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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 2) — Berlin, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.31748#0099
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urn das Jahr 1270 setzen. Obsclion die Obertheile durch-
weg aus Ziegeln bestehen, so hat man doch an dem alten
Plane festgehalten und sowohl den Mittelbau dreigeschossig als
auch die Thürme viergeschossig mit einfachen oder getheilten
Blenden in schwacher Profihrung emporgeführt. Leider fehlen
sowohl die obersten Geschosse wie die Helme, denn beide
Thürme besitzen jetzt Längssatteldächer, die nach Osten und
Westen durcli völlig rohe Mauern anr Südthurme, durch kiu-
discli gegliederte Giebel in reducirter deutscher Renaissance
abgeschlossen sind. ])

Steinformate: 1. Südseite 10Vi — 7?, 5 8/s und 374 Zoll;
2. Chor IOV2, 5V2 und 3V2 Zoll.

Bei dem holien Kunstwertlie, der der Marienkirche inne-
wohnt und sich wesentlich auf den Zeitraum von 1310 — 40
beschränkt, wäre es sehr erwünscht, etwas Näheres über den
grofsen Meister, welcher die Ostfront schuf, zu erfahren. Leider
ist es nur möglich, seinen Namen festzustellen uhd auch das
nur als eine Vermuthung. In der lateinischen Urkunde vom
Jahre 1336, worin der Rath eine Schenkung für zwei Altäre
in der Marienkirche bestätigt, 1 2 3) steht an der Spitze der zwölf
Rathsherren (consules) Thydericus murmester verzeichnet. Er
war also wahrscheinlich der Vorsitzende, der Bürgermeister.
Gleichzeitig wird er aber auch als Pfleger oder Vorsteher der
"Kirche bezeichnet und kann daher sehr wohl der Baumeister
gewesen sein, den man wegen seiner besonderen Verdienste um
die Stadt zum Bürgermeister gemacht liatte.

b) Pfarrkirche St. Jakob.

Die lokale Tradition bezeichnet diese Kirche als die älteste
in der Altstadt; sie soll auf derselben Stelle stehen, wo in
wendischer Zeit ein Triglav-Tempel sich erliob. Geschichtliclie
Zeugnisse felilen und die Vermutliung, dafs Bisehof Otto von
Bamberg oder der ihn begleitende Priester Stanislaus 1128
den Tempel zur christlichen Kirche eingeweiht habe, 3) verdient
keine Erörterung, weil Otto auf seiner zweiten Missionsreise
von Havelberg direkt nach Demmin gereist ist und die Gegend
um Prenzlau nicht berührt hat. 1250 wird die Kirche als
vorhanden urkundlich erwähnt, indem der Herzog Barnim sie
nebst drei anderen Pfarrkirchen dem Konvente der büfsenden
Schwestern sclienkt. 4) Aus dieser Zeit des gothischen Ueber-
gangsstiles stammt in der That die streng und schlieht ge-
staltete Kirche. Sie besteht aus einem oblongen Langhause
von 33 Fufs Breite und 6OV2 Fufs Länge nebst schmalerem,
plattgeschlossenen Cliore von 28V2 Fufs Breite und 38V2 Fufs
Länge und einem quergestellten Westthurme, der sich in
voller Breite nach Innen öffnet. Alle Bautheile sind aus
kubischen Granitquadern hergestellt. Das stattliche Westportal
ist vierfach abgetreppt, ein ähnliches aber kleineres, zwiefach
abgestuftes, befindet sich in der Nordmauer. Leider fehlen die
alten Fenster, doch darf man aus der weiten Achsenstellung
der nachträglich eingebrochenen und in Backsteinen her-
gestellten, sehr breiten fünftheiligen Fenster ohne Mafswerk
den Schlufs ziehen, dafs ursprünglich hier ähnliche spitzbogige
Gruppenfenster vorhanden waren, wie in der Franziskaner-
Kirche und durch die breiten Fenster verdrängt wurden, um
dem Lichtmangel abzuhelfen. Dies gilt für das Langhaus wie
für den Chor. 6) Ueher dem Haiqotportale ist ein grofses, jetzt

1) Der Prospekt bei Merian S. 83 ist sehr unzuverlässig, doch sieht man,
dafs 1652 der Siidthurm mit einem achteckigen Mittelthurme und vier Eckthürm-
chen abschlofs, während der Nordthurm schon hohe Renaissancegiebel — nicht die
jetzigen — besafs. Bei Petzold — um 1710 — ist der Südthurm mit einer
welschen Haube und eben solcher Laterne abgeschlossen.

2) Eiedel XXI, S. 151 ff.

3) Fidicin IY, S. 9 und Seckt S. 9.

4) Kiedel XXI, S. 88.

