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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 2.1884

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Nr. 7
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Detzel, Heinrich: Die kirchliche Glasmalerei, [2]: Geschichte ihrer Technik und ihre heutige künstlerische Behandlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.15860#0062

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58

die Medaillons desselben Fensters einen
einheitlichen Cyklus, wobei die Reihenfolge
unten beginnt und, wenn das Fenster durch
Steinpfostenwerk sich in nebeneinander-
liegende Felder theilt, links. Die Formen
der Medaillons sind verschieden, kreisrund,
ovalrnnd, rautenförmig oder nach einem
Drei- oder Vierpaß oder auch nach einem
reichern Umriß, der von geraden Linien
und Kreisstücken gebildet ist. Sind die
Medaillons größer, so werden sie in ihrer
Hauptlinie von einer Eisenstange umzogen,
welche sich mit der übrigen Eisenarmatur
des Fensters verbindet. Auch haben sie wie
die Ornamentfenster gleichfalls einen ein-
fassenden Fries. Die Zwickel zwischen den
Medaillons sind mit geometrischem oder-
vegetabilischem Beiwerk oder beidem gemischt
ausgefüllt, auch Thier- nndMenschengestalten
haben sie. Der Grund in den Medaillons
ist entweder durch das ganze Fenster in
gleicher Farbe durchgeführt oder wechselt
in den zwei Farben von Roth und Blau.

Die Fenster mit Standfiguren
in unserer l. Periode der Glasmalerei
sind höchst einfach in ihrer Eintheilung.
Ist ein Fenster schmal und durch keine
Steinpfosten in Abtheilungen getrennt, so
steht der Breite nach nur eine Figur,
bei breiten und durch Steinpsosten ge-
trennten Fenstern je eine Figur in einer
Abtheilung; der Höhe nach aber, ver-
vielfachen sich die Fignrenstellnngen.

Was die Haltung der Figuren an-
langt, so ist sie eine strenge, statuarische,
und über jeder Einzelnfigur baut sich ein
Baldachin aus, der in der Regel in zwei
den Fries begleitenden oder ihn ersetzenden
Säulen seine Stütze findet. In dieserFrüh-
zeit haben diese bekrönenden Architekturen
nur erst eine mäßige Höhenentwickeluug
und drängen sich bei weitem nicht so vor,
als dies später geschieht. Eine einzige, von
zwei Sturmstangen eingefaßte Höhenab-
theilung pflegt für den Aufbau des Bal-
dachins zu genügen. In den ältesten,
noch romanisirenden Fenstern sind es jene
aus der Steinarchitektur bekannten burg-
artigen Kombinationen von Thürmchen,
krenelirten Mauern, Giebeln und Kuppeln,
welche Motive liefern. Eine erstaunlich
reiche Abwechslung hierin haben die
Fenster der Kathedrale von Bourges, welche
die Apostel- und Prophetenbilder enthalten,

f a st jedesmal eine andere Form treffen
wir hier. Bereits am Schlüsse des 13.
Jahrhunderts aber vereinfachen sich die
Formen, indem das Schema der von zwei
Fialen flankirten Wimperge in den Vorder-
grund tritt. Von höchster Wichtigkeit
namentlich auch für die heutige Glas-
malerei, ist nun die Art und Weise
der malerischen Behandlung all
der vorgenannten Fenstergattungen.

Es ist ein Grundgesetz der kirchlichen
Kunst, daß ein Bau in Architektur, Skulp-
tur und Malerei ein Einheitliches sein soll;
kein Theil soll als Kunstwerk für sich
auftreten, losgelöst von der Architektur.
Wo immer das geschieht, — und mag das
Einzelne noch so kunstreich für sich auf-
treten — da entsteht Disharmonie und
Verwirrung. Ein Kirchengebäude ist kein
Museum, wo ein Sammelsurium von Gegen-
ständen ansbewahrt wird, die wohl einzeln
für sich einen technisch-künstlerischen Werth
haben mögen, aber losgerissen vom Ganzen,
zu dem sie gehörten, ohne Bedeutung und
unverständlich sind. Diesen Grundsatz sehen
wir bei der alten Glasmalerei aufs strengste
durchgeführt. Die gemalten Fenster, die
das Licht hereinleiten und gegen Wind und
Wetter das Innere des Gotteshauses
schützen, sind darum nur als unentbehrliche
Gebäudeglied er behandelt,, sie treten
niemals s e l b st ä n d i g auf und
ordnen sichüberallarchitektonisch
d em gr ö ß ent Ganzen ein und
nute r. Das Fenstergemälde tritt mit der
Wand in unmittelbaren Konnex, nimmt an
ihrer prinzipiellen Eigenschaft, nämlich der
der Fläche und Festigkeit, Theil und
ordnet sich deshalb ebenfalls dem allge-
meinen Grundsatz der Flächenbehand-
l u n g uttter. Darum i st der Grund-
charakter der kirchlichen Glas-
Malerei d i e s e r Z e i t derderFlach-
Malerei. Die g l a s g e m a l t e Fläche
n ä m l i ch st e l l t sich dar als einen
Theil d er Wand. Zwar bringt die
Zeichnung es fast ja überall mit sich, daß
Gegenstände im Fenster erscheinen, die nur
in verschiedenen, hintereinander liegenden
Ebenen gedacht werden können. Bereits
im einfachsten Bandmuster durchflechten sich
die dargestellten Streifen, passiren also
vor- und hintereinander her; wo Blatt-
büschel auftreten und die Blätter sich theil-
 
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