Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
90

clie auffallende Stärke und die altertliümliche Technik der noch
erhaltenen Ringmauern sprechen für diese Annahme, denn in
der unruhvollen, an kriegerischen und politischen Drangsalen
überreichen Zeit — nacli Waldemars Tode 1320 — liätte die
Bürgerschaft schwerlicli die Mufse gehabt, ein so zeitraubendes
und die Anspannung aller Kräfte erforderndes Werk zu voll-
enden, wie es diese Umwehrung darstellt. Auch hat die Stadt
in jener Zeit durch ihr kluges Yerhalten zwischen den strei-
tenden Parteien einen auffallend grofsen Grundbesitz erworben 1)
und war oft der Anfenthaltsort der Fiirsten und Sitz eines
Vogtes. 2) Das Hospital St. Spiritus wird 1375 und 1445 ur-
kundlich erwähnt, 8) aber weder von der Pfarrkirche St. Maria
Magdalena, noch von dem Hospitale St. Georg weifs man
etwas Näheres. Die Stadt hat von grofsen Bränden schwer
zu leiden gehabt, so 1492, 1530, 1546, 1618 und 1735.
Der Letztere war so verheerend, dafs die ganze Stadt inner-
halb ihrer Mauern nach einem neuen Plane aufgebaut werden
mufste. Jetzt besitzt sie an Baudenkmälern aufser der Pfarr-
kirche und einer Kapelle noch drei Thore in der wohlerhaltenen
Ringmauer.

a) Pfarrkirche St. Maria Magdalena.

Von dem altehrwürdigen Baue des Mittelalters, den man
bei Merian a. a. O. S. 155 sieht und der wahrscheinlich eine
dreischiffige Hallenkirche mit Chorumgang war, während die
Westfront ein Oblongthurm mit Quergiebeln und Dachreiter
schmückte — ähnlich etwa wie Angermünde —, sind sehr
geringe Bruchstücke an der Westfront und am Chore erhalten.
Der oblonge Unterbau der Ersteren besteht aus Granitquadern;
darin liegt das vierfach abgestufte, gothische Plauptportal in
einer schwach vorspringenden, rechtwinklig abgesclmittenen
Wandfläche; in seinem Profile wechselt stets ein rechtwinkliger
Rücksprung mit einem Viertelkreise. Dieser verliältnifsmäfsige
Aufwand und die gute Technik erinnern an Prenzlau’s Marien-
kirche und gestatten die Vermuthung, dafs der Stiftüngsbau
auch hier aus Granitquadern errichtet war. Die jetzige drei-
schiffige, mit schwerer Holzdecke versehene Kirche ist eine
nüchterne phantasielose Schöpfung von 1743 — 48 und wnrde
1877 — 78 restaurirt.

b) Kapelle St. Georg.

Dieser unter den Kapellen gleichen Namens unverhältnifs-
mäfsig grofse Bau liegt innerhalb der Stadt in der Nähe des
Berliner Thores. Weil aber alle Georgs-Kapellen mit ihren
Hospitälern — nicht blofs in der Mark, sondern in den bal-
tischen Ländern — der Ansteckungs-Gefahr halber aufserhalb
der Ringmauern erbaut wurden, befremdet es sehr, liier ein
Georgs-Hospital in der Stadt zu finden. Es darf daher als
sicher angenommen werden, dafs das Kirchlein ursprünglich
St. Spiritus hiefs und wie in so vielen Städten mit dem Armen-
hofe der Stadt verbunden war, und dafs in einer späteren,
nachmittelalterlichen Zeit das draufsen belegene und wtist ge-
wordene St. Georgs - Plospital unter Aufhebung der Pflicht,
Leprakranke zu pflegen, in die Stadt verlegt und mit St. Spi-
ritus verschmolzen worden ist. Daher ist der alte Name jetzt
verschwunden.

