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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 1.1883

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Nr. 5
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Gedanken über Kirchenrestauration, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15859#0041

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Archiv für christliche Kunst.

Organ des Rottenburger Diözesan-Oereins für christliche Kunst.

^erausgegeben und redigirt von Dr. Fr. I. Schwarz in Lllwangen.

Verlag des Rottenburger Diözefan-Runftvereins, für denselben: der Vorstand Dr. Fr. I. Schwarz.

Erscheint monatlich einmal. Halbjährlich für 1 M. 35 Pf. durch die württein- OO

belgischen, für 1 M. 50 Pf. durch die bayerischen und die Reichspost-Anstaltcn,

* für 1 M. 20 Pf. im Stuttgarter Bestcllbczirk zu beziehen. V*

Gedanken über Kirchenrestauration.

I.

Der Bau einer neuen oder der stylein-
heitliche Ausbau einer von den Vorfahren
unvollendet zurückgelassenen Kirche ist be-
züglich der dabei zu beachtenden Grundsätze
eine verhältnißmäßig leichte Sache. Wenn
man einmal über den Styl schlüssig ge-
worden iftr so kann die glückliche Erreichung
der angestrebten Ziele ernstlichen Hinder-
nissen kaum mehr begegnen, wenn man die
rechten Männer dazu wählt. Die für uns
in Frage kommenden kirchlichen Baustyle
sind in ihrer Konstruktion und in ihren
Formen allmählig dock so durchforscht und
wiedergekannt, daß mit einer allgemeinen
Unwissenheit gemachte Fehler nicht mehr
entschuldigt werden können, handle es sich
um den romanischen, gothischen oder —
um weit zu gehen — um den edleren Re-
naissance-Styl.

Ganz anders liegt die Sache bei Re-
staurationen, mögen sie sich auf den gan-
zen Bau oder nur aus einzelne Theile er-
strecken, es wäre denn, daß die Kircke einen
edlen kirchlichen Styl von Anfang an hatte
und ihn durch Jahrhunderte unvermischt
und ohne Zuthaten anderer Stylarten be-
wahrte. Aber das eben trifft in den we-
nigsten Fällen zu. Man begegnet allen
möglichen Stylmischungen, je nachdem die
veränderten oder wechselnden Bedürfnisse
der Jahrhunderte, oder der Glanbenseifer
und die Liebe zum Hause Gottes eine Ver-
größerung oder Verschönerung verlangte.
Unsere Zeit ist eklektisch; sie baut roma-
nisch, wenigstens versuchsweise, sie baut
gothisch, im Styl der Renaissance und des
Rococo, sie baut auch styllos; aber die
alten Zeiten und Nationen hatten Styl,
jede den ihrigen; man kann die Baugeschichte
nach ihnen in Perioden theilen. Daher
hat jede auch nur in ihrem Styl gebaut.
Romanische Kirchen, in den Perioden der

Gothik, der Renaissance und des Zopfs
fortgeführt oder restaurirt, tragen Spuren
aller dieser Style, viele gothische Bauten
haben Zuthaten aus den nach der Gothik
zur Herrschaft gekommenen Stylarten, und
so fort. Bald hat die Noch zur Vergröße-
rung oder theilweisen Umbildung der Kirche
gezwungen, bald ist bloß die neue Ge-
schmacksrichtung der alten, verblichenen
Zier überdrüssig geworden, hat sie mit
einer neuen ersetzt, die alte unter ihr be-
graben oder sie ganz weggeworfen. Oft
haben veränderte liturgische Einrichtungen
Neuerungen verursacht, oder es ist die Be-
stiinmung der Kirche eine andere geworden:
kurz, neben der unbegründeten Willkür-
Hat ebenso der Zwang äußerer Umstände
die Umbildung, oder wenn man will, die
Verunstaltung verschuldet.

Unter solchen Umständen scheint die Auf-
stellung allgemein giltiger, für jeden ein-
zelnen Fall passender Regeln der Restau-
ration eine Unmöglichkeit zu sein. Und
wenn auch nicht, so scheint uns das wenig-
stens gewiß zu sein, daß man mit einigen
summarischen Gesetzen Fehlgriffe nicht ver-
hindert, sondern sie vielleicht erst recht ver-
anlaßt. Solche summarischen Grundsätze
sind: der romanische und gothische Styl
sind die kirchlich allein zulässigen; — es
muß styleinheitlich restaurirt werden, ro-
manische Kirchen romanisch, frühgothische
frühgothisch u. s. f.; — stylwidrige Zu-
thaten sind durch stylgemäße zu ersetzen
und dergleichen. Prinzipien dieser Art
lassen sich in vielen Fällen anwenden; wer
in der glücklichen Lage ist, nur solche zu
behandeln, kommt in große Versuchung,
sie überall und allgemein für wahr und
anwendbar zu halten, als solche zu ver-
theidigen, Zuwiderhandelnde hart zu tadeln.
Am Schreibtisch der Kunstschriftsteller vol-
lends läßt sich dieser Standpunkt leicht zu
einer konsequenten puristischen Schule aus-
bilden. Aber ebenso wahr bleibt es, daß
 
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