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Uebrige ist aus Backsteinen erbaut, und zvvar nacb einem
Plane und aus einem Gusse, wuchtig und gedrungen, aber
phantasielos wegen des eintönig wiederkehrenden Motives von
spitzbogigen Blenden, welches an drei Seiten nur in den
Mittelachsen durch gepaarte und gemeinsam umrahmte, auch
tiefprofilirte Spitzbogenfenster ein wenig stärker belebt wird.
Dieses letztere Motiv ist schliefslich in reichlicher Fülle zur
Ausgestaltung des obersten Geschosses mit vielen Schallöff-
nungen an allen vier Seiten benutzt worden. Ein liohes Zelt-
dach bildet den Abschlufs. Der Westtliurm, welcher mit
seiner geschlossenen Umrifslinie weithin sichtbar in die Ferne
wirkt, ist der mächtigste Thurm in der Neumark und über-
triffit den des Domes von Soldin. Die schmalen Staffelgiebel
vor den Seitenschiffen, sowie die schlanken Treppenthürme
sind moderne Zuthaten.

Steinformat: 1. am Chore 10V2, 5Vs und 3 3A Zoll;
2. an der Nordseite IIV2, 5V2 und 3 3/i Zoll; 3. am Thurrne
11, 4 3A und 3V2 Zoll.

Obschon es an baugeschichtlichen Nächrichten beinahe
vollständig fehlt, so kann der ebenso einheitlich geplante wie
mit bewufster Strenge durchgeführte Bau nach allen seinen
konstruktiven wie formalen Einzelheiten nur in die erste
Hälfte des XIY. Jahrhunderts gestellt werden. An seine
Vollendung dürfte sich die oben erwähnte Stiftung des St. Ja-
kobus-Altares 1350 angeschlossen haben.

Nach dem Prospekte bei Merian a. a. O. S. 20 besafs
der Thurm 1652 ein hohes Satteldach mit Wahnen nach
Osten und Westen, kleine Erker erhoben sich an der Nord-
und Südseite, während ein schlanker gothischer Dachreiter
den First bekrönte. Der sechzig Jahre später von Petzold ge-
zeichnete Prospekt zeigt clieselbe Dachbildung wie bei Merian,
doch ist der Dachreiter durch einen anderen, mit welscher
Haube gekrönten ersetzt worden, den man nach dem Brande
von 1687 aufgesetzt, hatte.

Eingmauer und Thore.

Die mit Wall und Graben umgebene und mit vielen
Weichhäusern und einigen Thürmen verstärkte, unten aus
Feldsteinen, oben aus Ziegeln erbaute Ringmauer ist noch im
Wesentlichen erhalten. Dagegen fehlen die drei Thore mit
Ausnahme eines interessanten Bruchstückes ganz. Wie aus
Merian’s und Petzold’s Prospekten hervorgeht, besafsen das
Mühlenthor und das Steinthor Vorthore. Das architektonisch
werthvollste Thor war das Erstere, doch hat man es 1838
leider abgebrochen. Bald da-rauf fiel auch das Steinthor, doch
stelit von seinem Voi'thore der stadtseitig linksstehende Thurm, l)
der einen gedeckten Wehrgang mit fiaclibogigen Fenstern be-
sitzt und mit geputzten Horizontalblenden, Sägeschichten und
Zickzackstreifen von schwarz glasirten Steinen geschmückt ist.

Dieser Baurest entstammt vermuthlich der zweiten Hälfte
des XV. Jahrhunderts.

Steinformat: 10, 5 und 3V-i Zoll.

F. Die Stadt Friedeberg.

Historisches. 2)

Nachdem Markgraf Johann I. 1257 an der Warthe
Landsberg und bald darauf auch Arnswalde, Königsberg und
Bärwalde als deutsche Städte gegründet hatte, folgte ihm sein
Sohn Conrad, welcher durch seine Heirath mit cler pol-
nischen Herzogstochter Konstanza in den Besitz der östlich

1) Schuubild bei Bergau S. 141.

