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12

Gattung von Gebäuden gehört, die in allen Städten einst vor-
handen waren, aber durch die veränderten Gewerbsverhältnisse
längst entbehrlich geworden und daher grofsentheils unterge-
gangen sind.

IV. Das Schloss.

Das grofse und ausgedehnte Schlofs, welches in der Mitte
des XIII. Jahrh. von Seiten der Havelberger Bischöfe als häu-
fio-e Residenz benutzt und deshalb mit besonderer Vorliebe ge-

O

hegt und gepflegt worden war, besafs aufser drei Thürmen und
den Wohngebäuden eine kleine aber prachtvolle zweigeschossige
in Sandsteinquadern erbaute Schlofskapelle. Der kunstsinnige
Bischof JohannllL gen. Wopelitz hatte, wie eine erhaltene Inschrift
besagte J), diese Kapelle zu Ehren der heiligen Jungfrau, St.
Constantius und Laurentius im J. 1399 erbauen und mit bild-
nerischem wie malerischem Schmucke auf’s Reichste ausstatten
lassen. Leider ist dieser von den märkischen Chronisten so
hochgerühmte Bau bei völliger Verwahrlosung durch allmählige
Beraubung jetzt spurlos verschwunden. Von dem ausgedehnten
Schlosse, dessen äufsere Erscheinung durch die in Merians To-
pographie der Mark S. 122 mitgetheilte Ansicht überliefert ist,
steht jetzt nur noch der mächtige, den Schlofseingang deckende,

ca. 90 Fufs hohe Berg-
fried, welchen der Holz-
schnitt veranschaulicht.
Dieser Thurm steigt, wie
der ihm ähnliche Burg-
thürmzuTangermünde 2),
in fünf Geschossen em-
por, setzt bei mäfsig ge-
mauerter Böschung z wei-
mal ab und tritt im ober-
sten Geschofs wieder
über. An den Ecken
sind Lissenen von 11
Steinen Breite durch zwei
Geschosse angeordnet.
Am obersten, offenbar
nachträglich hinzugefüg-
ten Stockwerke erschei-
nen geputzte Wandflä-
chen in Zinnenform, ge-
nau wie solche am Üng-
linger Thor, an dem
Dome und der Marien-
kirche zu Stendal vorkommen, so dafs altmärkischer Einflufs
wie im Ganzen so auch im Einzelnen unverkennbar hervortritt.
Dem Zwecke des Bauwerks entsprechend, sind nur wenige und
strenge Detailformen verwendet. Schlanke Spitzbogenblenden,
giebelartig geordnet, erscheinen an allen vier Seiten des vor-
letzten Stockwerks und bilden mit den Putzflächen und einem
Erkerreste des obersten Geschosses den einzigen Schmuck des
ernst und stolz emporsteigenden Bauwerks.

Die Bauzeit gehört in den Schlufs des XIV. Jahrh., nur das
obere Geschofs ist jünger, etwa um 1460 — 70 ausgeführt.

D. Die Stadt Perleberg 3).

Die erste Erwähnung dieses neben einer Burg schon irn
XIL Jahrh. gegründeten Ortes findet sich in einer Urkunde von
1239 '), worin demselben auf Veranlassung seines Besitzers, eines
Edlen von Puttlitz, das deutsche Stadtrecht von Salzwedel ver-
liehen wird. Die Stadt wuchs rasch zu gröfserer Selbstständig-

') Vgl. Beckmann. Beschr. d. M. Br. Theil V. Buch II. S. 253.

2) Vergl. Band I, S. 76.

3) Abbild. in Merian Topogr. S. 82 und Beckmann, Theil V, Buch II, S. 27.

