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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0097
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87

III. Pfarrkirche St. Katharina.

Historisches.

Obgleich die Kirche erst im J. 1280 urkundlich erwähnt
^ird niufs dieselbe doch älter sein, w reil die Erbauung der im
^ 1247 unter besonderer Gunst der Markgrafen gegründeten
eustadt sicherlich zur baldigen Errichtung einer Pfarrkirche
^ihrte. Altarstiftungen werden oft erwähnt, die Ertheilung ei-
lles päpstlichen grofsen Ablasses um d. J. 1400 gemeldet und vom
* 1467 die baugeschichtlich wichtige Nachricht überliefert, dafs
^ er bischöfliche Vikar sechs Altäre in dem neuerbauten Iheile
her Kirche geweiht habe 2). Von einer noch späteren Lauaus-
bihrung, welche dieWestseite betroffen hat, redet endlich eineUr-

Wde

kerke,

des J. 1503 mit den Worten: „yn sunte katerinen yn de nygen

en to deme nygen altare by deme wygeketel (Weihkessel) to
der luchter Hand na deme norden belegenworin also der west-
lche, damals noch neue Kapellenbau bezeichnet wird 3). Höchst
^ahrsclieinlich ist in diesem Kaume die 1475 und 1501 mit ho-
Ue«t Ablafs begabte Kapelle der 1460 gegründeten und 1467 be-
tJätigten Frohnleichnamsgilde zu erkennen. Zur Zeit des Ein-
Ititts der Reformation besafs die Kirche 19 Altäre.

Baubeschreibung.

Oer Grundrifs Bh XLVIII, Fig. 4 zeigt ein dreischiffiges Lang-
j aUs’ tn welches der oblonge Glockenthurm hineintritt, den po-
Jg°n (in 7 Seiten des Zwölfecks) geschlossenen Chor und eine
§ etäuxnige Kapellenanlage im Westen. Die verschiedensten Epo-
er> des Mittelalters sind an den einzelnen Bautheilen sichtbar

haben die jetzige Gestalt der Kirclie begründet.

^ Aus der Gründungszeit der Kirche (1247—60) stammen der
^ °ttge, in übliclien romanischen Kunstformen durchgebildete
estthurm, die Schiffspfeiler (ausschliefslich der östlichen Acht-
cj vSpfeiler) und die westlichen Umfassungsmauern der Seiten-
tffte. Die Letzteren sind auf der Nordseite nur ca. 10 F. hoch
atten, lassen aber auf der Südseite noch die alten vermauerten,
at’Weis geordneten schmalen Spitzbogenfenster erkennen, über
J chen Stromschichten friesartig geordnet sind. Vergl. das Fapa-
Usystem Bl. L, Fig. 4. Von einem daselbst noch erhaltenen alt-
|°thischen, mit farbigen Ziegeln geschmiickten Portale giebt das
^yadensystem und das Detail Bl. XLIX, Fig. 2 eine Darstellung.

le abgestuften Pfeiler besitzen alterthümlich einfache, aus Platten
q c Kehlen zusammengesetzte Kämpfer, wie die Granitpfeiler aus
^Uerburg. Nach den noch sichtbaren Spuren zu urtheilen war
V't^atharina ursprünglich eine dreischiffige gewölbte Basilika
_etnschiffigem, platt geschlossenem Chore' 1)? wobei es aber
^ ttelhaft bleibt, ob zwischen den sehr starken Hauptpfeilern
6s ^ittelschiffes schwächere Zwischenpfeiler (wie in St. Maria
c St. Lorenz) vorhanden waren. In jedem Falle bekunden
lesc alten Reste einen weiteren Versuch, unter Festhaltung ro-
jyj. Ulscher Kunstformen, die gothische Baukunst um 1247 in die
j. aib einzubürgern und sind deshalb von besonderem Interesse.

etder sind die alten, von breiten Gurtbogen getragenen Gewölbe
v , tnehr erhalten, sondern im Langhause wie im Thurme zur
j ues Chorbaues in dürftiger Weise erneuert worden, wobei
^ittelschiffe die ursprüngliche Anlage von Obermauern mit

eiöfr(

^ einen Spitzbogenfenstern wiederhergestellt, die alte Theilung

. 1 C»ewölbe aber aufgegeben und drei statt zwei Gewölbejoche

S espannt wurden.

Aber schon früher, im Anfange des XV. Jahrh. waren die

auglagaden auf Süd- und Nordseite in reicher Weise mit ie
tlrei l i •

.. tiohen Stufengiebeln ausgestattet worden, von deren kräf-
s u' wirkungsvollen Gliederung und dekorativen Ausbildung

lhit

Oit

giasirten Steinen (wobei stets zwei rothe Backsteinschichten
zwei hell- und dunkelgrün glasirten Schichten abwechseln),

2 Danneil a. a. O. S. 122.

) De

ann ei 1 a. a. O. Urknnde No. 49.

2 I)anneil a. a. O. S. 122.

Uie westlichen Chorwandpfeiler, welche dcn Triumphbogen tragen, cnthalten theil-
10 Eckpfeiler des alten Chores.

das Fapadensystem Bl. L, Fig. 4 und das Detail Bl. XLVIII, Fig. 2
eine Darstellung geben ')• Unzweifelhaft ist die Herstellung der
Giebel mit der Ertheilung des päpstlichen Ablasses vom J. 1400
zu verbinden.

