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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 2.1884

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Nr. 5
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Darstellung der Geiselung
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https://doi.org/10.11588/diglit.15860#0047

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43

wie ein Marterwerkzeug aussieht, und der
Herr trägt es erhobenen Hanptes, frendi-
gen Antlitzes, leichten Schrittes. Die Vernr-
theilung durch Pilatus findet sich ziemlich
häufig; hier ist es aber der Verurtheilte,
welcher richtet; er steht in majestätischer
Haltung da, dagegen Pilatus wendet das
Gesicht ab, wie in Beschämung und Ver-
wirrung. So sieht man, wie die früheste
Kunst sich nicht entschließen konnte, die
Scenen der Passion als solche nachzubilden;
sie übersetzte sie in Scenen der Verherrli-
chung Jesu; sie stellte sie in's Licht der
Glorie, unter den Gesichtspunkt des Sieges
und Triumphes Jesu.

Diese Anschauungsweise wirkte noch lange
nach, auch nachdem man die Scheu vor der
Darstellung der Erniedrigung Jesu in
Schmerz und Schmach abgelegt hatte. Man
wagte von jetzt, d. h. ungefähr vom XI. Jahr-
hundert an, auch die Geiselung Jesu darzu-
stellen,aber nicht ohne Milderungen anzubrin-
gen nnd das Geheimniß vollBlut und Schmach
mit zarten Schleiern zu bedecken. So er-
scheint der Heiland auf dem Freskogemälde
der Kirche Sani Urbano alla Caffarrella
bei Rom (XI. Jahrhundert, abgebildet bei
Agincourt, Malerei, Tafel 94) ganz be-
kleidet an der Geiselsänle. Ebenso im
Portal der Kathedrale von Benevent und
von St. Zeno in Verona. Es ist die
gleiche, rührende, ehrfurchtsvolle Scheu, die
nur noch deutlicher sich ansspricht, wenn
eine Miniatur ans dem XIV. Jahrhundert
den Heiland an der Geiselsänle nicht bloß
mit langem, weißem Gewand bekleidet,
sondern auch in die eine Hand ihm ein
Buch legt, die andere in die Aktion des
Segnens bringt (im Gebetbuch der Königin
Maria im Britisch. Museum). Hier will der
Maler offenbar sagen, daß Christus auch
in Schmerz und Schmach unser Lehrmeister
und Heiland sei. Im XII. Jahrhundert
findet sich schon das Lendentuch, das vom
XIII. Jahrhundert an Regel wird. Häufig
scheinen die Darstellungen der Geiselung
auch in dieser Zeit noch nicht gewesen zu
sein, und es ist bemerkenswerth, daß Giotto
in seiner ausführlichen Erzählung des Leidens
und Lebens Jesu in der Arena zu Padua
die Geiselung nicht ausgenommen hat.

Die erste klassische Darstellung der Geise-
lung findet sich auf dem hochberühmten
Altarbild von Dn ccio im Dom zu Siena,

mit welchem er ans ein Jahrhundert der
sienesischen Malerschnle den Ton angab.
Er stattet die Scene reicher ans; die
Synedristen sind ans der einen Seite und
weiden ihr Auge an den Qualen des
Opfers; ans der andern Seite steht Pilatus
ans erhöhtem Podium. Der Herr steht
hinter der Säule, die er mit den ange-
bundenen Armen umfängt. Der Körper
und das hoheitsvolle Antlitz ist aber etwas
nach der Seite gewendet, damit sie nicht
durch die Säule verdeckt werden. Durch
den schönen Kontrast und den stark ans-
getragenen Zug himmlischer Ruhe und
schmerzvoller Ergebung wirkt das Bild
erschütternd und versöhnend zugleich (s. Tafel
18 in der großen Abbildung des Altar-
bilds von Emil Braun). Im selben Geist
stellt F i e s o l e in San Marco in Florenz
diesen Gegenstand dar. Der geistige Aus-
druck seines Bildes ist von wunderbarer
versöhnender Schönheit und eindringlicher
Kraft. Das Schreckliche und Schmach-
volle ist in einen Weihranchdnst von stiller
Größe, Ergebung und Geduld gehüllt, so
daß es nicht mehr anstößig oder abstoßend
wirkt. Die Henker halten mit der einen
Hand Jesus an Stricken, während sie ihre
Geiseln ans ihn niederfallen lassen. Der
Maler hat sich angestrengt, Wildheit und
Grausamkeit in ihr Gesicht und ihre Hal-
tung zu legen; er konnte aber diesen Aus-
druck nicht zu voller Energie heransarbeiten;
er war sichtlich zu sehr beherrscht von der
Ruhe und Stille des Opfers, und so
kamen auch seine Henker unter den be-
sänftigenden Einfluß derselben.

Ohne jede Milderung wird übrigens die
Kunst diese gräßliche Scene nicht wieder-
geben dürfen, d. h. sie wird nicht daraus
ansgehen können, hier nur historische Treue
walten zu lassen. Daß in Wirklichkeit
die Geiselung eine Strafe war, die an
blutiger Grausamkeit ihresgleichen suchte,
ist nicht zu bezweifeln. Es ist nicht etwa
die „mittelalterlich-rohe" Phantasie, welche
die Geiselung zum Blutbild gestaltete, welche
den Peinigern mit Bleikugeln nnb spitzen
Eisenstücken besetzte Geiseln und Peitschen
in die Hand gab, sondern die historischen
Zeugnisse des Alterthnms schildern so dieses
grause Vorspiel, diese schreckliche Vorrede
der Kreuzigung, welche nicht umsonst »media
mors« hieß. (Cic. Verr. 5, 6). Daraus
 
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