Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
86

Der iroposanteste Bantheil, gewissermafsen clie Krone des
Ganzen bildet die hochragende Westfront, welche anf Bl.LXVIII
Fig. 1 dargestellt ist. Ein originelles Werlc, auf wenigen Motiven'
aufgebaut, streng in der Profilirung, einfach in den Einzölformen
und doch wirkt es kraft- und hoheitsvoll und spricht stumm
beredt für seinen Meister. Zwei quadratische Treppentliürme mit
achteckigen Kurzthürmen und krabbenbesetzten Helmen flankiren
den Mittelbau, welcher miten zur Beleuclitung des Mittelschiffes
drei schlanke, durch Strebepfeiler getremite Spitzbogenfenster
— ein dreitheiliges in der Mitte und zwei zweitheilige an den
Seiten — besitzt und oben oberlialb einer dreiringigen Bund-
blende in drei gestaffelten krabbengeschmückten Ziergiebeiu
endigt. Den gleichen Abschlufs liaben die beiden nur mit
schlichten Blenden ausgestatteten Seitengiebel erhalten, welche
ilire Pultdächer weit überragend und daher des organischen Zu-
sammenhanges entbehrend, den mächtigen Mittelbau in wirkungs-
vollster Weise umfassen und abschliefsen, so dafs eine ener-
gische Vertikalstaffelung entsteht, die in Verbindung mit den
schlanken Thürmen, Strebepfeilern und Fenstern am Mittelbau
den trotz aller Gegensätze doch einheitlichen Kunstcharakter
dieser herrlichen Westfront bildet.

Der südliche Seitengiebel steht leider nicht melir am alten
Platze, er lag einst in der Flucht des südlich anstofsenden
Klosterflügels, sondern ist abgebrochen und um acht Fufs vor-
gerückt worden, als man die kleine Vorhalle, welche er jetzt
krönt, anlegte. Man erkennt das sowohl an der Trennungsfuge
der Südseite wie an der Thatsache, dafs ilnn der mächtige iiber
drei Fufs seclis Zoli hohe, in trefflicher Bahnentechnik her-
gestellte Granitsockel fehlt und dafs er oben nicht mit den
fleischfarbenen Backsteinen der Westfront gemauert worden ist,
sondern mit den lebhaft rothen Ziegeln aller Ostbautheile.
Ferner sind dafür bezeichnend die beiden kleinen Biuidbogen-
fenster, welche von der alten Standstelle mit übernommen wurden
und daher mit den oberen Fenstern des anstofsenden westlichen
Klosterflügels übereinstimmen und endlich entscheidet die doppelte
Beobachtuug, dafs das untere Seitenportal mit sehr holien Profil-
steinen — aus drei Bundstäben und zwei Kehlen bestehend —
aufgemauert worden ist, wie solche nur in den Osttheilen der
Kirche vorkommen und dafs oben dicht unter der Dreigiebel-
gruppe kein Bankenfries — wie am Xordgiebel — mehr sitzt,
sondern eine kleine Spitzbogenstellung zum Ersatz dienen mufs.
Wann diese Vorschiebung des Südgiebels stattgefunden hat, ist
nicht sicher zu erweisen; wahrsclieinlich geschah sie erst nach
Vollendung der Kirche und bei den letzten Abschlufsbauten
des Klosters um die Mitte des XIV. Jahrhunderts.

Die selrr praktische Detailbildung des nördlichen Seiten-
giebels mit Fialen, Ziergiebeln, einer Sägeschicht und einem aus
Platten hergestellten Bankenfriese zeigt Fig. 2 auf Blatt LXVIII.
Der Mittelschiffgiebel ist, weil mit denselben Steinen erbaut,
sehr ähnlicli gegliedert, doch besitzt er einen anderen anthemien-
artigen Fries. x) Von Wichtigkeit sind noch die herben alter-
thümlichen Profilirungen an den Strebepfeilern und den chei
unteren Blendnischen der Westfront, welche die Figuren 9, 10

und 13 veranschaulichen. An keiner
Stelle — auch an den Fenstern nicht

— ist von Bundstäben Gebraueh ge-
macht, Kehlsteine und Schrägsteine bil-
den die Begel. Die ganze Xordseite