In der Mitte des XV. Jahrh. ist sodann der Chor erbaufc
w Torden, wobei die Seitenschiffe verlängert, ihre Nord- wie Süd-
mauern ebenfalls mit hohen Giebeln querschiffsartig ausgestattet
und sämmtliche Gewölbe erneuert wurden. Diese in solider Tech-
nik und in guten Verhältnissen erfolgte Bauausführung, deren in-
nere Gestaltung der Querschnitt Bl. L, Fig. 1 veranschaulicht, hat
sich in den vmsentlichsten Kunst- wie Strukturformen an die gro-
fsen Bauten von Stendal angeschlossen. Man erkennt dies an der
Gesammtbildung der Fenster, Strebepfeiler und Gewölbe, (vergl.
den Querschnitt) wie an der Detailgliederung, w Tovon Fig. 7 auf
Bl. L und Fig. 3 und 10 auf Bl. XLIX Darstellungen geben.
Besonders charakteristisch für die spätere gothische Bauzeit ist
das konsequente Auftreten von menschlichen Köpfen (Masken)
an allen Konsolen und Kapitellen der Dienste 2). Wie bereits
früher hervorgehoben, ist die Anordnung, die Seitenschiffe durch
zwei auf einfachen achteckigen Pfeilern ruhende Joche zu ver-
längern in der Pfarrkirche zu Seehausen wiederholt worden.
Die an der Südseite des Chores belegene zweigeschossige, im
oberen Stockwerke nach dem Chore hin geöffnete Kapelle, deren
Kreuzgewmlbe von einem Rundpfeiler (ähnlich dem in dem Re-
fektorium zu Stendal) getragen werden, ist unmittelbar nach Voll-
endung des Chorbaues hergestellt w Torden und hat wahrschein-
lich der Brüderscliaft Unserer Lieben Frauen als Kapelle gedient.

Zuletzt hat das Bedürfnifs für die reiche Frohnleichnams-
gilde cinen ähnliehen Kapellenraum zu beschaffen, zur Anlage
der grofsen Westkapelle geführt, von deren inneren Gestaltung
die Fig. 2 und 3 auf Bl. XLVIII eine Vorstellung geben. Diese
grofsräumige Kapelle zeigt das in St. Katharina zu Brandenburg
zuerst aufgestellte Struktursystem der nach innen gelegten Stre-
bepfeiler, zwischen denen ein oberer Umgang hergestellt wor-
den ist, so dafs eine fünfschiffige Anlage entsteht. Hochbusige
auf Rippen ruhende Kreuz- und Sterngewölbe, deren Dienste an
den stützenden Rundpfeilern erst in gröfserer Höhe auf Konso-
len hervortreten, bedecken diesen Raum, der von zwei Reihen
zwei- und dreitheiliger Fenster beleuchtet w ?ird. Bemerkenswerth
ist die für nothwendig erachtete seitliche Verankerung der Rund-
pfeiler mit hölzernen Spannbalken. Trotz der guten Gestaltung
des Innern 3) wird die späte Bauzeit (1490—1500) an den ein-
zelnen Details (vergl. das Gurtbogenprofil Bl. XLIV, Fig. 8) so
wie an der nüchternen kasernenartigen Faqadenbildung sogleich
erkannt.

Kanstwerk-e.

Das bronzene Taufbecken wird von vier plattgegossenen
weiblichen Figuren, (alle als St. Katharina eharakterisirt) die auf
Löwen stehen, getragen, während am Becken die zv Tölf Apostel un-
ter rundbogigen Arkaden geordnet sind. Die Inschrift lautet: Änno
Domini MCCCCXXI per me Ludomcum Gropengheter, wohnhaftig
in Brunswich. — Der praclitvolle geschnitzte Flügelaltar enthält
Scenen aus dem Leben Jesu in schöner lebensvoller Auffassung.
Der gröfste Schmuck der Kirche besteht in den durch seltenste
Farbenpracht ausgezeichneten Glasmalereien, welche die ähnlichen
Kunstwerke zu Werben zwar in der Zeichnung nicht völlig er-
reichen, in der Färbung aber bei weitem übertreffen.

R e s u 1 t a t.

Die Bauepochen der Kirche ordnen sich folgendermafsen:

1) 1247—68 Thurm, Schiffspfeiler und Theile der Umfas-
sungsmauern,

') Vergl. aueh die schöno Perspcktive in Strack a. a. O. Bl. 13.

2) Die völlige Glcichheit dieser Maskenkapitelle mit denon von St. Lorenz läfst auf
eine gleiche Bauzeit der jetzigen Gewölbe in der letztgenannten Kirche mit Sicherheit
schliefsen, zumal auch dio Seitensqhiffe von St. Maria diesellie Ausstattung besitzen.

3) Vcrgl. die treffl. Perspektive des Innern bei Strack a. a. O. Bl. 4. Aehnliche
Bildungen aus gleiehcr Bauzeit zeigen die Kapelle der Moritzburg in TTnlle (1484), sowie
einzelne Biiume des Schlosses zu Meifsen.
 
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