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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 2.1884

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Nr. 12
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Schwarz, Franz Joseph: Monumentale Malerei, [8]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15860#0108

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104

schmacksverirrung, sondern die natürliche
Forderung künstlerischer Auffassung sei,
wollte man jedoch in unserm Jahrhundert beim
Wiedererwachen der Liebe zur alten Kunst
lange nicht zugeben. So kam es, daß
selbst Verehrer des Mittelalters wohl noch
die Form der alten Schnitzereien zu schätzen
wußten, aber die Farbe für eine barba-
rische Zuthat hielten. So hat z. B. Karl
Heideloff manch schönes Werk, wie die be-
rühmte „trauernde hl. Jungfrau" in Nürn-
berg absichtlich verdorben, indem er es mit
steingrauer Oelsarbe anstreichen ließ. (Kunst
und Kunstgeschichte von Alwin Schulz,
Leipzig, Freitag 1884.) Das ist jetzt an-
ders geworden. Im „Lexikon der bildenden
Künste" von Dr. H. A. Müller schließt
der Artikel „Polychromie" mit folgendem
Satz: „die noch in unserm Jahrhundert
Anfangs herrschende Abneigung gegen die
Polychromie in der Architektur wurde mit
Erfolg besiegt durch namhafte Architekten,
wie Klenze, Theophil Hersen (Wien), Sem-
per und Viollet-le-Duc." Also auch heute
müssen die an Pfeilern und Wänden int
Innern der Kirche oder in die Altäre ge-
stellten Statuen, seien sie aus Holz oder
Stein, bemalt werden. Nach welchen Grund-
sätzen dies zu geschehen hat, kann nach dem
bisher Gesagten nicht mehr zweifelhaft sein.
Schon aus der Forderung der einheitlichen
Wirkung der Kirche als eines Kunst-
werks geht die Nothwendigkeit hervor, im
Allgemeinen, daß die Bemalung der plasti-
schen Bildwerke sich nach den Gesetzen des
betreffenden Styls'zu richten habe, wie
die malerische Dekoration; im Besondern,
daß sie sich in Behandlung der Dessins in
der Draperie bezüglich der Form und Farbe
die alten Muster zum Vorbild nehme.
Dieses Verfahren ist doch den bisher that-
sächlich immer mißlungenen Versuchen,
eigene Wege zu gehen und ohne Rücksicht
auf die Erfahrungen früherer Jahrhunderte
immer wieder von vorn anzufangen, ent-
schieden vorzuziehen. Bauherrn und Künst-
ler mögen überdies bedenken, daß die Kir-
chen und ihr Geld kein Experimentirfeld
sind; wenn sie bauen oder restauriren,
gilt es für ein und das anbere Jahr-
hundert.

Und nun zum Schluß nicht so fast eine
Grundregel als vielmehr das Resultat von
allen. Man kann es in dem Satz von

Owen Jones zusammenfassen: „Die wahre
Schönheit ist das Ergebnis) jener Ruhe,
die das Gemüth empfindet, wenn Auge,
Verstand und Gefühle befriedigt sind, weil
Nichts mangelt." Und woher kommt sie?
Owen Jones antwortet: „Wenn die Archi-
tektur und alle zu den dekorativen Künsten
gehörigen Werke Angemessenheit,
Ebenmaß und Harmonie besitzen; das
Resultat dieser Eigenschaften insgesammt
ist die Ruhe." Das ist augenfällig und
doch wird es bestritten, oder ' unbewußt
negirt, so oft falsche Begriffe von dem, was
„Ruhe" ist, das Urtheil beherrschen. Viel-
fach wird „Ruhe" als der Gegensatz von
Bewegung und Fülle in der Form, von
bunt, kräftig und mannigfach in der Farbe
gehalten. Wenn dem so wäre, so könnten
die dekorativen Kunstschöpfungen sämmt-
licher Kulturvölker von Assyrien und Aegyp-
ten angefangen keine Gnade mehr finden
und der Geschmack von Jahrtausenden wäre
verurtheilt. Nehme man Farben und For-
men, so viel als nöthig sind, dabei so viele
kräftige, primäre, sekundäre, tertiäre Far-
ben und soviel Töne, als man braucht,
das ist angemessen; stelle man sie aber
zusammen, daß sie „stimmen", ohne schreien-
den ungemilderten Kontrast, dann haben
sie das rechte Ebenma ß; konstruire man
jede Dekoration so, daß das letzte Blatt,
der äußerste Zweig seinen natürlichen Aus-
gang aus der gemeinsamen Wurzel habe;
endlich „stimme" man Bild und Deko-
ration so, daß die Farben der Bilder
keinen ungelösten Kontrast zu den der
Dekoration bilden und die färben- und
formenarme Ornamentirung niederschreien,
und umgekehrt — dann herrscht Ebe n-
maß und Harmonie zwischen den ein-
zelnen Theilen der malerischen Dekoration.
Ganz dasselbe gilt von der Behandlung
der plastischen Bilder und dem Berhältniß
der Stimmung zu der Malerei. Denken
wir uns dagegen einmal eine Kirche, deren
Architektur nur mit einzelnen schwächlichen,
unentschiedenen Färbentönen bedeckt, an
einzelnen hervortretenden Konstruktions-
theilen etwa noch mit kräftigeren Farben
behandelt ist, im klebrigen aber ohne deko-
rative Formen aus der stylisirten Pslanzen-
oder symbolischen Thierwelt u. dgl., deren
Wandflächen aber mit Bildern in sehr her-
vortretenden, kräftigen Farben geschmückt
 
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