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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 5
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Restauration und malerischer Schmuck des Domes zu Eichstätt, [1]
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breite Hohlkehle erscheinen, die mit je 4
Apostelfigürchen unter kleinen zierlichen
Baldachinen geschmückt ist. Bei geöffneten
Flügeln flankireu sie den Mittelschrein, in
dessen reicher Baldachinkrönung wir die
dritten 4 Apostel finden, die aus Säulchen
stehend mit ihren Genossen in den Seiten-
hohlkehlen die Architektur des Schreines
sehr wirksam beleben. Diese Figürchen,
etwas skizzenhaft behandelt, im Uebrigen
meisterhaft geschnitten, gehören zwar dem
Ende des 15. Jahrhunderts, aber nicht
dem alten Altäre an. Der Mittelschrein,
durch zierlicke Säulchen in fünf Nischen
abgetheilt birgt fünf plastische Figuren ü 2
bis 2,10 m hoch. Die Himmelskönigin mit
dem Jesukind in der Mitte, ihr zur Rech-
ten den heil. Willibald und heil. König
Richard; ihr zur Linken die heil. Wal-
burga und den hl. Wunibald. Ihr Aus-
druck voll Geist und Würde zeigt bei einer
ziemlich realistischen Behandlung eine über-
raschende Jndividnalisirung des höheren
übernatürlichen Lebens. Mit anziehender
Lieblichkeit und zarter, reiner Jungfräu-
lichkeit blickt die hl. Walburga, das Haupt
dem traditionellen Buche mit dem Oel-
fläschcheu zugewendet, aus dem grauen,
weiß eingefaßten Schleier hernieder. Ein
goldener Habit, in langen Falten nieder-
fließend , umhüllt den zarten Leib. St.
Willibald, mit Hirtenstab und Insul rich-
tet den geistvollen Blick auf das Evange-
lienbuch, das aufgeschlagen auf der Linken
ruht; die weiße Albe, unterm Knie sicht-
bar, bedeckt eine roth lasirte Dalmatika,
über welche das goldene Pluviale falten-
reich niederfällt. Das offene Buch zur
Rechten erscheint St. Wunibald, mit dem
Abtstabe in gleichfalls goldnem Habit,
unter welchem zu Füßen ein braunes Un-
terkleid sichtbar wird, während König
Richard ein grünes mit Silberstreifen durch-
zogenes Unterkleid trägt, über welches sich
der goldene Königsmantel ausbreitet vou
der Rechten leicht erfaßt zur reicheren Ent-
wicklung des Faltenwurfes; das würdevolle
Haupt trägt die Krone, die Rechte das
Scepter. Die Himmelskönigin, eine streng-
ernste Frauengestalt in majestätsvoller Hal-
tung auf dem Halbmond stehend, ist von
Engelsfigürchen bedient; zwei über dem
Haupte schwebend tragen die Krone, die
andern 4 an der Seite und zu Füßen

heben den goldenen Mantel mit blauem
Unterfutter, wodurch stellenweise das roth
lasirte reich verbrämte Unterkleid sichtbar
wird.

Die Reliefs auf einfach rothem Hinter-
gründe sind mit ornamentalem Baldachim
schmuck überdacht, der in seinen Haupt-
theilen noch alt nur einer theilweisen Er-
gänzung bedurfte. Sie sind idealer ge-
halten als die plastischen Figuren des
Schreines und versetzen in ihrer figuren-
und phantasiereichen Komposition lebhaft
in die Leidensscenen, die sie darstellen. In
acht Bildern umfassen sie das ganze Lei-
den unsers göttlichen Heilandes. Aus der
Epistelseite: Abendmahl, Christus am Oel-
berg, Verrath des Judas, Verurtheiluug
des Herrn; auf der Evangelienseite: Gei-
ßelung, Dornenkrönung, Kreuztragung und
Kreuzigung. Naturtreue Charakterköpfe,
lebhafter Ausdruck niedriger Leidenschaften,
die sich gegen den göttlichen Dulder, der
in jedem Bilde himmlisch milde und würde-
voll erscheint, entfesseln, und einheitliche
formgewandte Durchführung des Gedankens
machen diese Reliefs zu seltenen Meister-
werken altdeutscher Sculptur, die durch
eine mustergiltige Polychromirung in der
alten Emailfassung goldreich und mit La-
surgewändern ihren vollen Werth wieder
gewonnen haben. Die äußere Seite der
Flügel, zur Zeit noch leer, wird Gemälde
erhalten.

Die Figuren der Kreuzesgruppe in der
Krönung sind zwar alt und standen ehe-
mals im Dome, aber für den verjüngten
alten Altar sind sie eine neue Zuthat.
Christus am Kreuze in einer Größe von
2,10 m mit fliegendem Tuche, das größ-
tentheilS neu ergänzt ist, trägt den Cha-
rakter der Reliefs an sich und gehört auch
ihrer Zeit an. Aelter und höchst ideal
und edel gehalten sind die zwei Neben-
figuren 2 m hoch. Die schmerzhafte Got-
tesmutter, deren übersinnlich schönes An-
gesicht ein weihevoller Schmerz verklärt,
steht etwas vor geneigt betend rechts vom
Kreuze; der goldgefaßte Mantel unter den
gefalteten Händen etwas aufgezogen läßt
unten das roth lasirte reich, verbrämte
Unterkleid erscheinen. Der Liebesjünger,
dem Kreuze links, schaut wehmüthigen
Blickes zum Gekreuzigten empor, wohin
auch die mäßig erhobene Rechte deutet,
 
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