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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 4
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Wandgemälde in Kleincomburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0042

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38

die Engel Trauben sammeln, enthalten
vielleicht Anspielungen aus den mystischen
Keltertreter. Jedenfalls hat die Kunst
frühzeitig diese typische Darstellung des
Erlösungswerkes ausgenommen; gewöhnlich
hat Christus die Dornenkrone auf dem
Haupt und zertritt Trauben in einer Kel-
terbütte; aus deu Wundmalen fließt Blut.
Hack (Christl. Bilderkreis S. 126) führt
eine Darstellung an aus dem Karmeliter-
innenkloster zu Parma, nach welcher Christus
ebenfalls mit der Dornenkrone in einer
Kelter mit zwei Schrauben steht; die Kel-
termutter ist das Kreuz; Christus hält sich,
gebückt stehend, an der linken Schraube
und gießt mit der Rechten aus einem Ge-
fäß Blut in einen Kelch. Ans dem Decken-
gemälde zu Comburg sehen wir die Kelter
auf einem Lager von 4 Balken. Christus
steht im Keltertrog zwischen zwei Balken-
rahmen, welche den schweren Querblock,
deu Kelterbaum, tragen; au letzterem hält
sich der Heiland, der im kurzen Gewand
in der Haltung des Tretens dargestellt ist.
Jesus trägt in der Rechten ein Spruch-
band ; eiil Mann steht neben der Kelter,
der ans ihn hinweist und gleichfalls ein
Spruchband hält. Letzterer ist offenbar
der Prophet Jsajas und die beiden Bän-
der, deren Schrift nicht mehr zu entziffern
war, waren wohl beschrieben mit den Ver-
sen 2 und 3 des Kap. 63 bei Jsajas.

Ob die alte Kunst mit dieser Darstel-
lung speziell auf deu Blutschweiß aus Geth-
semane Hinweisen wollte, ist mir zweifel-
haft, wiewohl der Name Gethsemane —Oel-
kelter diese Beziehung nahe legen möchte.
Es wäre mit solch spezieller Absicht nicht
vereinbar, daß dem Keltertreter die Dor-
nenkrone und die Wundmale beigegeben
wurden. Mir scheint es, daß das typo-
logische Bild als eine Art Ergänzung zum
Kreuzesbild hinzutreten sollte. Es that
jener Kunst wehe, sowenig, oder, bei der
Beschränktheit ihrer Darstellungsmittel, so
gar nicht im Kreuzigungsbild die Frei-
willigkeit des Leidens und Sterbens Jesu
zum Ausdruck bringen zu können; diesen
Mangel ergänzt das Bild des Keltertre-
ters, der selbst und allein den Wein seines
Blutes keltert.

Daö Mittelbild zeigt das Kreuz;
der Heiland mit langem Lendentuch be-
kleidet, hat das Haupt auf die Schulter

gelegt; von seinen Händen laufen zwei
Spruchbänder aus; der Kreuz'estitel fehlt;
dagegen ist am obern Ende des Kreuzes
eine Figur in Brustbild zu erblicken, welche
ebenfalls zwei Spruchbänder hält. Leider
fehlen auch hier die Inschriften, sonst könnte
man mit voller Gewißheit sagen, was man
aus der kronartigeu Kopfbedeckung und
dem Mantel mit einiger Wahrscheinlichkeit
erschließen kann, daß nämlich dies eine iiüs
Kreuzbild hineingerückte Darstellung Gott-
vaters ist. Zwei Gruppen stehen unter
dem Kreuz: links Juden, an ihren Spitz-
hüten kenntlich; ihre Anführerin ist die
Synagoge, eine weibliche Gestalt, die vom
Kreuz sich entfernt und der die Krone vom
Haupt fällt; rechts eilt iu freudiger Heils-
begier eine Frauengestalt, die Kirche, zum
Kreuz hin, um in einem Kelch den aus
der Seitenwunde fließenden Blutquell auf-
zufangeu; ihr sind sieben Männer iu de-
müthig gläubiger Haltung als Repräsen-
tanten der christlichen Gemeinde beigegeben.

Den Cyklus schließt das Au fer-
st e h u n g s b i l d. Christus schwebt aus
dem Grabe empor, Siegesfahne und Spruch-
band in der Hand. Als Zeugen für die
Wahrheit seiner Auferstehung stehen aus
der einen Seite des Grabes zwei Apostel,
auf der andern zwei Frauen, vielleicht auch
zwei Engel; ein schlafender Wächter liegt
vor dem Grab. Höchst merkwürdig ist aber
zwischen Kreuz und Grab des Heilands
ein anderes offenes Grab eingefügt. Zwei
Menschen sind darin sichtbar, von welchen
der eine sich bereits halb aufgerichtet hat
und die Hände emporhebt, der (oder die)
andere noch im Todesschlummer liegt; zwei
Propheten weissagen ins Grab hinein.
Soll diese Darstellung dem christlichen
Glauben und der Hoffnung Ausdruck geben,
daß Jesu Auferstehung Unterpfand unserer
künftigen Auferstehung sei? Bei dieser
Auffassung erklärt sich die große Verschie-
denheit nicht, welche zwischen deu beiden
Insassen des Grabes obwaltet. Es sind
auch zwei Propheten ans Grab postirt,
und zwar geht der Ausspruch des einen,
wie durch die Richtung des Spruchbands
klar ausgedrückt ist, auf deu Auferweckten,
der des andern auf deu noch im Tod Lie-
genden. Wir werden demnach anzunehmen-
haben, daß der Meister hier nicht die
carnis resurrectio, sondern jene geistige
 
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