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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 6
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Schwarz, Franz Joseph: Grammatik der kirchlichen Baukunst, [6]: Grundriß
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [2]: die Vorgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0060

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56

Der christliche Kultus ist nach seiner äuße-
ren Einrichtung bestimmt durch die Vor-
gefundene Konfiguration des antiken Hau-
ses." Es klingt etwas wie Irrsinn aus
diesen Worten, welche konsequent das end-
zweckliche Prinzip und damit auch das
vernünftige Grnndelement aus dem Leibe
jeder Architektur reißen müßten. Gewiß
fällt es keinem vernünftigen Menschen ein,
zu behaupten, daß die Konfiguration der
militärischen Bauten durch die Konfigu-
ration der in der Noch zu Vertheidi-
gungszwecken benützten Häuser, Garten-
Mauern oder Erdwälle bestimmt sei, nicht
aber umgekehrt durch den Zweck der Ver-
theidigung oder des Angriffs und der Be-
schaffenheit der Mittel beider. Und wie
der Militär sagt, wie die Festung ge-
baut, und die medizinische Wissenschaft,
wie das anatomische Theater eingerichtet
sein muß, so geht es durch alle Gebiete
der Wissenschaft, der höheren und niede-
ren Technik herab bis zum einfachsten
Handwerk, welche den bauenden Künstler
oder den bloßen Handwerker bedürfen.
Oder ist das treibende Motiv dieser fal-
schen Anschauung etwa gar ein theologi-
sches? Will man damit „das reine Chri-
stenthum" ohne Opfer, ohne Sakramente
und Disziplin auch mit kunstgeschichtlichen
Argumenten konstruiren oder wenigstens
stützen? Das tendenziöse Unterfangen
stünde dann nicht vereinzelt. Die Kata-
komben sind gewiß Monumente, in wel-
chen die Steine, Bilder, Altäre mit ihren
Gräbern heiliger Märtyrer aus der Mauer
schreien, um den alten katholischen Glau-
ben zu verkündigen. Auch das soll jetzt
nicht mehr sein. Da sie aber doch einmal
den Protestantismus nicht predigen, so
wird — wie Theophile Roller in seinen
»Catacombes de Rome« gethan — die-
ser Theil der alten Dogmen- und Kunst-
geschichte nach der Parole behandelt: „Die
Katakomben sind weder protestantisch, noch
katholisch". Oder soll diese Art, die
Kunstgeschichte zu behandeln, das wissen-
schaftliche Fundament des Anspruchs bil-
den, daß den Künstlern die Alleinherrschaft
im Gebiete der christlichen Kunst gebühre,
die Kirche aber alles ungeprüft aus deren
Händen anzunehmen habe? Diese Tendenz
wäre dem säknlarisirenden Geist der Zeit
ganz angemessen, dürfte aber in ihrer Ge-

fährlichkeit leicht erkennbar und geeignet
sein, die berufenen Wächter zu doppelter
Wachsamkeit und Energie im Widerstande
aufzurufen.

(Fortsetzung folgt.)

Die Musterschule der monumen-
talen Malerei.

Von Prof. Dr. Keppler.

(Fortsetzung.)

3. Die Vorgeschichte.

Unserer Periode geht voraus die Herr-
schaft jenes Stiles, den man den byzan-
tinisch-romanischen nennt. Für unfern
Zweck genügt es, ihn als einheitlichen zu
nehmen, und jene Charaktermerkmale anzu-
gebeit, welche bei allen innern Wandlungen
und äußern Verschiebungen sowohl die Epoche
des rein byzantinischen Stils, als die der
Vermischung desselben mit romanischen Ele-
menten, als die der vorwiegend romanischen
Richttlng zu Einem Ganzen zusammen-
schließen.

Historisch gefaßt ist dieser ^Stil jener
geschlossene Kanon, jenes feste System von
Normen und Regeln für heilige Darstel-
lungen, welches Byzanz zur Geburtsstätte
hat, um die Zeit Justinians I. sich zu ent-
wickeln begann, bald in Folge der Be-
ziehungen zwischen Byzanz und Italien
sich auch in diesem Land einbürgerte, vom
8. Jahrhundert an besonders sich be-
festigte, und bis zum Anfang des drei-
zehnten eine fast allgemeine Herrschaft be-
hauptete. Dieser Kanon erscheint bald
mehr bald weniger streng geschlossen und
verhärtet; namentlich von Anfang des
zweiten Jahrtausend an aber dringt auch
in seine vielfach verknöcherten Normen und
Formen jene freiere Richtung ein, die auf
dem Gebiet der Skulptur und Architektur
den romanischen Stil'geschaffen hat, und
die man daher auch hier als romanische
bezeichnet.

Die Seele dieser Kunstwelt ist eine
durchaus christliche. Ernster hat es viel-
leicht die Kunst mit ihrer heiligen Ausgabe
nie genommen, als zu jenen Zeiten. Soll
das Heilige und Heiligste in irdischen For-
men zur Darstellung kommen — diese
Ueberzeugung beherrschte alles — so können
sich als würdiges Bild dafür nur die Züge
 
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