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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 4
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Schwarz, Franz Joseph: Grammatik der kirchlichen Baukunst, [4]: Giebelgesimse
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0039

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35

von Laon sind von Consolen in Thier-
gestalt unterstützt. Nicht bloße Verzierungs-
sucht — um dies schon bei der ersten Ge-
legenheit zu bemerken —- hat diesem Glied
sein Dasein gegeben, sondern eine kon-
struktive Forderung. Die weit ausladende
Abzugsrinne braucht eine Unterstützung,
ein noch über den Rinnleisten hinaus-
gehendes Auflager, daher bleibt in der
Consolenschicht noch eine tragende Stein-
masse unter der Rinne stehen. Das Schön-
heitsgefühl fordert jedoch die dekorative
Behandlung des konstruktiv Nothwendigen,
welche in diesem Falle über die bloße Pro-
silirung des Steins hinaus- und in das
Gebiet figürlicher Gebilde übergreift. Nach
der vernünftigen Regel, das, was nicht
konstruirt ist, auch nicht in der Form und
Bedeutung einer bloßen Dekoration beizu-
fügen, hat die stylrichtige Baukunst stets
gehandelt.

Bald erkannte man den großen Vortheil,
der sich mit zahlreichen Wasserspeiern an
einem, zumal größeren Gebäude erzielen
ließ. Je weiter nämlich die Wasserrinne
das Wasser fortführen muß, bis es end-
lich durch eine Abflußröhre sich ergießen
kann, desto mehr wächst durch neuen Zu-
fluß seine Masse und desto weiter muß
der hohle Raum der Rinne sein, um es
zu fassen; und da überdies des nöthigen
Gesällö wegen das Rinnsaal nur um so tiefer
wird, je mehr es sich verlängert, so muß
aus beiden Gründen die Rinnleistenschicht
um so höher und breiter werden, je we-
niger sich die Abslußröhren wiederholen.
So entstanden die zahlreichen Wasserspeier.
Hatte das Baumonument ein Strebepfeiler-
System, so benützte man die Strebepfeiler,
um durch sie hindurch — wenn sie mit
ihren Fialen, d. h. Spitzthürmchen, das
Hauptgesims überragten — oder im ent-
gegengesetzten Falle über ihnen als Stütz-
punkten die Wasserspeier zu führen. In
beiden Fällen boten sie eine Gelegenheit zu
reicher Dekoration konstruktiver oder bild-
licher Art. Fig. 46 gibt ein frühgothisches
Beispiel eines über dem Strebepfeiler ge-
führten Wasserspeiers. Die Traufrinne a
ist in die obere Schicht des Hanptgesimses
eingehauen; gleiche Höhe hat auch die
Ablaufröhre b in Trogfom, blos unten
abgefastt. Sie hat eine doppelte Stütze:
von der Wasserschräge des Strebepfeilers

steigt ein Mauerpfeiler aus, dessen vor-
dere Ecken bis zum beiderseitigen Scheide-
pnntt abgefastt sind. Auf dem Giebel-
gesims des Strebepfeilers ruht die zweite

Fig. 46.

Frühgothlschcr Wasserspeier von der
Marienkirche in Marburg.

(Nach Ungcwittcr.)

Stütze in Gestalt eines zierlichen Säul-
chens, ans ihr die Ablaufrinne.

Noch häufiger als die Trogform der
Ablaufrinne ist die Gestalt eines lebenden
Wesens, phantastisch gebildet, zur Anwen-
dung gekommen: Vögel, vierfüßige Thiere
oder Kombinationen von beiden, ja sogar
menschliche Gestalten, ein Gefäß tragend,
durch welches das Wasser sich ergießt.
Bald sind sie nicht mehr blos Brustbilder,
sondern ganze Thiere, die sich mit Pfoten
oder Krallen und Flügeln an den obern
Theil des Kranzgesimses anklammern oder
halb Thier-, halb Menschengestalt, wie
Fig. 47 zeigt.

Fig. ^7.

Spätgothischer Wasserspeier,
15. Jahrhundert. (Nach Viollct.)

Die Wasserableitung wurde aber, wie
gesagt, auch durch die Strebepfeiler durch-
geführt. Die gothischen Baumeister legten
bei der C'inwölbnng des Schiffs proviso-
 
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