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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 1.1883

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Nr. 12
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Tabernakel und Tabernakelaltar nochmals
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https://doi.org/10.11588/diglit.15859#0103

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nur in Rom beim 40stündigeu Gebete, sondern
auch an anderen Orten und bei allen Aussetzun-
gen zur Anwendung kommen müssen, wie solches
auch die Rituscongregation bei ihren Entschei-
dungen festhält (Mühlb. I. S. 532); nebensäch-
liche Bestimmungen aber werden wenigstens zn
einer den Umständen entsprechenden Nachachtnng
empfohlen (Mühlb. I. S. 716; Maier S. 251).
Zn den Bestimmungen, welche überall und bei
jeder öffentlichen Aussetzung der Monstranz zn
beachten sind, gehört ohne Zweifel die, daß ans
dem Altäre in erhöhter Stellung ein Thronns
vorhanden sein müsse. Die lost. Clem. hat hie-
bei, wohl erwiesenermaßen, eine Stelle im Auge,
welche über dem Tabernakel liegt. Wir wollen
nun nicht behaupten, daß auch dieser letztere
Punkt der lustr. dem. seiner Natur nach zn
denjenigen gehöre, welchen eine allgemein ver-
pflichtende Kraft an und für sich zweifellos
znkomme. Jedoch sagt er uns, wo die Kirche
sich den so oft erwähnten Thronns denke. Die
römische Praxis weiset dem Thronns allgemein
diese Stellung an. „Nach römischer Sitte . . . .
ist häufig nur ein bewegliches Zelt mit Baldachin
über dem Tabernakel aufgeschlagen." (Schmid
S. 413.) Wenn wir uns dieser Praxis anschließen,
so handeln wir gewiß an: sichersten in: Sinne
der Kirche.

Wird eine anderweitige Praxis vorgeschlagen,
so muß sie dem Buchstaben und Geiste der be-
stimmt ausgesprochenen kirchlichen Vorschriften
genügen und sich ästhetisch wie praktisch empfeh-
len. Das „Pastoralblatt für die Diözese Rotten-
burg" schlägt eine Console vor der Tabernakel-
thüre und darüber einen (wohl fixen, hölzernen)
Baldachin als Thronns vor. Damit giengen
alle Vorzüge der expositio solemnis und solem-
nissima vor der expositio privata verloren: sowohl
der situs eminentior, als auch der Vorzug der
Ausstattung, vorausgesetzt, daß der Tabernakel
die vorgeschriebene Verzierung mittelst Seiden-
stoffs hat. Oder denkt man daran, vor den Ta-
bernakelthiirchen einen amovibleu Thronns anzn-
bringen? Das würde wegen des beschränkten
Raumes eine kleinliche, und tvegen der sicheren
Befestigung eine umständliche Sache werden.
Zudem könnte ein solcher Thronns keine organisch
abgeschlossene und daher ästhetisch befriedigende
Konstruktion erhalten, weil die hinter ihm befind-
lichen Tabernakelthüren durch den Thronns hin-
durch ans- und zuznmachen wären. — Es wurde
auch schon vorgeschlagen, bei Aussetzung der
Monstranz die Tabernakelthürchen mit anbetenden
Engeln offen stehen zu lassen, den Tabernakel

aber mit einem Vorhang zu verhüllen, welcher
dann den Hintergrund für die ausgesetzte Mon-
stranz bilden würde. Aber dieses Verhülltsein
und doch Offenstehen des verschlossen sein sollen-
den Tabernakels und ein solches Arangement
statt eines Thronns kann weder liturgisch, noch
logisch und ästhetisch befriedigen und würde sich
auch in der Praxis (man denke nur an die hohe
Lage der Vorhangstange) unangenehm zeigen. —
Wenn man der ausgesetzten Monstranz ihre
Stelle vor der Tabernakelthür anweist, dann
wird immer die expositio publica, solemnissima
wie minus solemnis, der Monstranz sich viel
weniger schön und feierlich gestalten, als die
exposiiio privata der Pyxis, — gewiß das gerade
Gegentheil nach der Intention der Kirche. So
sagt auch Schmid (cfr. Altar S. 410 f.): „Will
man das Allerheiligste in der Monstranz vor
der geschlossenen oder geöffneten (und mit einem
Vorhänge verhüllten) Tabernakelnische anssetzen,
so erfährt der „Herr des Altares" in der offenen
Monstranz thatsächlich weniger Ehre, als im
verhüllten Ciborinm; denn als Schemel seiner
Füße hat er eine Thürschwelle oder gar eine
angeklebte Console und als Baldachin seines
Thrones erhält er im günstigsten Falle die Bo-
genlaibnngen einer Thür, und er selbst muß sich
in der Regel mit dem Platze begnügen, welchen
sonst das ganze Jahr über sein Bild am Kreuze
einnimmt." — Noch müssen wir auf die prak-
tischen Folgen des in Rede stehenden Vorschlages
Hinweisen. Um für den Thronns in etwa einen
»locus eminentior« zu gewinnen, tvird der Ta-
bernakel zientlich hoch anznlegen sein, was ja
auch an sich in der Intention des Vorschlages
liegt. Weil sodann der Fuß der Monstranz einer
ziemlich breiten Basis bedarf, .wird der Jnnen-
raum des Tabernakels weiter in die Tiefe ge-
rückt werden. Das Ciborinm, und noch mehr
die kleine Pyxis und die Custodia, werden schwer
zn erreichen sein, und auch ein Priester von
mittlerer Größe wird zu jeder der vielen Funktio-
nen, bei denen er die Pyxis (und eventuell die
Custodia) braucht, eines Schemels bedürfen. Der
Bequemlichkeit halber wird alsbald oder gleich
von Anfang an eine Unternische angebracht und
darin wenigstens das eine oder andere heilige
Gefäß aufbewahrt werden, wo dann das Aller-
heiligste hinter der Kanontafel wirklich „versteckt
und damit deshonorirt" wird. — Während wir
diese Zeilen schreiben, wird uns mitgetheilt, daß
bei einem in der hier besprochenen Weise recht
schön konstruirten Tabernakel zu D. buchstäblich
alle eben dargelegten Mißstände herrschen: die
 
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