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vom Sehlusse des XV., wenn nicht vom Anfange des XVI. Jahrh.
berrührt. Der westliche Flügel zeigt keine mittelalterlichen
Kunstformen, sondern scheint, nacli wenigen erhaltenen Spuren
ehemaliger Ausstattung beurtheilt, vom Schlusse des XVI. Jahrh.
herzurühren.

Das Meienburg benachbarte Freienstein ist in der Mitte des
XIII. Jahrh. zur deutschen Stadt erhoben und nach einer Zer-
störuno- im Jahre 1287 an einer anderen Stelle wieder aufgebaut
Worden J). Die hier befindliche Burg ist nebst dem Städtchen
gleichzeitig mit Meienburg in von Rohr’schen Besitz übergegan-.
gen und' kurz vor dem dreifsigjährigen Kriege 1618 an die Fa-
milie von Winterfeld veräufsert worden. Von einem der aus-
gezeichnetsten Männer aus dem von Rohr’sclien Geschlechte von
Conrad von Rohr, welcher in den Jahren. des Eintritts der Re-
formation durch Besonnenheit und Thatkraft eine ebenso nach-
haltige wie segensreiche Wirksamkeit entfaltet hat, ist wahr-
scheinlich das noch jetzt in Freienstein erhaltene feste Haus in
der zweiten Hälfte des XVI. Jahrh. erbaut worden. Eine Gie-
belseite dieses Hauses war ursprünglich mit zwei halbrunden,
in drei Etagen aufsteigenden Erkern geschmückt, von denen
leider nur noch einer erhalten ist. Der Erker ist mit backstei-
nernen, plattenförmigen Friesstücken dekorirt, welche als halb-
achteckige Pilaster die Seiten einrahmen, während ähnliche mit
Kandelabern, Laub- und Früchtsträngen geschmückte Friese die
Stockwerkshöhen bezeichnen und schöne Medaillons mit Köpfen
die Brüstungen. ausfüllen. Die Fenster sind flachbogig geschlos-
sen und wie der leider etwas veränderte Mittelgiebel ebenso reich
in derselben schmuckvollen Behandlung durchgeführt. Die ganze
35 Fufs breite und circa 60 Fufs hohe Giebelfront, in der vor-
züglichsten Technik und mit seltenei' Eleganz in allen Kunst-
formen erbaut, gehört zu den Prachtstücken norddeutscher Re-
naissance, wovon ähnliche Beispiele nur zu Lüneburg, Schwerin
und Wismar bekannt geworden sind. Die sorgfältigste Erhaltung
dieses an lombardische Frührenaissance anklingenden und für
die Mark fast einzig dastehenden Bauwerks ist dringend zu
wünschen.

IV. Die Dörfer der Priegnitz.

Die Mehrzahl der Dorfkirchen dieser Provinz entstammen,
dem siegreichen Vordringen der deutschen Kultur entsprechend,
erst dem XIII. Jahrh., so dafs romanisehe Xachklänge nur in
sehr vereinzelten Beispielen, wie z. B. an der um 1240 geweihten
Kirche zu Zernitz bei Havelberg' 2), welche unter dem Haupt-
gesimse den Bogenfries noch gemalt zeigt, nachweisbar sind.
Kücksichtlich der Planbildung bestehen diese Kirchen, welche
überwiegend in Granitquadern 3) und in sehr guter Technik er-
baut worden' sind, aus dem oblongen Westthurme mit kleinem.
Dachreiter, dem einschiffigen Langhause und dem quadratischen,
plattgeschlossenen Chore. Für die altgothische Bauepoche ist
das Auftreten dreier, lanzettförmig schlanker. Spitzbogenfen-
ster in der Ostwand nebst grofsem eingeblendetem, mit. Baek-
steinen umrahmten Kreuz am Ostgiebel sehr charakteristisch.
Diese Anordnung zeigen Grofs-Welle (leider ohne Thurm),
Gaartz, Xebelin, Kampehl u. A. Während des XIV. Jahrh. schei-
tten alsdann mehr und mehr Backsteinthürme in einer ähnlichen
Ausbildung wie in der Altmark und im Lande Jerichow ') er-
baut worden zu sein. Dahin gehören Königsberg, Giesensdorf,
Alt-Schrepkow u. A. Eridlich si'nd in den letzten Zeiten des
Mittelalters von ca. 1500— 1520 sowohl bei Umbauten wie
Keubauten die plattgeschlossenen Ostwände der Chöre mit reich

*) Riedel a. a. O. -II, 262.

2) Vergl. Lotz Kunst-Topogr. I. S. 649.

3) Darunter oft ganz kolossale, wahrsehehdich von zerstörten Hünenbetten herrührende
üranitplatten wie z. B. an der Kirche zu Herzsprung.