5) Bergau S. 610 beschreibt: „Schlitzfenster mit sclirägen Laibungen,

welche in grofsen Spitzbogenblenden lägen.“ Ich habe dieselben weder 1856 noch
später gesehen.

mit modernem Mafswerke gefülltes Rundfenster angeordnet,
dann folgen spitze Blendnischen und der quadratische, auf
Gurtbogen ruhende, selir nüchterne Thurm mit seiner welschen
Plaube von 1755. Im Siiden des Chores liegt eine niedrige
Backsteinkapelle mit einfachem Nischengiebel, im Norden eine
etwas vorspringende Sakristei mit einfach, aber derb geglie-
dertem Halbgiebel. Im Innern des Letzteren sind vier Kreuz-
gewölbe auf Birnenrippen vorhanden, welche von 5/s geschnit-
tenen und blattbelegten Konsolen getragen werden. Alle
Details zeigen dieselben Stilformen wie die entsprechenden im
Kreuzgange und in der Kirche der Dominikaner und stammen
dalier etwa von 1380. Damit stimmen auch die wohlerhal-
tenen dreitheiligen Stab- und Mafswerke der Fenster sowie der
östliche Halbgiebel.

c) Pfarrkirche St. Nikolaus.

Aucli diese Kirche war sclion im Jalire 1250 vorhanden,
wie die oben erwähnte Urkunde beweist. Sie ist schon in der
Mitte des XVI. Jahrliunderts baufällig geworden — wahr-
scheinlich durch den unrationellen Einbau von Emporen —,
denn 1568 stürzte ein Tlieil derselben ein, so dafs der Gottes-
dienst in die Heilig - Kreuz - Kirche verlegt werden mufste.
Dadurch der Baupflege entzogen, wuchs die Schadhaftigkeit
derart, dafs 1648 einer der beiden Thürme nebst der Spitze
des anderen zum Sturze kam und bald darauf die Gewölbe
folgten. Weil der gröfste Tlieil der Kirche 1769 abgetragen
wurde, so stelit jetzt nur noch ein stattlicher Rest von der
Westfront, 1) nämlich der ganze 62 Fufs liolie, in bester
Teclmik aus kubischen Granitquadern errichtete oblonge Unter-
bau mit einem kolossalen, sechsfacli abgestuften Hauptportal,
dessen Arkaden mit Rundstäben gesclimückt sind und einem
grofsen, zwiefach gestuften Rundfenster darüber. Zum weiteren
Aufbau liaben Ziegel gedient. Von den beiden Thürmen, die
über dem Unterbau sich erhoben, steht nur noch der siidliche
in der Form eines hohen, mit zweitheiligen Spitzbogenblenden
besetzten oblongen Obergeschosses, welches ein längsgestelltes
Satteldach abschliefst. Weil seine Nordmauer unten ebenfalls
noch gute Granittechnik zeigt, darf man vermuthen, dafs die
Kirche von Anfang an auf zwei Thürme angelegt war. Priift
man die Abbruchsspuren der Ostseite genau, so überzeugt man
sich, dafs die Kirche eine mit Holzdecken versehene Basilika
von mäfsiger Höhe gewesen ist. Ueber ihre Gröfse und Grund-
rifsform läfst sich nichts sagen; nur Ausgrabungen können
hierin eine Entscheidung bringen. Wahrscheinlich ist nur
der Chor gewölbt gewesen., docli ob dies ursprünglicli oder
später geschehen, ist nicht mehr auszumachen. Wichtig bleibt
nur die Thatsache, dafs hier vor 1250 eine Pfeilerbasilika aus
Granit erbaut worden ist, die dem gothischen Uebergangsstile
angehörte.

d) Klosterkirche St. Sabinus.

Wann die Stiftung eines Jungfrauen-Konventes St. Maiia
Magdalena der büfsenden Schwestern vom Orden des heiligen
Augustinus hier in der Neustadt erfolgt ist und von wem,
steht nicht siclier fest. Doch wird der Stifter kein anderer
gewesen sein, als der Slavenherzog Barnim und die Stiftung
uni 1240 fallen, weil er in der bereits mehrfach angezogenen
Urkunde von 1250 dem damals schon bestehenden Konvente
die vier Pfarrkircheü der Stadt, St. Jakob, St. Maria, St. Niko-
laus und St. Sabinus schenkt. Papst Alexander IV. nahm das
Kloster 1256 bereits in seinen Schutz und verlieli ihm selten
werthvolle Privilegien. 2) Nach weiteren Verleihungen von
Seiten des Markgrafen Johann, welche Liscliof Hermann von

1) Abbildung bei Bergau S. 612.

2) Kiedel XXI, S. 91.

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