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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 4
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Schwarz, Franz Joseph: Grammatik der kirchlichen Baukunst, [4]: Giebelgesimse
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0040

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36

risch beckenförmige Vertiefungen in den
Gewölbewinkeln an — da wo das Gewölbe
mit der Umfassungsmauer zusammentrifft
— um das Regenwasser in den Rinn-
steinen der Strebebogen bis zur Vollen-
dung der Bedachung abznleiten. Die vor-
sorgliche Einrichtung konnte sich erst in
eine definitive verwandeln, sobald die oberste
Trausrinne im Hauptgesims versetzt war,
von wo aus sich alsdann das Wasser in einer
beinahe vertikalen Leitung durch den Pfei-
ler in den Rinnstein des Strebebogens
ansgoß. (Viollet a. a. O. VI. 24 und
VI. 2 sf.) Aber auch bei sog. Hallen-
kirchen, welche keine Strebebogen haben,
aus deren Rinnsteinen das Wasser abge-
führt werden könnte, kommen Wasserspeier
vor, die das abfließende Wasser aus den
in den Strebepfeiler-Ausläufen gebildeten
Sammelbecken und ans den durch die
Strebepfeiler getriebenen fast vertikalen
Senkschachten empfangen. Ein lehrreiches
Beispiel für beide Arten liefert die spät-
gothische großartige Pfarrkirche zum hl.
Kreuz in (Schwäbisch-) Gmünd.*) Sie
ist eine dreischissige Hallenkirche, also ohne
erhöhtes Mittelschiff, der äußern Form
nach wie eine einschiffige Kirche. Nur
der 40 m lange Chor hat einen 3,40 m
breiten Kapellenkranz mit niederem Pult-
dach, über welches Strebebogen des Haupt-
schiff-Strebesystems zu den 12 äußern
Strebepfeilern überleiten. Alle übrigen
Strebepfeiler des Schiffs, 16 an der Zahl,
sind an der Umfassungsmauer bis zum
Hauptgesims fortgeführt und enden über
einer um die Kirche geführten, mit Maß-
werk durchbrochenen Brüstung in kräftigen
Fialen, deren Leib (d. h. Schaft) zugleich
die Brüstungspfosten bildet. Das Dach
endet, weil ohne Schiftsparren, ringsum
aus der innern Seite des Kranzgesimses,
soweit es nicht von den Mauerlatten ein-
genommen ist. Die freie, zwischen Dach
und Brüstung liegende Fläche des Kranz-
gesimses bildet zugleich den Boden des
um die Kirche führenden Laufgangs, hat
deswegen keine tiefe und breite Transrinne,
leitet vielmehr das Wasser durch ein mäßi-
ges Gefäll nach der Außenseite hin, von

*) Grundriß und Längenschnitt der nach dem
Schema des St. Veitsdoms in Prag gebauten
Kirche s. in Laib und Schwarz, Formenlehre des
rom. u. gvth. Baustyls, 2. Ausl. Taf. IX.

wo es in mehreren, nicht sehr tiefen und
breiten Rinnen der vor der betreffenden
Fiale angebrachten Sammelöffnung zuge-
führt wird. Von dem Sammelbecken fließt
das Wasser in einen fast senkrechten, in
den Strebepfeiler eingehauenen Schacht,
der sich, alsbald nach rechts und links in
der Richtung gegen die vordern Kanten
des Pfeilers in zwei Arme theilt. Da,
wo die Arme zu Tag treten, ist je ein
Wasserspeier angebracht, in dessen Rinne
das Wasser Übertritt. Damit es ohne
Krümmung in derselben Richtung rasch
abfließen kanti, müssen die Wasserspeier in
der Achse der Arme liegen. Darum sind
jene naturgemäß über Eck gestellt. Die
16 Schiss-Strebepfeiler haben also 32
Wasserspeier. Anders gestaltet sich die
Anordnung im Chor. Durch den bis über
das Hanptgesims aussteigenden Strebepfeiler
ergießt sich das Wasser in der eben be-
schriebenen Weise zunächst in den Rinn-
stein welcher auf der abgeplatteten Gie-
belbedachung des Strebebogens liegt, in
jähem Fall den an der Außenmauer
des Kapellenkranzes angebrachten Strebe-
pfeilern zueilend; der in den äußern
Pfeilern eingetriebene Senkschacht nimmt
es auf, und theilt es, wie bei den
Strebepfeilern des Schiffs, in zwei den
vordern Kanten desselben zugewendete
Arme, aus welchen es in die Ablanf-
rinne des Wasserspeiers Übertritt. An
einer Stelle des Hauptgesimses des
Schiffs, zwischen den Vorhallen-Pfeilern,
sowie am Kranzgesims der Treppenthürm-
chen finden sich büstenartige Wasserspeier
ohne große Ausladung. In den 80 Was-
serspeiern dieser Kirche sind also alle Arten
derselben vertreten, sowohl in konstruktiver
als dekorativer Beziehung. Freilich sind
viele davon verwittert, theilweise bis zum
Gesims gebrochen und nicht wieder herge-
stellt; denn die in den fünfziger Jahren
begonnene Restauration ist wieder in's
Stocken gerathen.

Ein so ausgedehntes System von Was-
serspeiern plastischen Gebildes eignet sich
allerdings nur für Kirchen reicher Anlage,
besonders beim Strebebogen-System, und
nicht einmal bei diesen ist es allgemein.
In gewöhnlichen Verhältnissen darf und
kann man sich mit dem Bewußtsein be-
ruhigen, durch zweckentsprechende imb dabei
 
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