4) Vergl. die im Holzschnitt dargestellte Kirche zu Kalberwisch, Band I, S. 47 und

^*e Kirchen zu liedekin etc. auf BlattXXIV.

dekorirten Backsteingiebeln. geschmückt worden. Das schönste
Beispiel dieser Behandlung ist die von dem Bischofe Johannes
von Havelberg (aus dein Hause Schlabrendorf) erbaute und in-
schriftlich 1520 geweihte, Ideine Wallfahrts-Kirche St. Maria und
St.Anna zu Alt-Kriissow. Diese einschiffige oblonge Kirche besitzt
i keinen gesonderten Chor, sondern einen an der Südseite hinzuge-
fiigten, ebenfalls überwölbten Kapellenraum. Das Schiff wird
von vier oblongen Sterngewölben bedeckt, deren tauförmig
gedrehte Rippen von ebensolchen Wanddiensten getragen wer-
den, und von acht sehr gedrückten spitzbogigen, theils drei-,
theils viertheiligen Fenstern beleuchtet. Der Ostgiebel ist in
jeder Hinsicht eine mit sehr unbedeutenden Variationen auftre-
tende Kopie des Ostgiebels der heiligen Grabkapelle im Kloster
zu Heiligen Grabe, Blatt LV, so dafs eine nähere Mittheilung
desselben ganz überflüssig ist. Dieselbe Giebelbiklung, stets auf
dasselbe Original zurückweisend, zeigen auch die Kirchen zu
Grofs-Wulfersdorf, Falkenhagen und mit einigen Verschieden-
heiten Sückow.

IV, Die Mittelmark.

Baugeschichte.

Wie die Stiftungsurkunden der Bisthümer Havelberg 1) und
Brandenburg 2) beweisen, hat die Mittelmark schon im X. Jahrh.,
insbesondere während der kräftigen Regierung König Heinrich I.
und Kaiser Otto I. zum.deutschen Reiche gehört. Indessen ist die-
ses Verhältnifs bei der späteren Schwäche der Kaisergewalt und
der nachhaltigen Widerstandskraft der slavischen Völker so we-
nig zur Anerkennung gelangt, dafs die Bischöfe von Havelberg
und Brandenburg anderthalb Jahrhunderte lang ihre Diöcese
nicht betreten, sondern slavische dem Heidenthume ergebene
Fürsten :in jenen Städten residirt haben. Erst dein thatkräfti-
gen Auftreten Albrecht’s des Bären gelang es im Laufe der er-
sten Decennien des XII. Jahrh. in jenen iiberelbischen und ha-
velländischen Gegenden dauernd festen Fufs zu fassen. Dies
geschah zunächst durch die energische Sicherung der von sei-
nem Vater bereits ererbten Grafschaft Belzig, unter deren Schutze
die erste klösterliche Ansiedlung zu Leitzkau 1128 erwuchs, so-
dann durch die Eroberung der Priegnitz und Wiederherstellung
des Bisthums Havelberg 1137, endlich durch die — ungewifs
in welchem Jahre —- erfolgte Besitzergreifung der Zauche, wel-
che der zu Brandenburg herrschende Wendenfürst Pribislav an
Albrecht’s Sohn Otto zu dessen Tauftage geschenkt hatte. 3) Hier-
nach beginnt die Baugesehichte der Mittelmark mit der Kloster-
kirche zu Leitzkau, welche als stattlicher Neubau auf Kosten
Albrecht’s von 1140—55 ebenso wie der 1138 begonnene Dom-
baü zu Havelberg, in Plötzker Sandsteinen errichtet wurde. Von
Leitzkau wurde alsdann diese alterprobte sächsische Bauweise
nicht nur in die nächste Nachbarschaft, nach Loburg, Prödel, Mök-
kern etc., sondern auch schon 1140 nach Brandenburg an die St.
Godehards-Kirche daselbst übertragen. Als bald darauf der
Gründer jener Kirche, der zum Christenthume übergetretene
Pribislav um das Jahr 1142 stai’b, fiel auch das Havelland durch
Erbschaft än Albrecht, der diese Gebiete, nämlich die Zauche
und das Havelland auf dem Reichstage zu Quedlinburg im Jahre
1143 von dem Könige Conrad III. als ein selbstständiges Reichs-
fürstenthum bestätigt erhielt und mit demselben seine älteren
Besitzungen zum Markgrafenthume Brandenburg vereinigte.

Indessen bedurfte es noch schwerer Kämpfe, bevor diese
dem Christenthume wie der deutschen Kultur neu erschlosse-
nen Gebiete hinreichend gesichert waren, um Klöster und Kir-

■ *) Rie'del a. a. O. II, 435 ff.

0 Ri'edel a. a. O. VIII, 91.

3) Vergl. für die Thätigkeit Albrecht’s des Bären die neuen und speciellen Untersu-
chungen von Voigt in den Märk. Forsch. VIII, S. 113 ff. u. Riedel, Mark Bran-
denburg. I, S. 236.
 
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