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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 6
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Schwarz, Franz Joseph: Grammatik der kirchlichen Baukunst, [6]: Grundriß
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0059

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jeweiligen nationalen Kulturstufe gibt und
sie sich assimilirt.

Man sieht, der Satz, die Kunst, d. h.
die Künstler, nicht die Kirche, tragen das
der Kirche in Ansehung ihrer äußeren Er-
scheinung nöthige Gesetz für Bildung der
kirchlichen Kunstformen in sich, und es sei
Sache der Kunst, d. i. der Künstler, bis
zu dem ihnen gebührenden Antheil an der
Religion durchzudringen, ist eine wahre
Irrlehre und das Korrelat einer anderen.
Die letztere gibt Glauben und Kirche der
„Wissenschaft" und der menschlichen Ver-
nunft, jene die christliche Kunst, den got-
tesdienstlichen Raum, seine Ausstattung
und Eintheilung, indirekt den Gottesdienst
der Kunstakademie preis.

Von allen Voraussetzungen, auf welche
die beregte Anschauung sich gründet, ist
das gerade Gegentheil wahr, und damit
fällt der ganze Jdeengang in Nichts zu-
fammen. Die Kirche Christi hat ganz
neue Einrichtungen, Vollmachten, Aufgaben
und Bedürfnisse; ihr Gottesdienst konzen-
trirt sich in — und sammelt und ordnet
sich um einen ganz neuen Mittelpunkt,
das unblutige Opfer Christi; ihr Priester-
thum ist nicht mehr ein bloßer Schatten,
sondern der Stellvertreter Jesu und gan-
zer Inhaber feiner Gewalt; ihre Sakra-
mente sind neu und gehören 311 ihrem We-
sen, wie ihre Lehr- und Disziplinar-Gewalt.
Und das alles ist seiner innersten Natur
nach unveränderlich, keiner menschlichen
Gewalt, Fähigkeit oder Wissenschaft unter-
worfen. Sie selbst kennt ihre Bedürfnisse
und die Gesetze ihrer Existenz, die Vorbe-
dingungen ihres gesegneten Wirkens. Wo
sie immer kann, wird sie nach dem Maße
ihrer Freiheit und der äußeren Mittel nur
nach diesen Gesetzen und Bedingungen sich
richten, wie die Magnetnadel nach dem
Pol. Das ist so wahr, daß die Zustände
der Unfreiheit, oder irrthümlicher Strö-
mungen theologischer Natur auch in die
Geschichte der kirchlichen Baumonumente
und Kultgegenstände ihre Spuren einge-
graben haben. Der Jansenismus ist vor
den Thüren der Kirchen und Tabernakel
nicht stehen geblieben, um sich bloß ans
die Dogmatik, Moral und das kanonische
Recht zu beschränken, so wenig als. der
Josephinismus oder der Nihilismus der

letztverflossenen Zeit mit seiner erbarmungs-
würdigen Kirchen-Oekonomie.

Schon den Humanisten des 15. Jahr-
hunderts paßte' es in den Kram, zu be-
haupten, die christliche Basilika habe' ihren
Ursprung in der antiken Profan-Architek-
tur, und Leon Battista Alberti, Architekt
in Florenz (1405—1472) versuchte erst-
mals den Nachweis, daß die für öffent-
liche Zwecke gebauten römischen Basiliken
das von den Christen für ihre Kirchengebände
nachgeahmte Urbild seien. Seine Geistes-
verwandten haben diese Ansicht bis in die
neuere Zeit festgehalten. Zestermann I
hat ihn gründlich widerlegt, Hübsch 2) und
Kreuser3) haben sich ihm angeschlossen.
Jetzt sucht man den Ausgangspunkt in
der antiken Privatarchitektur, zuerst
in der Palast-Basilika, nenestens in dem
gewöhnlichen Wohnhaus. Diesen Stand-
punkt vertreten Dehio und v. Bezold, (a.
a. O. S. 63 ss.) nach welchen „es für
die Untersuchung des Ursprungs der in
der christlich - antiken Basilika typisirten
Bauform nur einen rationellen Aus-
gangspunkt geben kann: die Thatsache,
daß während des ersten Jahrhunderts der
Kirche, in etwas bedingterem Sinne auch
noch während des zweiten, die Stätte der
christlichen Gottesdienste das Privathaus
war..(S. 63) „Es können in der
großen Masse nur Bürger-Häuser
gewesen sein, in denen die Christen sich
versammelten", (S. 69) uub zwar im
Atrium, da es in ihnen, nicht ausgenom-
men das reiche und stattliche, regelmäßig
nur diesen einzigen geschlossenen Raum
von ausreichendem Umfange für eine got-
tesdienstliche Versammlung gab (S. 70).
Das alles wird durch eine Reihe von
Vermuthungen und Voraussetzungen näher
zu begründen versucht und dann mit dem
Ausspruch besiegelt: „Die landläufige

Rede, die Konfiguration des christlichen
Kirchengebäudes sei bestimmt durch den
Geist und das Bedürfnis; des christlichen
Kultus, ist also so wenig wahr, daß man
sie vielmehr umkehren muß und sagen:

0 Die antiken und die christlichen Basiliken.
Leipzig, 1847.

ch Die altchristlichen Kirchen. Karlsruhe 1861.
Text XXI.—XXIX.

8) Der christliche Kirchenbau, 2. Ausl. Re-
gensburg 1860. 1. Bd. S. 30 ff.
 
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