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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 1
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Schwarz, Franz Joseph: Grammatik der kirchlichen Baukunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0005

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Archiv für christliche Aunst.

Organ des Rottenburger Diözesan-Vereins für christliche Kunst.

kjerausgegeben und rediqirt von Dr. Fr. I. Schwarz in Lllwangen.

Verlag des Rottenburger Diözefan-Aunstvereins, für denselben: der Vorstand Dr. Fr. I. Schwarz.

Or. i.

Erscheint monatlich einmal. Halbjährl. für M. 1. SS durch die württemb. (M. I. 20
im Stuttg. Bcsiellbczirk), M. 1. 50 durch die bayerischen und die Reichspostanstaltcn,
Frcs. 2. 50 in der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden auch angenommen von
allen Buchhandlungen, sowie direkt von der Expedition des „Deutschen Bolksblatts" in
Stuttgart, Militärstr. 2E, zum Preise von M. 1. 35 halbjährlich.

Grammatik der kirchlichen
Baukunst.

Von Dr. Fr. I. Schwär z.

Einleitung.

Ein gewisses Maß elementarer, aber
tieferer Kenntnisse im Gebiete der Archi-
tektur ist dem Klerus —- für ihn zunächst
ist ja das „Archiv" bestimmt — aus mehr
als einem Grunde unerläßlich. Denn
es umfaßt jene kirchlichen Kunstschöpsungen,
in welcheli die Majestät Gottes und die
Würde des Gottesdienstes am augenfälligsten
versinnbildetwird; Kunstschöpfungen, welche
die wichtigsten, kostspieligsten und für Jahr-
hunderte zu dauern bestimmt sind. Die
Kenntniß der architektonischen Gesetze ist
immer von günstigem Einfluß auf die Werth-
schätzung der übrigen Kult-Erfordernisse
vom Altar bis zum kleinsten Detail herab,
auf künstlerische, stylrichtige Behandlung
derselben. Man kann auch füglich behaupten,
daß die Kenntniß der Architektur zu besserem
Verständnis; der übrigen bildenden Künste
befähigt, insbesondere aber vor einseitiger
Beurtheilung des gegenseitigen Verhältnisses
derselben, der Unter- und Ueberschätzung
der einen oder andern bewahrt, daß sie
also zu den Vorbedingungen einer geregel-
ten ästhetischen Bildung gehört.

Es ist jedoch eine beklagenswerthe That-
sache, daß der Klerus im Großen und
Ganzen nicht bloß wenig Kenntniß in
diesem Gebiete besitzt, sondern auch der
Meinung lebt, dieses Gebiet sei für ihn
ein mit sieben Siegeln verschlossenes, ge-
heimnißvolles Buch. Kein Wunder also,
wenn gegen dieses Studium eine gewisse
Abneigung besteht und die Ansicht herrscht,
daß Versuche auf diesem Gebiete doch
fruchtlos bleiben.

Daß dies ein Jrrthum ist, glauben wir
mit der folgenden Abhandlung thatsächlich

zu beweisen. Wir bitten daher unsere
Standesgenossen, einen Gang durch dieses
Gebiet zu machen. Wir glauben ihnen mit
der „Grammatik der kirchlichen Baukunst"
ein populäres und durch die zahlreichen,
in den Text eingeflochtenen Abbildungen noch
bequemer gemachtes Hilfsmittel zum Selbst-
studium anzubieten. Für Männer vom Fach
wollen wir nicht schreiben; gleichwohl wird
die „Grammatik" für manchen, in den
einzelnen Stylarten weniger erfahrenen und
geübten nicht ohne Nutzen sein, wäre es
auch nur, um einen Wiederholungskurs
zu machen.

Indessen wollen wir nicht verhehlen, daß
wir uns nicht bloß mit den Stylformen,
sondern auch mit dem befassen müssen, was
man in der Technik mit dem Namen „Kon-
struktion" bezeichnet; denn das ist die Haupt-
sache. Ein Unterricht, der sich darauf be-
schränkt, zu zeigen, was eine Kehle, ein
Rundstab, ein Kehlleisten, ein Vierpaß,
eine Fischblase, eine Fiale, ein Wimperg,
Eselsrücken, eine Längen- oder Quergurt
ist, schadet mehr als er nützt, macht den
Wissenden wohl recht kühn im Urtheilen,
aber in einem sehr beschränkten, unreifen.
Es verhält sich mit einem Van im Gebiet
der bildenden Künste, wie mit dem Bau
eines Satzes. Niemand kann einen Satz
richtig bauen, der nicht Haupt- und Zeit-
wörter und alle beugbaren Satztheile nach
den Regeln der Formenlehre über Dekli-
nation und Konjugation nach jedesmaligem
Bedürfniß zu bilden und in den richtigen
Formen in den Satz einzufügen versteht.
Aber das muß nach den Regeln der Syntax
geschehen, und was diese in der Grammatik
und Sprache ist, das ist in der Baukunst
die Konstruktion mit ihren Regeln. Damit
soll natürlich nicht gesagt sein, daß man,
um ein richtiges Verständnis zu erlangen,
die Konstruktionslehre wie ein Fachstudium
betreiben müsse, wie ein Architekt. Ein
 
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