Die Kapelle steht, genau wie in Berlin die Heilige Geist-
Kirche, mit ihrem Giebel dicht an der Strafse und ist eine
gewölbte, einschiffige Bauanlage, die aus zwei kreuzgewölbten
Jochen und einem Polygonchore, welcher in fünf Seiten des
Zehneckes schliefst, besteht. Vergl. Blatt CI Fig. 8 und 9.
Der Bau ist, wie aus den schwachen Langmauern ohne Strebe-

1) Bergliaus, Landbuch II, S. 281 schätzt ihn auf l 3/4 Quadratmeilen,
darunter ein Waldbesitz von 15 000 Morgen.

2) Biedel XIII, S. 170.

3) Fidicin a. a. O. S. 108 und Berghaus II, S. 281.

pfeiler hervorgelit, ursprünglich nicht gewölbt gewesen und war
vielleiclit wie in Berlin plattgesclilossen. Erst mit dem Anbau
des mit Strebepfeiiern versehenen Chores hat man auch das
SchifF überwölbt. Urn aber bis zum völligen Erhärten des
Mörtels die nöthige Standsicherheit zu gewinnen, hat man an
beiden Querrippen starke, auf noch vorhandenen Stützhaken
mit Oesen eingreifende Holzanker eingelegt, welche später be-
seitigt worden sind. Die beiden Strebepfeiler im Osten der
Langmauern steigen schlank auf, während clie des Chorpolygons
einmal absetzen, indem sie sich oben nach drei Seiten ver-
jüngen. Die Chorfenster waren früher eintheilig, jetzt liat die
Restauration von 1866, welche thörichter Weise aucli die alten
schlichten Gewölbekonsolen aus Ziegeln durch reiche Stuck-
konsolen ersetzte, zweitheiliges liochelegantes Stab- und Mafs-
werk eingesetzt, welches sich dreitheilig auch an der Facade
wiedei'holt. I rerner hat man die alten Birnenrqipen und die
alten schlicliten Kappen so sorgfältig neu überputzt, dafs beider
Kunstcharakter schwer gelitten hat. Aucli das Kranzgesims
wurde erneut und, wie es scheint, gleichfalls verbessert. Er-
halten sind nur die Profile der Westfront und die des Chores.
Die alte Westfront ist aus Sparsamkeit durchweg mit gewöhn-
lichen Ziegeln gegliedei't worden; nur das gröfsere Mittelfenster
macht eine Ausnahme, indem es die gleichen Einfassungen wie
die Choi’fenster besitzt.

Das Hauptportal ist drei Mal rechteckig gestuft und mit
dunkel gefritteten, nicht glasirten Mundsteinen in wechselnden
Scliichten selir zart gefäi'bt worden.

Steinformat: 1. am Chore lOVi — V2, 4 3A und 3Vä Zoll;
2. an der Westfront lOVi, 4 3/4 und 3 3/s Zoll.

c) Das Berliner Thor.

Dieses im Westen der Stadt belegene und auf Blatt CI
Fig. 1 und 2 sowie 5, 6 und 7 dargestellte P'hor besteht jetzt
nur noch aus einem die Ringmauer unterbreclienden hohen
Oblongthurme, dessen kürzere Frontseiten in den obersten Ge-
schossen mit steilen Giebehi abschliefsen, welclie mit Fialen
1111 d Blenden geschmückt sind. An der Stadtseite — vergl.
den Aufrifs Fig. 1 und die Grundrisse Fig. 6 und 7 — liegt
unten die schmale Pforte zur Thurmtreppe, welche im ersten
Stocke sclion endigt, denn zu den obersten drei Geschossen

fülirten Leitergänge. An der Feldseite springt eine hohe Spitz-
bogennische vor, welche die Wehrfähigkeit der Aufsenfront
durch ein in Sclilitzen laufendes Fallgatter, sowie durch eineii
Gufskanal und zinnenbesetzten Wehrgang wesentlich erliöhte. x)

1) Dieselbe ebenso zweckmäfsige wie architektonisck wirkungsvolle Anord-
nung besitzt auch das Driesener Thor zu Friedeberg i. N., welches auf Blatt OXIX
mitgetheilt worden ist.
 
Annotationen