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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 1.1883

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Nr. 12
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Schwarz, Franz Joseph: Einige Regeln für Prüfung von Altar-Entwürfen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15859#0105

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— 97

chivs" am wenigsten erwartet werden sollten;
und wir wissen, daß derjenige, von welchem
der Entwurf stammt, zu den Lesern des
„Archivs" gehört. Weil wir seinen Namen
nicht nennen, so können wir uns wohl er-
lauben, unserm Schmerz, sagen wir lieber
unserer Entrüstung, darüber Ausdruck zu
geben, daß selbst jetzt noch, nachdem die
kirchlichen Bestimmungen über den Altar-
bau iit diesen Blättern fast bis zum Ueber-
drnß der Leser behandelt, auch in künst-
lerischer und praktischer Beziehung alle wich-
tigen Gesichtspunkte dargelegt worden sind,
Altar-Zeichnungen gemacht werden, welche
eine vollständige Unkenntnis; oder gar ab-
sichtliche Vernachlässigung aller Regeln vor-
aussetzen. Solche Vorkommnisse sind jetzt
nicht mehr entschuldbar. Das „Archiv"
wird daher, soweit ihm von solchen Fällen
Kenntniß zukommt, öffentlichen Tadel und
Warnung nicht scheuen, um dem Unwesen
zu steuern. Wir fürchten nicht, damit eine
Ungerechtigkeit zu begehen, weil es Pflicht
jeden Altarbauers ist, sich mit den Gesetzen
bekannt zu machen, nach welchen die Produkte
seines Kunsthandwerkes gebildet sein müssen.

Aber auch die Besteller müssen in erster
Linie auf der Hut sein, daß ihnen nicht
ein Entwurf geboten wird, welcher ent-
weder wesentliche Fehler gar nicht erkennen
läßt oder unter gleißenden Farben und
Formen verbirgt, oder gar eine Prüfung
auf deren Vorhandensein von vornherein
unmöglich macht. Ihnen zu Nutz und
Fronunen wollen wir die hauptsächlichsten
Fehler des Eingangs genannten Altar-Ent-
wurss nennen und daran Regeln für die
Prüfung anknüpfen.

1. Der erste Mangel bestand darin, daß
dem Aufriß weder der Grundriß, noch die
Seitenansicht des Altars beigegeben war.
Damit ist jede Prüfung aus sehr wesent-
liche Eigenschaften des Altars ausgeschlossen.
Dem Besteller oder dessen Vertrauensmann
ist es nämlich unmöglich, zu erkennen, ob
der Altarstein im Ganzen sowohl, als auch
in dem zum hl. Opfer freibleibenden Theile
die richtige Tiefe hat, ob der Aufbau, be-
sonders der Tabernakel und Thronus zu
wenig oder zu weit von der vordem Kante
der Mensa absteht, ob der Tabernakel und
Thronus tief genug ist, ob die Leuchter-
stufen in gehöriger Zahl vorhanden und
breit (tief) genug sind, um die nöthigen

Leuchter in vorgeschriebener Anzahl und in
entsprechender Größe, beziehungsweise Breite
und Tiefe des Leuchterfußes aufzunehmen.
Desgleichen ist er außer Stand, die Natur
und Beschaffenheit der Konstruktion des
Altaraufsatzes überhaupt zu erkennen. Von
allem dein läßt sich Einiges gar nicht, An-
deres nur ungenau ersehen, wenn den Altar-
Entwürfen eine Seitenansicht nicht beige-
geben ist. Für den Fall, daß der Altar-
bau sich auch auf einen neuen Altarstein
erstreckt, läßt sich ohne Seitenansicht dessen
richtiger Aufbau und die für den Kon-
sekrationsakt vorgeschriebene korrekte Ein-
richtung gleichfalls nicht prüfen; im Be-
sonderen nicht, wo das Sepulchrnm an-
gebracht ist und ob es • bie seiner Lage
entsprechende richtige Form hat, ob Stipes
und Mensa die von der Lage des Sepnl-
chrums abhängige Form und Stärke haben,
wie sich das Antipendium, besonders sein
Gesims an Stipes und Mensa anschließt,
wie breit das Gesims ist u. drgl. mehr.
Zur Beantwortung der letzten Fragen und
der über die Konstruktion des Aufsatzes
ist auch der Grundriß nöthig, ja es sollte
auch der durch die Mitte des Altars gehende
Vertikalschnitt nicht fehlen. Wir können
aus unserer mehr als dreißigjährigen Er-
fahrung versichern, daß schon manche, in
Beurtheilung der künstlerischen und ästhe-
tischen Materien nicht unbewanderte Män-
ner, welche Altar-Entwürfe bloß nach einem
geometrischen Aufriß geprüft und genehmigt
haben, nach Ausstellung ihres von ihnen
selbst gutgeheißenen Altars sehr bitter ent-
täuscht waren, ohne sich die Satisfaktion
einer Remedur verschaffen 31t können.

Wir stellen daher unbedenklich den
Grundsatz auf: Ein Altarbesteller
ist tm Hinblick auf die immerhiu
n a m h a f t e n K 0 st e n eines Atta r-
werks zu einer bis iills kleiitste
Detail eindringenden Prüfuug
des ganzen Plans in: Gewissen
verpflichtet, m ö g e er sie nun
s e l b st a it ft eilen oder du r ch einen
Vertrauensmann anstellen lassen.
Diese Prüfung i st aber ohne
Grundriß, Aufriß, Seitenansicht,
w e n i g st e n s bei komplizirteren
B a u t e n auch ohne den Vertikal-
schnitt nicht möglich. Also hat er
auch die Pflicht und das Recht,
 
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