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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 1.1883

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Nr. 6
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Gedanken über Kirchenrestauration, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15859#0051

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43

malig solche Anschauungen heranreifen.
Wenn noch der gute oder wenigstens be-
friedigende Erfolg der Gesammtwirkung
einer derart restaurirten Kirche mehr oder
weniger Beifall spendet, so darf derselbe
wohl als eine thatsächliche Approbation der
Prinzipien gelten, von denen man ausge-
gangen ist. Das Bessere darf auch da nicht
des Guten Feind sein. Ueberdies wissen
wir, daß wir mit diesen Ansichten nicht
allein stehen. Wird uns doch aus einer
Diözese gemeldet, daß deren Restaurations-
thätigkeit sich vor Allem aus Renovation
von Altären der letzten Jahrhunderte zu
erstrecken habe, und daß die Hand davon
zurückzuziehen so viel wäre, als auf die
Hauptarbeit Verzicht zu leisten oder sie
schlimmem Einfluß zu überlassen. Indes-
sen mit der Aufstellung allgemeiner Grund-
sätze ist noch nicht viel erreicht. Mit
restanrationsbedürftigen Kirchen verhält es
sich, wie mit Kranken; jede will und muß
individuell behandelt sein. Vor Allem ge-
hört dazu eine genaue Kenntniß der Krank-
heitsgeschichte, oder, ohne Bild zu sprechen,
es ist nöthig, festzustellen, was sie ursprüng-
lich war und was später hinzugefügt, wann
und wie, und warum es hinzugekommen ist,
ob mit oder ohne Bedürfniß, aus Willkür
und Laune schlechten Geschmacks. Dazu
gehört eine gewisse, durch Uebung wie durch
allgemeines Studium gewonnene Kenntniß
und Vorbildung. Ja sogar die Frage nach
der ursprünglichen und jetzigen Bestimmung
der Kirche ist in manchen Fällen nicht über-
flüssig; denn manche hat z?B. ehemals als
Klosterkirche gedient, ist jetzt Pfarrkirche
geworden und kann manche, nur ihrer
früheren Bestimmung entsprechende, jetzt
aber lästige Einrichtung entbehren.

Sehr oft erheben sich dieselben Fragen
bei jeden: einzelnen Theike des Einbaues,
weil jeder eine Geschichte von Veränderun-
gen durchgemacht haben kann. Auch ist
nicht selten die Stiftung z. B. einer spä-
teren Seitenkapelle, eines Altars u. drgl.
an ein geschichtliches Ereigniß oder an die
Einführung einer neuen besonder:: Andacht,
an die Kanonisation eines Heiligen, an eine
besondere Wohlthat Gottes, Errettung von
Gefahren des Kriegs oder mörderischen
Krankheiten, sogar an die Geschichte einer
einzelnen Familie geknüpft; oder es sind
gestiftete Bilder von Holz oder Metall,

Reliquienschreine u. drgl. vorhanden, ans
welche die Andacht des Volkes den größten
Werth legt und deren Entfernung das
christliche Gefühl verletzen würde. Es
sind das zwar oft Dinge, welche die glück-
liche Lösung einer Restaurationsfrage sehr
erschweren, über die man aber niemals
pietätlos hinweggehen oder sie einfach aus
dem Wege räumen darf. Ein ganz heikler
Fall tritt dann ein, wenn die Rechte des
Gottesdienstes und der Gläubigen auf eine
würdige Kirche mit den Forderungen der
Kunstarchäologie in Konflikt gerathen. Da
wird z. B. in einer Kirche oder Kapelle eine
Reihe von alten Wandgemälden entdeckt und
mit vieler Mühe und Vorsicht von der
späteren Uebertünchung befreit, freilich nur
in einem sehr defekten Zustand, die Figuren
theilweise zerstört, die Farben erloschen,
der Bildercyklus nicht mehr erkennbar, sein
Zusammenhang unterbrochen, ohne orga-
nische Verbindung mit der Architektur, einer
-—• wir sagen nicht Uebermalung, denn das
wäre ohnehin ihr Grab, sondern einer
glücklichen, wahren Restauration mit Er-
haltung ihres archäologischen Werthes gar
nicht oder kaum mehr fähig. Das archäo-
logische Interesse fordert ihre Erhaltung,
so wie sie sind, die Kirchenrestauration
schließt sie aus; denn das gottesdienstliche
Lokal ist kein Museum für Alterthümer,
um sie in diesen: Zustand lassen zu können,
und werden sie, wenn auch möglichst in:
Geiste des alten Meisters, restaurirt, be-
ziehungsweise übermalt, so ist ihr archäo-
logischer Werth dahin. Ferner: den Fall
gesetzt, die erhaltenen Ueberreste werden
restaurirt, was hat dann n:it den übrigen
kahlen, unbemalten Wandflächen zu ge-
schehen? Das sind lauter Frage::, die aus
dem Leben gegriffen sind und die sich noch
oft wiederholen, wie jetzt wieder in der von
uns in Nro. 4 des Archivs besprochenen
Kapelle zu Bronnen und kürzlich in der
Gottesackerkirche in Schelklingen, der
Georgskapelle in Friedrichshafen ::. a. Es
sind Fragen, auf welche mitunter — man-
cher würde sagen, nur zu oft — eine sehr-
verwunderliche thatsächliche Antwort erfolgt.
So haben wir jüngst eine romanische Kirche
besichtigt, in deren Chor Reste alter Wand-
malereien entdeckt worden waren. Die Dar-
stellungen im Tonnengewölbe sind erhalten
geblieben, in: Scheitel: Christus die Kelter
 
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