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Chor und das Langhaus entbeliren auffallender Weise aller
Strebepfeiler, bilden aber im Innereu eine eng yerbundene Ein-
heit von sechs mit reichen Sterngewölben überdeckten Jochen;
nur an der Nordostecke ist eine kleine zweijochige, kreuz-
geAVÖlbte Sakristei abgeschnitten. Derbe Acliteckspfeiler tragen
die einfach abgestuften Arkaden und die Sterngewölbe; leider
liat man bei der letzten Wiederherstellung vor etwa 40 Jahren
ihre ursprünglichen Kämpfer durch moderne geputzte Gesimse
ersetzt und die Basen abgeschlagen. Yergl. Fig. 3, Sjstem des
Inneren. Auch hat man die Fenster einerseits durcli Yerbrei-
terung und Yerkürzung, andererseits durcli Hinzufügung ge-
paarter Unterfenster so einschneidend verändert, dafs der alt-
ehrwürdige Kunstcharakter auch hier verloren gegangen ist.

Der ganze Bau ruht auf einer Plinthe von gespaltenen
Feldsteinen in bester Technik. Der stattliche Westthurm ist
sogar 20 Schichten hoch aus kubischen- Granitquadern lier-
gestellt worden, darüber folgt Backsteinbau. Der erste Stock
besitzt ein dreitheiliges Fenster in der Mitte und zwei breite
Spitzblenden an den Seiten. Im zweiten Stocke füllt jeder-
seits die Mitte eine Fenstergruppe von zwei schmalen Lanzett-
fenstern, die ein dreifach abgestufter Spitzbogen umschliefst,
während breite Spitzblendenpaare zur Seite stehen. Vergl.
Fig. 5. Die Ostseite des darauf folgenden Geschosses, mit
hohen Kundbogenblenden an jeder Seite und sehr schmalen
Klangöffnungen ausgestattet, läfst Fig. 4 erkennen. Die kuppel-
artig geformte Spitze, ein höchst nüchternes Macliwerk vom
Ende des vorigen Jahrhunderts, bildet den Absclilufs.

Aus der analytischen Untersuchung ergiebt sicli unschwer
die wichtige Tliatsache, dafs die alte Pfarrkirclie in allen
wesentliclien Theilen noch erhalten ist. Sie war nach einheit-
lichem Plane in Basilikaform aus Backsteinen erbaut worden,
nur zum Unterbaue des Thurmes und der ganzen Plinthe
hatte man Granit verwandt. Weil diese alte Ivirche in
keinem Bautheile gewölbt war, sondern Holzdecken besafs,
fehlen ihr die Strebepfeiler. Erst in späterer Zeit, vermuth-
lich sehr bald nach der Verwüstung und Plünderung der
Stadt durch die Hussiten, also um 1440, wurde die Basilika
zur Hallenkirche umgebaut und gleichzeitig gewölbt, ohne dafs
man es für nöthig erachtet hätte, Strebepfeiler hinzuzufügen.
Die Figuren 2, 3 und 4 lassen den vorgenommenen Umbau
erlcennen. An der Ostfront Fig. 5 sieht man deutlich die
Spuren der einst oben mit schlichten Blenden und unten
mit langen Spitzbogenfenstern ausgestatteten Abschlüsse der
sehmalen Seitenschiffe. Ebenso deutlich veranschaulicht Fig. 3
das äufsere System der alten Obermauer mit den gruppirten
und von einem Spitzbogen gemeinsam umrahmten Basilika-
Oberfenstern nebst den zwischen ihnen angeordneten früh-
gotliischen Spitzbogenblenden. Leider fehlt das Kranzgesims,
aber der aus kleinen Kreuzblenden liergestellte Fries ist

den Fenstern die Ein-
klinkungen für das Dach
mit seinem Gespärre. Am
Besten erhalten ist der
hohe Ostgiebel Fig. 2
mit seiner höchst origi-
nellen, wesentlich auf der
Verwerthung von kleinen
wie grofsen Kreuzblen-
den beruhenden Giebel-
dekoration und seinem
hohen dreitheiligen, aus
zwei Mafswerkssystemen
zusammengesetzten Chor-
leider verloren gegangen
und in sehr roher Weise durch plunrpe Abtreppiuigen ersetzt
worden, dagegen scheinen Reste des ursprünglichen Mafswerlces
als Vorbilder für das jetzige verwerthet Avorden zu sein. Wie

sehr alle Hauptbautheile zeitlich eng zusammenhängen, mag
schliefslich das Profil des Hauptportals im vorstehenden Holz-
schnitte veranscliaulichen.

