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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 2.1884

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Nr. 8
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Detzel, Heinrich: Die kirchliche Glasmalerei, [3]: Geschichte ihrer Technik und ihre heutige künstlerische Behandlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.15860#0070

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66

worden sind. Während im übrigen die
Zeit noch in vollem Maße die Vorzüge
der Farbenpracht und guten Farbenverthei-
lung von ehemals ihr eigen nennt, beginnt bei
den kleinen Figurenkompositionen, besonders
später gegen den Ausgang des 15. Jahr-
hunderts^ eine systemlose Buntheit Platz
zu greifen. Auch hat die Farbenpracht
des frühern Teppichs schon von der Mitte
des 14. Jahrhunderts an ungefähr insofern
etwas nachgelassen, als die früher üblichen
prächtigen Friese an Größe und Be-
deutung immer mehr abnehmen, so
daß zuletzt oft nur der an den Stein an-
grenzende Streifen weißen Glases übrig
bleibt.

Im letzten Viertel des 15. Jahr-
hunderts aber beginnt die Glasmalerei in
eine Art H i st or i e n m a l e r ei überzu-
gehen , indem sie die ihr von Natur aus
bezeichnete Bahn verläßt, resp. über sie
hinaustritt. Man fieng an, die Eigen-
thümlichkeit des Materials und seine Be-
schaffenheit, je mehr die Technik Fort-
schritte machte, aus dem Auge zu ver-
lieren, man übersah, daß das Material,
das Glas nämlich, allein schon ein un-
überschreitbares Gesetz für die Kunst der
Glasmalerei geben, daß es mit Einem Wort
einen eigenthümlichen Styl erzeugen mußte.
Schon was die Art und Weise der Kom-
position, des geistigen Inhalts eines Kunst-
werkes anlangt, ist ja vor allem daraus zu
sehen, ob man es mit einer leichteren oder
schwierigeren Gefügigkeit des Materials zu
thun habe; sie wird eine ganz andere Be-
handlung erfahren müssen, je nachdem sie
für Glas oder Leinwand bestimmt ist. Das
aber sehen wir immer weniger und weniger
beachtet, je mehr unsere Kunst dem 16.
Jahrhundert näher rückt. Geist und Material
kommen so zu sagen in Widerstreit, ersterer
will über die technischen Hindernisse hin-
ausschreiten, sich ihrer Fesseln entledigen,
um sich freier und ungebundener entwickeln
zu können. Die von der Natur des
Materials gezogenen Grenzen, die Stein-
pfosten und Eisenarmaturen werden gleich-
sam gewaltsam durchbrochen, die Kompo-
sition kennt jetzt keine Grenzen mehr, und
die Maltechnik hat eine solche Ausbildung
erhalten, daß in Aufnahme sowohl von
Einzelsiguren als ganzen Kompositionen
aus Glas oder Leinwand kein

Unterschied mehr gemacht wird. Die
gebundene monumentale Haltung von ehe-
dem geht mehr und mehr verloren, selbst
die größern Figuren verlieren den statua-
rischen Charakter, die Komposition wird
rücksichtslos von den durch Steinpfosten-
werk getheilten Fenstern durchschnitten,
selbst einzelne Figuren werden so un-
natürlich getheilt, daß man oft unwill-
kürlich nach den abgeschnittenen Theilen
jud^en muß.

In diesem Genre sehen wir dann die
kostbaren Fenster im Münster zu Ulm,
in der St. Lorenzkirche zu Nürnberg, in
der Frauenkirche zu München, in Augs-
burg , Köln und an andern Orten, und
auf diesem Standpunkte bleibt die Glas-
malerei nahezu ein halbes Jahrhundert.
Besonders ist ein Beispiel das Volkamer-
sche Prachtfenster zu St. Lorenz in Nürn-
berg , in welchem der Stammbaum Jesse
um das Jahr 1480 gemalt ist. Der Höhe-
punkt der Glasmalerei ist jetzt gleichsam
erreicht, zugleich aber auch mit ihm der
Beginn des Verfalles dieser Kunst.

3. Periode der Glasmalerei

1500—1650.

Mit Beginn des 16. Jahrhunderts wird
vollends die Behandlung der Glasmalerei
eine ganz realistische. Es gelingt, im Ver-
lauf dieses und des folgenden Jahrhunderts,
alle übrigen Farben: Blau, Violett und
Grün in den verschiedensten Abstufungen
als Malfarben oder Emails herzustellen.
Auch ist der G l a s m a ch e r jetzt im Stande,
die Scheiben in größern Tafeln zu fertigen,
als sie das frühere Mittelalter kannte.
So war es möglich, mit mehrfachen Lokal-
farben nebeneinander nicht nur ans Ueber-
fanggläsern, sondern auch auf ein und
derselben weißen Scheibe zu arbeiten. Die
Zahl der Bleie vermindert sich damit mehr
und mehr. Die aufgemalten Farben sind
indeß, besonders das Roth und Blau,
keineswegs im Stande, die alten bunten
Hüttengläser mit ihrer Leuchtkraft und
Farbenglut zu ersetzen; verglichen mit
letzteren erscheinen die in Rede stehenden
Emails trübe und erdig.

Nachdem sich jetzt fast die gleichen techni-
schen Mittel für die Glasmalerei wie für die
Malerei auf Leinwand darbieten, werden
beide Arten von Künsten sich auch sehr
 
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