Schiffs- und Vierungspfeiler sind ca.

,.^^5 die Langhausmauern und Arkadenbogen ca. 1366-
le Ehoranlao;e 1470—1490 erbaut worden.

-1370,

E. Die Stadt Seehausen.

Die Gründung dieses ursprünglich als Dorf zu denkenden

<j^ es ist nach späteren, aber unverdächtigen Zeugnissen unter

Eegierung Albrecht’s des Bären, ca. 1151, von niederländi-

Q_ 911 Ansiedlern erfolgt -). Bald nach der Gründung hat der
i't,

eiüe

ebenso wie es mit Osterburg geschah, eine Verlegung an
^ andere, günstiger gelegene Stelle erfahren, wodurch neben
1 bereits bestehenden Pfarrkirche St. Jakob der Bau einer zwei-

pn

J tarrkirehe St. Peter und Paul nothwendig wurde. Dem-
- JSl wird Seehausen im J. 1196 urkundlich als Stadt genannt 3)

b jyj 11 a«cleren Gegenden Nord-Deutschlands findet sich dasselbe häufiger, beSonders
ltl

am Dome zu Schwerin, an der Stiftskirche zu Bützow, an der Kloster-
^ Zu Oargtm (hier hesonders schön gegliedert), an der Pfarrkirche St. Maria zu Wis-

a- A.

2\

Üistn.. 1 erSl- die Note 2 auf S. 38 und Riedel

a. etc- Ik 697.

1 Raumer Reg. 1623.

a. a. O. VI, 338 ff., sowie Eccard

und scheint während des XIII. Jahrh. eine günstige Entwickelung
genommen zu haben. Dies ergiebt sich einerseits durch die An-
siedelung des Dominikaner Ordens, welcher 1254 zur Erbauung
seiner Klosterkirche St. Cyriakus sohritt, andrerseits durch die
Uebertrasun«- des Seehausener Stadtrechtes an andere neu be-
gründete Städte in der Priegnitz. Während des Mittelalters hat
Seehausen unter den Städten der Altmark eine. nicht unbedeu-
tende Stellung behauptfet, deren Einflufs auch in architektonischer
Beziehung hervorgetreten sein wird. Leider sind die beiden wich-
tigsten Bauwerke, die schöne und grofse gewölbte Klosterkirche’)
sowie die älteste Pfarrkirche St. Jakob vollständig untergegangen,
so dafs ein sicheres. Urtheil über Werth und Bedeutung der rnittel-
alterlichen Baukunst von Seehausen wesentlich erschwert wird.
Die Stadt besitzt jetzt nur noch die Pfarrkirche St. Peter und
Paul, die als Magazin benutzte Kapelle St. Spiritus und das
Beuster Thor.

I. Pfarrkirche St. Peter und Paul.

H i s t ö r i s c h e s.

Die Gründungszeit der Kirche ist ebenso unbekannt, wie
die wenigen urkundlichen Nachrichten überaus lückenhaft sind.
Die erste Erwähnung fällt in das J. 1337, wo Markgraf Ludwig
die Propstei Seehauseir dem in der Nähe belegenen St. Xikolaus-
Stifte zu Boyster (jetzt Gr. Beuster) inkorporirte, damit letzte-
res in die Stadt verlegt werden könne. Diese Verlegung, von
welcher auch 1370 nochmals die Rede ist, kam aber nie zu
Stande. Die baugeschichtlich werthvollste Nachricht ist die, wel-
che bei dem Brande der Thurmspitze im J. 1676 in dem Thurm-
knopfe gefunden wurde. Dieselbe lautete: Erecta est liaec fa-
hrica Anno 1481 in honorem Petri et Pauli etc; Die mit zwei
schlanken Thürmen geschmückte Westfront wurde der südlichen
Thurmspitze im J. 1563 durch einen Orkan beraubt. Die hoch
herabstürzende Thurmspitze zerstörte das Dach der Kirche voll-
ständig, beschädigte aber nicht die Gewölbe. Nachdem die Spitze
1580 durch Meister Thomas Schutze aus Magdeburg nothdürf-
tig erneuert worden war, traf ein Blitzstrahl 1676 die Kirche
und verbrannte beide Spitzen nebst dem Kirchendache 2).

Baubeschreibn n g.

Obgleich die jetzige Erscheinung der mittelgrofsen Pfarr-
kirche das Resultat mehrerer Um- und Erweiterungsbauten des
Mittelalters gewesen ist, so zeigt dennoch der Grundrifs Bl.XLVH,
Fig. 2 eine auffallend regelmäfsige Anordnung. Vor der zwei-
thürmigen Westfront befindet sich zunächst eine mit drei Kreuz-
gewölben überdeckte Bauanlage, welche ursprünglich nur aus ei-
ner zweijochigen Kapelle bestand, aber einer nothwendigen Er-
weiterung halber später um ein nördlich angebautes Jocli ver-
gröfsert wurde. Oestlich von der Thurmfront erstreckt sich das
dreischiffige Langhaus in Form einer Hallenkirche und daran
schliefst sich die geräumige dreischiffige Choranlage, deren Ne-
benchöre platt, der HaUptchor aber polygon (in fünf Seiten des
Zwölfecks) geschlossen sind. Alle diese Bautheile sind mit Kreuz-
gewölben bedeckt und gröfstentheils mit Strebepfeilern und spitz-
bogigen Fenstern ausgestattet.

Die ältestenBaureste,welche dieKirchebewahrt, sinddie beiden
aus glatt behauenen Granitqüadern hergestellten östlichen Schiffs-
pfeiler, nebstdem daraufruhenden-halbkreisförmigen Triumphbogen
zwischen Chor und Schiff, sowie die nach Osten belegenen Unter-
theile der Seitenschiffsmauern, welche gleiches Material und die-

r) Diese auf dem Stadtprospekte in Merian’s Topographie S. 93 abgebildete Kirche
bestand aus eiriem dreisehiffigen Langhause und einem einschiffigen, polygon geschlosse-
nen Chore, war also eine Anlage wie St. Paul zu Brandenburg. Ihr Untergang ist um so
mehr zu beklagen, als dadurch eins der wichtigsten Glieder für den Nachweis des frühen
Auftretens der gothischen Bäukunst in den Marken fehlt.

2) Auf dem Merian’schen Stadtprospekte erscheint die Nordspitze noch wohl erhal-
ten und genau so gegliedert wie 'die Thurmspitze von St. I’eter zu Stendal, nämlich als
eine sehr schlanke, etwas geschweifte vicrseitige Pyrämide, die an den Ecken von vier klei-
nen Spitzen umgeben wird. Vergl. die gute Abbild. von St. Peter in der Zeitsclir. f. Bauw.
IX, Bl. 20.

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