Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
84

des Klosters, stetig uncl zielbewufst seinen Güterbesitz zu mehren
und trotz der scliwierigen politischen Verhältnisse — besonders
nach dem Anssterben der Askanier —, in der Gunst der
Fürsten sich zu behaupten und mit dem fehdelustigen, immer
mehr verwilderten Landadel, so gut es ging, durchzukommen.

In stetem Wetteifer mit Zinna und Lehnin hat Cliorin
sowolil im Barnim, wie in der Ukermark und Neumark grofse
Güterkomplexe durch Sclienkung, Kauf und Tausch 1) zusammen-
zubringen gewufst und durch kluge Ausnutzung erworbener
Handels- mid Steuerrechte (Zollfreiheit im Auslande 2) und Ab-
gabenfreiheit im Inlande) seinen Wohlstand mächtig gefördert.
Seine Glanzzeit fällt in die zweite Hälfte des XIV. Jahrhunderts,
wie aus dem Landbuche Karl IV. von 1375 mit Sicherlieit
hervorgeht. 3) Dafs aber schon ein Menschenalter friiher der
Bau der grofsartigen Kirche zum Abschlusse gekommen
sein mufs, wird durch die wiclitige Urkunde vom 13. Xovember
1334 4) unzweifelhaft erwiesen. In derselben verleiht Bischof
Aegidius von Verona als General-Vikar des Erzbiscliofes von
Magdeburg, soAvie der Bischöfe von Regensburg, Xaumburg,
Brandenburg imd Halberstadt allen Wohlthätern des Ivlosters
Chorin einen liohen Ablass, wobei er hervorhebt, dafs er aufser
dem der Maria gewidmeten Hochaltare, sechs namentlich an-
gefülirte Altäre eingeweiht liabe. Sicherlich ist auch der gröfste
Theil der Klostergebäude soweit fertig gewesen, dafs der ge-
sammte Konvent von Mariensee nach Chorin bereits über-
gesiedelt war, denn von dem Kloster Mariensee hört fortan
jede Xachricht in den Urkunden auf. Auclr wird 1372 die
Uebertragung des alten Hospitals von Barsdin bei Oderberg
nach Chorin ausdrücklich gemeldet. 5) Was aus der Kloster-
kirche von Mariensee geworden ist, wissen wir niclit, doch
waren im XVII. Jahrhundert noch vielfache Buinen auf der
Insel vorhanden und einige wenige Trümmer sind noch jetzt
erkennbar.

Die Reformation führte 1542 (die letzte Urkunde des
letzten Abtes Brixius datirt vom Palmsonntage jenes Jahres)
zur Einziehung sämtlicher Klostergüter, aus denen der Kurfürst
Joachim II. ein Kammergut Chorin bildete, welches Amts-
hauptleute verwalteten. Der dreifsigjährige Krieg wurde für die
Kirche und die Gebäude des Klosters verhängnifsvoll, besonders
in clen Jahren 1027, 1635 und 1643, wo erst die Kaiserlicheti,
dänn die Sachsen und zuletzt clie Schweden in grausamer Weise
raubten, brandschatzten und zerstörten. Um 1650 wird Chorin
und Umgegend als ganz verödet angegeben. Etwas Besserung
braclite die starke Hand des grofsen Kurfürsten, aber in Folge
der vieljährigen Dachlosigkeit der Kirche bekamen die Gewölbe
Risse und stürzten theilweise ein; die letzten noch erhaltenen
wurden dann 1705 eingerissen, als man unter dem Amtmanne
Werner die Kirche mit einem neuen Dache versah. Einen Tlieil
des Klosters (den Ostflügel) erhielt Kronprinz Friedrich Wilhelm
von seinem Vater 1707 überwiesen, um Invaliden darin unter-
zubringen. Das Invalidenhaus hat nur zehn Jahre lang be-
standen — bis 1717 —, derin nach fünfjähriger Pause wurde
1722 das Kloster wieder zur Amtskammer gelegt, 6) Nach dem
Abbruche des ganzen oberen Stockes des Ostflügels, wo früher
die Invaliden gewolint, wurde 1772 das schadhaft gewordene
Dach der Kirche wieder erneuert und eine planmäfsige Um-
gestaltung vieler Räume vorgenommen, um die Erweiterung cles
landwirthschaftlichen Betriebes durchzuführen. Die Kirche maclite
man zum Schafstall, den schönen Westflügel zum Rindviehstall,
wie durch eine ITandzeichnung aus jener Zeit bei Beckmann er-

3) Vergl. Winter, Cistercienser II. 279 u. 286 ff. und Pidicin, Tcrritoricn
IV, 259.

2) Eiedel, 225, 228, 243, 248 u. 249.

3) Berghaus, Landbuch der Mark Brandenburg II, 302 und Fidicin,
Territorien IV, 259.

4) Eiedol 246.