Steinformat: 1. am Cliore 11 Va, ß'V und 3V2 Zoll;
2. an der Nordseite HV4, 0V2 und 3 V2 Zoll; 3. am Thurme
11, 4 3/d und 3 V* Zoll. .

Dem letzten Restaurationsbaue von 1858 — 61, welcher
die alte schlichte Erscheinung des Inneren empfindlich ge-
schädigt liat, entstammen die beiden Treppenthürme neben
dem Westthurme, sowie die Emporen, die kleinen Unter-
fenster, die Vorhallen auf der Nord- und Südseite und die
Stab- und Mafswerke.

Das Driesener Thor. 1 *)

Dieses früher „Mühlenthor“ genannte Tlior bestand, wie
der Stadtprospekt bei Petzold erkennen läfst, aus einem ob-
longen Vorthore, quergestellt und zwei Stockwerke hocli, unten
mit zwei rundbogigen Pforten versehen und oben sattelförmig
bedacht, dem mit langen Seitenmauern eingefafsten Zwinger
und dem Innenthore, welches thurmartig sicli stolz erhob.
Nur das Letztere ist noch vorhanden und auf Blatt CXIX
Fig. 1 — 5 dargestellt worden. Ein Oblongthurm von 24 Fufs
Breite zu 22 V2 Fufs Tiefe ist nach der Feldseite hin durch
einen schmaleren Nischenbau erweitert worden, um die Front-
vertheidigung durch einen oberen gedeckten Wehrgang, Gufs-
öffnungen und Fallgatter zu verstärken. Vergl. Fig. 4 und 5.
Die zum ersten Stockwerke führende massive Treppe liegt
im linken Tliorpfeiler; iiber der mit einer Quertonne über-
deckten Durchfahrt erheben sich nocli zwei Thurmgeschosse
und das Dachgeschofs, welches den Austritt zum Wehrgange
verstattet. Vergl. den Längenschnitt Fig. 5. Die Stadtseite
ist als ein Bedürfnifsbau sehr einfach gegliedert, Unten be-
findet sich links die spitzbogige Durchfahrt, rechts die flach-
bogige Treppenpforte, darüber erheben sicli die Mauern der
beiden Stockwerke, einheitlich zusammengefafst durch fünf
lange Flachbogenblenden, während der Dachgiebel mit sieben
lialben oder ganzen Spitzblenden geschmückt ist. Reizvoller
ist, wie Fig. 4 lehrt, die Feldseite gestaltet, sowohl durch die
imposante Nische, als auch durch den hinteren, theilweise
durchbroclienen, mit Fialen und Ziergiebeln gegliederten Giebel,
gegen welchen -sicli das Pultdach über dem Wehrgange legte.
Der Letztere besafs sclion flachbogig überdeckte Scharten.
Auch ist die Verankerung der liohen Thornische durcli einen
Balkenanker mit Eisensplinten bemerkenswerth; den im Ober-
geschosse einst vorhanden gewesenen, nach Norden vorgekrag-
ten Abtritt liat man abgebrochen. Pforten oder Austritte
nach der Ringmauer waren nie vorhanden. Der Unterbau
bewahrt die Reste des älteren Feldsteinthores, das an der-
selben Stelle stand. Die Höhe und Schichtung der Ring-
mauer zeigt Fig. 4.

Steinformate: 9V2, 4 SA und 3V* Zoll.

Der Fangthurm.

Unter den zahlreichen Weichhäusern der Ringmauer,
welche wie diese selbst aus Feldsteinen, in Schichten ge-
ordnet, erbaut worden sind, hat sich auch ein oblonger
Thurm gleicher Bauweise befunden, der wahrscheinlich von
Anfang an als Gefängnifs gedient hat und daher seinen
Namen trägt. Er fehlt weder in den Prospekten bei Merian
noch bei Petzold und heifst schon bei beiden: Fangthurm.
Er ist auf Blatt CXIX Fig. 6 —11 zur Darstellung gelangt.

1) I)er Güte des Herrn Kreis-Bauinspektor Scherler in Friedeberg i. N.

verdanke ich die Aufnalime des Driesener Thores und des Fangthurmes.

ebenso noch vorhanden wie unter

fenster. Die alten Fialenriesen sind
 
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