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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 2.1884

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Nr. 11
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Schwarz, Franz Joseph: Restauration und malerischer Schmuck der Abteikirche Mehrerau, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15860#0098

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94

wir dürfen wohl sagen — Schüler gehabt
hätte, den Maler Hans Martin von Aich-
stetten, Oberamts Leutkirch (Württemb.).
Noch im Jahre 1878 hat derselbe nach
Zeichnungen von Kolb, der in Nachahmung
der gefeiertsten Maler, wie eines Raphael
u. A., es nicht unter der Würde eines
akademisch gebildeten Historienmalers hält,
auch in der dekorativen Malerei sich aus-
zuzeichnen und in Entwürfen thätig einzu-
greisen , den dekorativen Theil der Male-
reien in der Marienkirche in Ellwangen
ausgeführt, dann behufs selbständiger Aus-
bildung jeden Winter von 1878 ans 79
an an den Kunstschulen von München,
Stuttgart, Wien, Nürnberg zum Theil
wiederholt seine Studien fortgesetzt, alles
in der Richtung einer fortschreitenden Er-
kenntniß der Gesetze und Stylarten der
Monumentalmalerei und Vervollkommnung
in der Erfindung von Motiven und For-
men im Geiste der Alten. Die beiden
Künstler sind in vollster Harmonie der
Gesinnungen und des Strebens. Da gibt
es keine grundsätzliche Differenz, sondern
vereinte, einige Arbeit. Kein Wunder, daß
man in der dekorativen Behandlung der
Architektur nur die vollste Unterordnung
in Form, Farbe und Styl, dabei einen
erstaunlichen Reichthum in den Motiven
findet; kein Wunder, daß die aus weiter
unten zu entwickelnden Gründen nicht leicht
zu einer effektvollen Mitwirkung hereinzu-
ziehende Architektur der Kirche effektvoller
eingreist und in einer früher nicht geahnten
Weise in Vereinigung mit der Malerei ein
majestätisches Gesammtbild erzeugt. Dazu
wirkt auch der feierliche und ernste roma-
nische Styl, in welchem die dekorativen
Parthieen ansgeführt sind, der ächte roma-
nische Styl der Alten, nicht der moderne,
welchen neuere Kunstschulen durch Ver-
quickung mit der Antike geschaffen und
leider in so viele sogenannte romanische
Bauten und Gebilde als romanischen Styl
eingeführt haben. Man darf kühn be-
haupten, daß, was in diesem Stücke in
Mehrerau geleistet worden ist, die strengste
Kritik besteht und unter die mustergiltigen
Leistungen gezählt werden darf.

Für den sigurativen Theil war die Lö-
sung der Stylfrage allerdings eine schwie-
rigere. Soll man den alten, in der ro-
manischen Zeit üblichen byzantinischen Styl

nachahmen, oder gar kopiren? Oder ist
es besser, das Ziel anzustreben, so gut es
eben die eigene Begabung und Schule des
Künstlers möglich macht, welches die alte
Schule von Siena vom Ende des 13. Jahr-
hunderts an und später die von Fiesole
freilich in nie mehr erreichbarer Geistes-
tiese und Seelen-Jnnigkeit der Nachwelt
vorgesteckt hat? Daß der Maler den ersten
Weg nicht beschritten hat und nicht beschreiten
will, rechnen wir ihm zum Verdienste an.
Denn wir glauben, daß sich selbst die
strengste romanische Kirche mit den unver-
gleichlichen und alle, auch die gegenwärtige
Welt so unwiderstehlich anziehenden For-
men und Gestalten verträgt, deren Ideale uns
jene Schulen vor Augen gestellt haben. Daß
der Maler auch nur hienach strebt, kann ihm
nur zur Ehre gereichen, wenn auch für
ihn das Ziel immer unerreichbar bleiben
wird. Auch in diesem Stücke bleibt Meh-
rerau die schönste aller seiner Leistungen,
vollends wenn man noch die lokalen Schwie-
rigkeiten in Rechnung zieht; denn ein großer
Theil der Gemälde (wie auch der Deko-
ration) mußte bei unzureichendem, ja in
dem Gewölbe durch die Gerüste vollstän-
dig ausgeschlossenem Tageslichte, beim Lam-
penschein ausgesührt werden. Daß Meister
Kolb den für alle Zeiten geltenden, weil
in der Natur und der Stellung der Mo-
numentalmalerei zur Architektur begrün-
deten Gesetzen der dekorativen Malkunst
entsprechend die Perspektive ausgeschlossen
und flach gemalt hat, versteht sich bei ihm
als Kenner von selbst; man braucht das
kaum besonders hervorzuheben. Dagegen
noch ein Wort von dem Gegenstand der
Darstellungen.

Die Kirche ist Eigenthum einer Cister-
zienser-Abtei, wie alle Kirchen dieses Or-
dens der hl. Jungfrau und Gottesmutter
Maria unter dem Titel ihrer Aufnahme in
den Himmel geweiht, ist zugleich Kirche
für die näherwohnenden Pfarrkinder von
Bregenz mit einer entsprechenden Pastora-
tion, Kirche für die Zöglinge der mit dem
Kloster verbundenen Lehranstalt. Bei dem
Entwurf des ganzen Planes hatte also
der Meister auf alle diese Beziehungen
Rücksicht zu nehmen: auf den allgemeinen
Charakter derselben als Stätte des Gottes-
dienstes und der heiligen Geheimnisse des
christlichen Kultus, als Ordenskirche über-
 
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