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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 2.1884

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Nr. 6
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Detzel, Heinrich: Die kirchliche Glasmalerei, [1]: Geschichte ihrer Technik und ihre heutige künstlerische Behandlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.15860#0056

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52

metrische Figuren, sondern auch menschliche;
so finden sich 1220 Teppiche für die Kirche
des bayerischen Klosters Wessobronn, aus
deren einem man die Bilder der Offen-
barung des hl. Johannes sah, und auch
später noch bei Karl des Kühnen Eintritt
in Trier 1473 war der Chor ringsum
mit köstlichen Tüchern und die ganze Kirche
mit Teppichen umhangen. Was Wunder,
wenn sich setzt nach Erfindung der schwarzen
Malfarbe auch in den Fenstern neben dem
Laubwerke und den geometrischen Figuren
einzelne menschliche Gestalten, ja gar bald
ganze Szenerien sich finden?

Diese Einzelsiguren oder ganze Szenerien
dürfen wir uns aber nicht anders zusammen-
gesetzt denken, als aus ebenso vielen
einzelnen, verschieden gefärbten
Glasstücken, als die einzelne
F i g u r o d e r g a uze Szene v e r-
s ch i e d e u e r l e i F a r b e n hatte; es war
auch jetzt noch eine Malerei nicht eigentlich
auf Glas, sondern init Glas, eine Glas-
m o s a i k, auf der die nothwendige Zeichnung
und Schattirung mit Schwarzloth ange-
geben war.

Zu diesem Charakter einer Glasmosaik
verhals aber nicht nur die Art und Weise
der Zusammenstellung der einzelnen Gläser
nach ihren verschiedenen Farben, sondern
auch das Bindenüttel, wodurch sie an ein-
ander befestigt wurden, und dieses Binde-
mittel sind die Bleiruthen. Ueberall,
wo im Bilde Gegenstände von verschiedener
Lokalfarbe an einander stoßen, wird eine
Bleiruthe uöthig. Da aber in unserer
Periode der Glasmalerei nur Scheiben
von ganz geringer Dimension, etwa hand-
groß, hergestellt werden konnten, so mußte
jede größere Fläche, wenn sie auch von
einheitlicher Farbe war, von Bleiruthen,
sog. Nothbleien, durchzogen werden. Die
sog. Umrißbleie, welche einen kleinern
Gegenstand oder Körpertheil, z. B. ein Blatt,
Hand oder Fuß, ganz umzogen, sind in vielen
Fällen nicht im Stande, den seinen Biegungen
und den Knicken des gezeichneten Konturs
zu folgen. Dann umzieht er denselben
nur tit einem gröberen, abgerundeten Zuge,
die Disferenzflächen aber zwischen diesem
Bleizuge und dem korrekten Umiiff sind
schwarz aus gemalt. In der Durchsicht
gegen das Licht gehen diese Ausfüllungen
mit dem Striche des Bleistranges ganz

zusammen. Wo das Schwarz zu viel
werden sollte, ist es, wenigstens aus
Scheiben, die Blattwerk darstellen, durch
Punkte oder feine Nankeuliuien wieder ge-
lichtet. Es leuchtet von selbst ein, daß
diese Art der Verbleiung dem schlichten
Mosaikstyl, wie ihn die Glasmalerei unserer
Zeit anstrebt, ungemein förderlich sein
mußte. Die darzustellendeu Gegenstände
werden so mit scharfen, weithin wirkenden
Konturen förmlich eingesäumt und es wird
dadurch verhindert, daß nicht Farben und
Formen, besonders in weitern Abständen
gesehen, in einander fließen; sie erzeugen
bei den kirchlichen Glasgemälden, die ja
von Ferne gesehen werden sollen, also
scharf ausgeprägt sein müssen, eine durch
nichts anderes zu ersetzende Wirkung.
Diese nothwendige starke Verbleiung
wirkt aber durchaus nicht störend, wie
man meinen sollte, denn sie folgt immer
den gegebenen Umrissen, und der breite
dunkle Strich, den sie zwischen die Farben
hinzieht, verliert sich bei der Höhe, zu
welcher man emporblicken muß, bei dem
Glanze der Farben, der über ihm zu-
sammenschlägt, in Unscheinbarkeit, ja selbst
bis in Unsichtbarkeit.

Da einerseits Glas ein großes Ge-
wicht, andererseits aber Blei eine sehr ge-
ringe Tragkraft hat, so ist leicht ersichtlich,
daß die ganze Fläche eines Fensters nicht
allein durch die wenn auch noch so zahl-
reichen Bleisprossew zusammengehalten wer-
den konnte, besonders wenn man bedenkt,
welchen bedeutenden Druck aus ein großes,
ungetheiltes Fenster Wind und Wetter
ausübeu müssen. Es mußte darum jedes
Fenster in so kleine Theile zerlegt werden,
daß die Bleiruthen sowohl das Gewicht
der einzelnen eingespannten Glasstücke
tragen, als auch den Druck der Luft auf
die ganze Fläche des einzelnen Theiles aus-
halten konnten. Diese einzelnen Feuster-
abtheilungen nun aber werden von breiten,
eisernen Querstangen, den sog. Sturm-
st a n g e n, gehalten, die rechts und links in
die Fensterpfosten eingelassen sind. Ueber-
steigt die Fensterbreite das Maß von
circa 75 cm, so pflegt gewöhnlich noch
eine TheilUng durch s e n k r e ch t lausende
Sturmstangen hinzuzutreten.

In reichern Werken, besonders in den
ältern französischen Fenstern, verlassen
 
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