5) Eiedel a. a. O. 265.

6) Nach Beckmanns Manuskripten über Chorin in der Berliner Magistrats-
Bibliothek.

wiesen werden kann. Bis zum Jahre 1820 ist clann in üblicher
Weise — wie es auch in Ost- und Westpreufsen oft geschehen
ist — der Bau mehrfach als Steinbruch von den Domainen-
pächtern ausgebeutet worden. Erst seitdem Kronprinz Fried-
rich Willielm — nachmals König Friedrich Wilhelm IV. •—
dem herrlichen Bauwerke seine volle Theilnahme zugewandt,
begannen, wenn auch langsam, für classelbe bessere Zeiten.
Auf Schinkels Anregung erfolgte unter Mosers Leitung 1823
eine Aufnahme clurch die Baukondukteure Hesse und Kramer
und hieran schlossen sich Skizzen einzelner Bautheile und ihrer
Details durcli Schinkel selbst. 1) Die erste Veröffentlichung
nacli eigener Aufnahme bewirkt zu haben (Zeitschr. f. Bauwesen
1854, Blatt 11 —17) wird ein dauerncles Verdienst fiir den
Regierungsbaumeister Brecht bleiben, wenn auch cler Text weder
nach der historischen, noch nach cler beschreibenden Seite hin
befriedigt.

In neuester Zeit sind nach Anregung des Konservators
cler Kunstdenkmäler Persius auf Kosten des Staates Wieder-
herstellungen erfolgt, welche den Bestand der grofsartigen Ruine
gesichert und ihr durch die Ergänzung der Giebel- und Fenster-
stabwerke einen alten verloren gegangenen Schmuck erneuert
haben.

Die Klosterkirche.

Baubeschreibung.

Die Kirche bildet eine dreischiffige, kreuzförmige, gewölbte
Pfeilerbasilika mit oblonger Vierung, einjochigem Vorchore
und dem aus sieben Seiten gebildeten Polygone. Xeben den
Kreuzarmen befanden sich als Xebencliöre jederseits zwei zwil-
lingsartige Doppelkapellen, ähnlich wie in Lehnin. Ebenso lag
wie clort der Kreuzgang mit den zweigeschossigen Hauptgebäuden
des Klosters an der Südseite, auch waren fast alle Räume, ins-
besondere die unteren, mit Rippenkreuzgewölben versehen. Jetzt
fehlen wiclitige Bautheile, wie die vier Nebenchöre, das süd-
liche Seitenschiff, der Xord- nnd Südfliigel des Kreuzganges,
und was besonders zu bedauern ist, der mittlere Theil des siid-
lichen Klosterflügels, wo man wegen der Xähe der Iviiche irn
Südwesten das Refektorium .und darüber den grofsen Sclilafsaal
der Konversen annelimen darf. 2) Der nicht minder grofse Sclilaf-
saal der Briider lag im Oberstocke des Ostflügels und war
1706 für die Zwecke des Invaliclenliauses umgebaut worden.
Der Kapitelsaal nebst den Archivräumen wird cler südöstlich
belegene, etwas vorspringende Bautheil am Kreuzgange gewesen
sein, welcher nocli jetzt als Amtskirche benutzt wird. In der
Südwestecke ist die Klosterkiiche nocli wohl erlialten und nörd-
licli von ihi clas alte Piortenhaus, dessen Treppenthürme, welche
zum Oberstocke an der Xord- wie Siidseite führten, erst vor
einigen Jahrzehnten zerstört worden sind. In dem Südtheile
des Westflügels, dessen Unterstock einst durchgängig zweischiffig
gestaltet und überwölbt war, clarf man das Refektorium für
Gäste uncl darüber Gastkammern vermuthen, während der nörd-
liclie, mit der Ivirche durcli zwei Pforten verbunclene, aber von
dem Kloster völlig getrennte und ebenfalls zweischiffige über-
wölbte Iheil als eine besondere Empfangshalle für lürsten und
geistliche Würdenträger — ähnlich wie in Lehnin das kleine
sogenannte Paradies — erachtet werclen kann. Der von cler
Südostecke des Ostflügels ausgehende uncl weit nach Osten hin
sich erstreckencle Flügel wird vielleicht aufser der Bibliothek,
dem Archive und Verwaltungsräumen clie Wohnung des Abtes
und über derselben Kleider- und Vorrathskammern entlialten
liaben, doch läfst sicli darüber nichts sicheres ausmachen, weil
hier ein so durchgreifender Umbau stattgefunden liat, clafs nur

1) Ueber den Verbleib der Aufnahmo habe ich nichts ermitteln können, die
Skizzen befinden sich im Schinkel-Museum, Katal. 850 — 83.

2) Vergl. den Lageplan und den Grundrifs des unteren Stockes bei Brecht
a. a. O. Bl. 11.
 
Annotationen