2) Treu, Geschichte der Stadt Friedeberg. 1865. Prospekt bei Merian
S. 53, ein anderer bei Petzold.

von Driesen belegenen Landschaften gekommen war, auf älin-
licliem Wege fortschreitend nach, indem er zur stärkeren
Sicherung die Burg Strzelcze um 1270 erbaute. Sie stand
nur wenige Jahre, weil Conrad’s Schwager Przemislav sie
1272 zerstörte und die ganze Gegend verwüstete. Dennoeli
ist die deutsche Saat nicht untergegangen, denn vierzehn
Jalire später — 1286 — wird die an gleicher Stelle stehende
deutsche Stadt Friedeberg urkundlich genannt. 1) Sie ist daher
in der Zwischenzeit mit Hilfe deutscher Ansiedler gegründet
worden und besafs bereits eine Pfarrkirche Maria. Auch mufs
die Stadt trotz der fortgesetzten Fehden und Kriege bald so
weit gediehen sein, dafs sie eine sichere Umwehrung mit
Mauern und Thoren vornehmen konnte. Dies geht aus der
Thatsache hervor, dafs 1290 die Augustiner-Eremiten sicli
hier niederliefsen, was ohne eine gewisse Volksmenge und
olme sicheren Schutz • sch werlich geschehen wäre. 2) Bald darauf
wird auch das aufserhalb der Mauern belegene Leprosenliaus
St. Geoi'g nebst Kapelle entstanden sein. Der furclitbare Ver-
wüstungszug der Polen und Lithauer, welcher die Neumark
1326 traf und Hunderte von Dörfern vernichtete, liat die
Stadt nicht berührt, dagegen wurde das Patronatsrecht über
ilire Pfarrkirche seitens des Markgrafen Ludwig 1335 an das
Domstift Soldin übertragen. 3) In den Jaliren 1348, 1361
und 1372 werden Altarstiftungen genannt. 4) Bald aber nahte
das Verderben. Ein Menschenalter nach dem Beginn der
Herrschaft des Deutsclien Ritterordens wurde die Stadt von
den Plussiten belagert, erstürmt und wie das benachbarte
Woldenberg zum grofsen Theile niedergebrannt, so dafs der
Hochmeister wegen des Wiederaufbaues eine fünfjährige Ab-
gabenfreiheit bewilligen mufste. 6) An jene Zerstörung hat sich
für die Pfarrkirche ein umfangreicher und einschneidender
Umbau angesclilossen. Bessere Zeiten kelirten erst mit der
Besitzergreifung der Neumark durch den Kurfürsten Fried-
rich II. wieder, obsclion die Fehden des Raubadels nicht auf-
hörten. Die Reformation fand schon 1530 hier Eingang.

Nachdem die 1642 abgebrannte St. Gertruds-Kapelle 1650
erneuert worden war, ist von den späteren Bränden der des
Jahres 1684 am verderblichsten gewesen, weil von der Pfarr-
kirche mit ihrem Thurme nur die Umfassungswände und die
Pfeiler mit den Gewölben stehen blieben. 5) Seit 1711 be-
gannen die Abbrüche einzelner Bautheile an der Befestigung,
zunächst am Landsberger Thore — Obertheil —, dann 1726
an den Weichhäusern, 1753 auch an der Kirche (Kalands-

Kapelle). Noch in jüngster Zeit ist das Landsberger Thor _

gleich nach 1866 — gefallen, so dafs der Baubestand aus
dem Mittelalter sicli auf die Pfarrkirche — die Klosterkirche
ist bis auf geringe Reste völlig verschwunden —, auf die stark
abgetragene Ringmauer, das Driesener Thor und einen Mauer-
tliurm, den Fangthurm, beschränkt.

Pfarrkirche St. Maria.

Zu den obigen historischen Nachrichten ist für die Kirche
nur noch zusätzlich zu bemerken, dafs sie 1756 und 1858
bis 1861 restaurirt worden ist und ihre jetzige kuppelförmige
Thurmspitze 1793 — 94 erhalten hat. Wie Blatt CXVIII
Fig. 1 lehrt, ist sie eine eigenartige dreischiffige mittelgrofse
Hallenkirche mit sclrwach vortretendem, plattgeschlossenem
Chore und einem derben Quadratthurme im Westen. Der

1) Eiedel XIX, S. 443 ff. Friedeberg ist in der Stiftungs-Urkunde des
Klosters Marienwalde der Ausstellungsort für die Seitens der Brandenburger Mark-
grafen an das Kloster Kolbatz gemachten Schenkungen.

2) Gleichzeitig, wie in Friedeberg, siedelt derselbe Orden auch in Königs-
berg sich an. Bestätigung des Letzteren bei Eiedel XIX, 175.

3) Eiedel XVIII, 450 und 451.

4) Eiedel XVIII, 288, 302 und 308.

5) Treu a. a. O. 115 ff. nebst den Noten 56 — 66.

6) Treu a. a. O. S. 245 und 273.
 
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