4) ßiedel a. a. 0. I. 15, 68, 122 ff.

keit empor, und erscheint im iknfange des XIV. Jahrh. als Im-
mediatstadt der Markgrafen '). Bald wurde sie besonders durch
enge Handelsbeziehungen mit den norddeutschen Seestädten Lü-
beck, Rostock etc. Vorort der übrigen Städte der Priegnitz. Im
J. 1317 erwarb die Stadt die alte Burg 2), kam zwar nach dem
Aussterben der Anhaltiner auf einige Zeit an Mecklenburg, fiel
aber bald, schon 1325 wieder an Brandenburg zurück. Die gün-
stige Lage der Stadt, fast mitten im Centrum der Grenzprovinz,
und der durch die Rührigkeit der Bewohner erworbene Reich-
thum haben in den verschiedenen Jahrhunderten zu kleineren
wie gröfseren Bauunternehmungen geführt, so dafs am Schlusse
des Mittelalters, aufser starken und ausgedehnten Befestigungs-
anlagen, zwei Pfarrkirchen, eine Klosterkirche, zwei Kapellen
und drei Idospitäler mit kleinen Gotteshäusern vorhanden waren.
Der bei weitem gröfsere Theil dieser, wie erhaltene Abbildungen
lehren, sehr interessanten Bauwerke ist durch Brand und Zer-
störung, mehr aber noch durch Gleichgültigkeit und Verwahr-
losung zu Grunde gegangen, so dafs Perlebergs Stellung und
Bedeutung während des Mittelalters nur aus Urkunden und Nach-
richten erkannt, aber nicht mehr durch Denkmäler beurtheilt
werden kann. Besonders zu bedauern bleibt der Untergang der
Klosterkirche, welche einen zweigeschossigen gewölbten Kreuz-
gang besafs und der stattlichen Thore, deren interessante Struk-
tur noch aus den Abbildungen bei Merian und Beckmann erse-
hen werden kann.

I. Pfarrkirche St. Jakob.

Historisches.

Dieselbe, jedenfalls schon um 1239 gegründet, wird urkund-
lich erst im J. 1294 bei Gelegenheit einer Schenkung genannt 3)
und empfing 1295 und 1321 bischöfliche Ablässe. 1) Der Chor
wurde, wie folgende oberhalb eines Kreuzigungs-Reliefs befind-
liche verstümmelte Inschrift: Anno Domini MCCC°LXI°. Incepi-
mus struere. I. N. R. I. besagt, im J. 1361 begonnen. Im J. 1475
wurde die Kirche tnit einem inschriftlich datirten fünfarmigen
Messingleuchter ausgestattet. Die Kirche ist vielfachen Schick-
salen ausgesetzt gewesen; so ist beispielsweise die im J. 1539
urkundlich erwähnte Liebfrauenkapelie schon früh abgebrochen
worden. Die hohe Thurmspitze brannte iin J. 1632 ab, wurde
dann nach der Wiederherstellung 1660 vom Sturtne herabge-
worfen, im J. 1753 erneuert 5) und ist bei einer vor einigen Jah-
ren bewirkten Restauration in modern gothischen Stylformen
sehr viel niedriger von Neuem aufgebaut worden.

Baubeschreibung.

Die mäfsig grofse Pfarrkirche besteht aus dem oblongen
Westthurm, dem dreischiffigen Langhause von vier Jochen und
dem zweijochigen, in fünf Seiten des Zehnecks geschlossenen
Chore. Der letztere ist zwar regehnäfsig gestaltet, aber von nie-
drigen Verhältnissen, und mit hohen 2 auch 3theiligen Spitzbogen-
fenstern ausgestattet. Die Kreuzgewölbe ruhen auf kräftigen
Birnenrippen, welche, wie der Holzschnitt zeigt,
auf dicken achteckigen konsolartigen Kämpfern
aufsetzen. Die starken halbachteckigen Dienste
werden von hochbelegenen, sehr zierlichen (mo-
dernen?) Konsolen gestützt. Die Schildbogen
werden durch rundstabförmige Rippen begrenzt,
und diese Eigenthümlichkeit erinnert an den gleich-
zeitig erbauten Chor der Klosterkirche von Ma-
rienfliefs, mit welcher Bauanlage der Chor zu Per-
leberg überhaupt viel Verwandtschaft besitzt.

Das Langhaus hat eine aufserordentlich schief-
winklig geführte Nordmauer, wodurch die Breite

1) Rietlel a. a. O. 129.

2) Riedel, a. a. O. 133.

3) Riedel a. a. 0. I, 124.

4) Riedel a. a. 0. III, 347 und I, 133.

5) Beckmann a. a. O. Theil V, Buch II, S. 31 ff.
 
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