— vergl. das Aufsensystem Blatt LXIX
Fig. 2 — ist bis zum Kreuzflügel liin
übereinstimmend behandelt und steht be-
züglich der Verhältnisse und Details mit
der Westfront auf fast gleicher Flöhe

und ist von ihr abhängig. Die von Westen gerechnet fünf
ersten Pfeiler der Nordreilie bezw. die beiden der Südreihe sind

kreuzförmig gestaltet mit abgeschrägten und abgekehlten Ecken
und besitzen echt romanische Kämpfer während die reducirten
Basen, durch den nebenstehenden Holzschnitt veranschaulicht,
aus Profilsteinen der Westfront hergestellt wurden. Der letzte
Pfeiler, welcher diese Bildung, wenn auch mit geänderter Basis
wiederholt, ist der Pfeiler 13, doch gehört er schon den jüngeren
Bautheilen an, welche weiter unten zu besprechen sind. Ober-
halb der ersten sieben westlichen Arkaden der Xordseite und
iiber der vierten bis siebenten Arkade der Südseite befinden
sicli, um Material zu sparen und den Druck zu mindern, tiefe
Wandnischen, welche gedrückt rundbogig überwölbt sind, wäh-
rend man die übrigen als spitzbogige Tonnen ausgeführt hat.
Die letzteren sind besser gemauert, wie die ersteren und stellen
technisch wie struktiv einen Fortschritt dar, der wohl mit einem
Wechsel in der Bauleitung zusammenliängen wird. 1)

In jeder Pfeilerachse und dicht iiber den Kämpfern er-
heben sich streng gegliederte Dienstgestänge, mit Blattkapitellen
versehen und auf scliönen Blattkonsolen ruhend, wie Fig. 4
darstellt, während das Bippenprofil der leider zerstörten ob-
longen Ivreuzgewölbe Blatt LXVII Fig. 12 veranschaulicht.
Die im Lichtgaden grofsentheils erhaltenen Mafs- und Stab-
werke sind nur von beiden Seiten abgekehlt, so dafs sie,
weil die Rundstäbe fehlen, nur plattenartig flach erscheinen.
Vergl. Blatt LXVII Fig. 3 und G und bei Brecht Blatt 17
Fig. 1 — 6 mit Fig. 7. Diese reifere Ausbildung des Stab- und
Mafswerkes mit Rundstäben ist für die jüngere Osthälfte cha-
rakteristisch. Ferner verdient die Thatsache Beachtung, dafs
als eine Ausnalime imter den damaligen Cistercienserkirchen in
den ersten beiden Jochen der Westhälfte eine dreischiffige ae-
wölbte Empore eingebaut war, wie aus Fundamentresten und
Abbruchsspuren erkannt werden kann. Vergl. den Grundrifs
Fig. 11. Welchem Zwecke diese Anlage gedient hat, ist
zweifelhaft, möglicher Weise als Kapelle, um schon wälrrend
des Baues hier Gottesdienst zu halten, wie wir derartige Ver-
hältnisse auch von anderen Orten, z. B. von Grobe und Regens-
burg kennen. Endlich mufs noch auf die auffallend grofseh
Mauerstärken in den Pfeilern und Umfassungswänden hin-
gewiesen werden, welche an ältere, noch etwas ängstlich durch-
gefiihrte Gewölbebauten wie Lehnin und Dobrilugk lebhaft er-
innernd, für die Annahme sprechen, dafs der Neubau im Westen
begoimen worden ist. Man hat auch an diesen grofsen Mauer-
stärken stets festgehalten. Weil aber Strebepfeiler nur unteh
auf der Xord- und Südseite erforderlich waren, so sind die
oberen nicht in statischem Sinne, sondern nur dekorativ als ein
verkümmerter Typus verwerthet worden. Bei näherer Unter-
suchung ergiebt sich sodann die bedeutsame Thatsache, dafs
die westlichen oberen Strebepfeiler auf Auskragungen innerhalb
der Pultdächer sich erlieben, während die östlichen durch Strebe-
bogen innerhalb derselben Dächer abgestiitzt wurden. Die beiden
nachstehenden Flolzschnitte 1 und 2 auf Seite 37 geben hier-
von eine Vorstellung. Es kann keinem Zweifel unterliegen,
dafs die letztere Anordnung die jüngere sein mufs, weil sie
zum Systeme der reifen Gothik gehört,

Die jüngeren östlichen Bautheile, aus fiinf Jochen des
Langhauses, dem Querschiffe, dem Vorehore und dem Polygone
bestehend, unterscheiden sich von den beschriebenen älteren im
vierfachen Sinne. Erstlich im Ziegelmateriale, die Steine haben
eine dichtere Textur und eine rötliere Farbe wie die älteren
Steine; zweitens in der Form und Durchbildung der Pfeiler des
Langhauses, es tritt ein Stützenwechsel mit neuer derber Orna-
mentik an den Kapitellen ein; drittens in der Verfeinerung der
Stab- und Mafswerke, der Thüreinfassungen, Nischen u. s. w. und
viertens in der verbesserten Struktur jener oberen Entlastungs-
bogen über den Arkaden. Der Materialwechsel berulit sicher
auf der Aulage einer neuen und gröfseren Ziegelei an anderer

1) Abbild. bei Breclit, Blatt 17 Fig. 12.

1) Yergl. Brecht, Blatt 12 Fig. 1.
 
Annotationen