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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 2.1884

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Nr. 10
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Schwarz, Franz Joseph: Monumentale Malerei, [6]: Grundregeln derselben
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https://doi.org/10.11588/diglit.15860#0090
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86

kommt freilich dieser Drang nach künstleri-
scher Behandlung da nicht zur Bethätigung,
wo die Noch zwingt, den Bedürfnissen bloß
nach der Seite der Zweckmäßigkeit gerecht zu
werden; aber er liegt im Wesen des ver-
nünftigen Menschen, also auch der, der
Architektur die dekorativen Künste dienst-
bar zu machen, weil sie derer zur Entfaltung
ihrer vollen Schönheit bedarf. Das gilt
ganz besonders von dem Innern der kirchli-
chen Baumonumente, wo mit der Schönheit
auch die Anmuth und, weil es sich um
kirchliche Monumente handelt, auch die
Majestät und der Glanz des himmlischen
Jerusalems sich verbinden soll.

Wenn also diese beiden Künste so innig
miteinander verbunden sind, so erhebt sich
die weitere Frage nach dem Verhältnis;,
in welchem sie zu einander stehen. Sind
sie koordinirt, oder ist eine der andern
subordinirt? und wenn, welche? Wenn
man gewisse Maler hört oder die Werke
derselben fragt, so ist die Malerei, wenn
nicht die Herrin, so doch jedenfalls koordinirt,
folgt ihren eigenen Gesetzen, ohne sich um
den von der Architektur geschaffenen Raum,
um das Ebenmaß der Verhältnisse, um
Säulen, Pfeiler, Gewölbe, Gurten, Gesimse
und ihre Profile zu kümmern. Die Kirche
wird behandelt wie eine Bildergallerie, in
welcher die Gemälde nach dem Effekt aus-
gehängt und zur Schau gestellt werden,
ohne jede Rücksicht aus die Konstruktion.
Es fehlt nur noch die Forderung, daß die
Kirche selbst ganz für die größere Wirkung
der Gemälde konstruirt und eingerichtet
werde, also nach dem Gesetz, nach welchem
eine Gemäldegalerie angelegt wird. Das
heißt das richtige Verhältnis; umkehren
und die Kunst schädigen. Geschichtlich schon
ist es ja nachweisbar, daß die Malerei erst
zur Zeit der Renaissance mit den Stasselei-
bildern von der Architektur emanzipirt und
ihre Kompositionen ganz nach ihren eigenen
Gesetzen erdacht und ausgesührt wurden.
Bis dahin galt ein anderes, das umgekehrte
Verhältnis;. Wenn die Malerei für Staffelei-
bilder ihren Gesetzen folgt, so kann uns
das nicht überraschen. Aber diese, in der
Werkstätte des Malers entstandenen, bis
ins kleinste Detail fein gearbeiteten, mit
Linien- und Lustperspektive ausgestatteten
Gebilde in die Kirche zu verpflanzen, ist
das Grab der monumentalen Malerei und

der Architektur, weil die Gesetze dieser und
die Wirkung ihrer Formen, Linien und
Verhältnisse zerstört werden. Hören wir
darüber einen der bewährtesten Kenner der
mittelalterlichen Kunst und der kirchli-
chen insbesondere. „Die aus Baumonu-
mente angewandte Malerei kann nur auf
zweierlei Art verfahren: entweder unter-
wirst sie sich den Linien, den Formen, dem
Bauplan; oder sie hält sich für nicht daran
gebunden und breitet sich imabhängig aus
den Wänden, Gewölben, Pfeilern und
Profilen aus. Im ersten Fall ist sie ein
wesentlicher Theil der Architektur (des
Monuments); im andern wird sie eine
bewegliche Dekoration, wenn man sich so
ausdrücken kann, welche ihre eigenen Gesetze
hat und oft die Wirkung der Architektur
zerstört, um einen andern Effekt an ihre
Stelle zu setzen, welcher allein der Kunst
der Malerei angehört. Daß die Maler
(d. h. die Maler von bloßen Staffelei-
bildern. Anm. des Setzers) diese letztere
Gattung malerischer Dekoration als die
allein richtige betrachten, darf uns nicht
überraschen; ob aber die Kunst dabei ge-
winnt, ist eine Frage, welche einer Unter-
suchung werth ist. Die Malerei hat sich
erst in sehr neuer Zeit, nämlich in der
Epoche der Renaissance, von der Architektur
getrennt. Von dem Tage an, wo das
Gemälde, eine isolirte Malerei, gemacht in
dem Atelier des Malers, an die Stelle
der aus die Mauer ausgetragenen Malerei
trat, war die gemalte architektonische Deko-
ration verloren. Der Architekt und der
Maler arbeiteten jeder für sich und er-
weiterten jeden Tag den Abgrund, der sie
trennte, und wenn sie sich zufällig aus einem
gemeinschaftlichen Boden zu vereinigen such-
ten, fand es sich, daß sie einander nicht mehr
verstanden, und daß, wenn sie gemeinschaft-
lich handeln wollten, kein Boden mehr da
war, der sie hätte vereinigen können. Der
Maler klagte den Architekten an, daß er
ihm keine passenden Räume ausgespart,
der Architekt glaubte im Recht zu sein, zu
erklären, daß der Maler auf seine archi-
tektonischen Anordnungen keine Rücksicht
nehme. Es ist augenfällig, daß bei diesen
Versuchen der Architekt die Wirkung, welche
das auf die von ihn: zubereiteten Mauern
aufgetragene Gemälde haben sollte, nicht
in seine Berechnung ausnahm und nicht aus
 
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