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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 6
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [2]: die Vorgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0061

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57

höchster Hoheit, erhabensten Ernstes und
feierlicher Strenge bieten. Wenn, die Natur
in's Haus Gottes eintreten will, so darf
sie es nur in der denkbar ernstesten Hal-
tung. Dieses Grunddogma der damaligen
Kunst war durch das Feuer und Blut
des Jkonoklasmus hindurchgegangen und
hatte sich in diesen furchtbaren Kämpfen
noch mehr befestigt, wurde auch durch die
Flüchtlinge dieser Schreckenszeiten im Abend-
land noch mehr eingebürgert.

Aus dieser Grundrichtung ergibt sich die
ganze ehrfurchtgebietende Größe dieses Stils.
Er sinkt nicht iiüs Profane herab; er ist
losgelöst von der Welt und dem Irdischen,
ein ernster Prediger christlichen Glaubens;
er wahrt unerschütterlich seinen Charakter,
ja läßt die Jahrhunderte an sich vorüber-
ziehen, ohne von ihrem Wechsel berührt zu
werden, wie er andrerseits Werke schafft,
denen die mit Vorliebe verwendete Technik
der Mosaik eine Dauer von Jahrhunderten
verleiht. Wahrlich man darf über diese
Kunstepoche und ihre Leistungen nicht ver-
ächtlich wegsehen. Ein ernstes, liebevolles
Studium derselben ist sehr zu empfehlen.
Man betrachte die Mosaiken St. Con-
stanza, St. Pudentiana, S. Cosma e
Damiano, St. Maria maggiore (Mittel-
schiff) in Rom, die im Baptisterium und
der Grabkapelle der Galla Placidia, in
S. Vitale, S. Apollinare in Classe und
Apollinare nuovo sowie in der erzbischöf-
lichen Kapelle in Ravenna, in S. Am-
brogio in Mailand, — sodann die Mo-
saiken in St. Marco in Venedig, die fast
50 000 Quadratfuß decken und sowohl
Proben des belebteren (Kapelle S.

Zeno), als des ganz erstorbenen byzanti-
nischen Stils (sämmtliche Kuppeln, mit
Ausnahme der im rechten Querschiff) bie-
ten, ferner die ganz byzantinischen Mo-
saiken der Dome von Murano und Tor-
cello bei Venedig, — man besichtige das
Baptisterium zu Florenz, das sowohl rein
byzantinische als rein romanische Mosaik-
gemälde aufweist, sodann namentlich das
ganz mit romanischen Fresken aus dem
13. Jahrhundert bedeckte Baptisterium zu
Forma, auch die Gemälde des Sacro speco
ut Subiaco, — man wird von der Würde,
Majestät und Erhabenheit dieser Werke
heute noch überwältigt werden.

Das Studium derselben wird zweifache

Frucht haben: es wird einmal das Ver-
ständnis; der folgenden Periode erleichtern,
sodann ein Hanptgesetz der monumentalen
Malerei zum Bewußtsein bringen: daß sich
nämlich für sie eine ernste, strenge, sozu-
sagen architektonische Haltung zieme, da
sie mit der Architektur gewissermaßen zu
konkurriren hat. Ja für die monumentale
Malerei par excellence, für die Mosaik-
malerei sind heute noch hier die nicht nach-
zubildenden, aber orientirenden Muster zu
suchen. Hier verlangt das Material selbst,
in welchem gearbeitet wird, nach einem
iLtil von größter Strenge, höchster Ein-
fachheit und Sparsamkeit und von gran-
diosen Zügen.

Nun dürfen aber die großen Schatten-
seiten dieses Stils nicht verschwiegen
werden; sie verbieten, an eine eigentliche
Nachahmung desselben zu denken.

Sein Grundprinzip ist einseitig, allzu
rigoros und ohne durch die christliche Lehre
dazu berechtigt zu sein, schließt er Natür-
lichkeit, Anmuth und Schönheit als wür-
diges Abbild des Heiligen und Uebernatür-
lichen, als bildlichen Ausdruck für das
Göttliche und Ewige fast vollständig aus.
Ja der gesunkene byzantinische Stil scheint
fast die Unnatur vor der Natur zu bevor-
zugen.

Ferner ist ihm eine Signatur der Un-
freiheit ausgebrannt. Unfrei und beschränkt
ist er schon in der Wahl seiner Objekte.
Seine Mittel erlauben ihm nicht, oder
kaum, Bewegung, Thun, Leben, Geschehen
darzustellen; er kann nur ruhiges Sein
nachbilden; daher befaßt er sich auch mei-
stens nur damit, Gott, Christus, die Hei-
ligen in der Ruhe der ewigen Verklärung
vorzustellen; auch wo er ein Thun schil-
dern will, nimmt dies Thun mehr den
Charakter des Seins an. Man sieht,
diese Malerei ist noch unmündig; sie kann
erst einzelne Worte sprechen, noch nicht
reden und erzählen.

Er bindet und knechtet aber auch sich
selbst immer mehr durch seine eigenen Ge-
setze. Nicht in allgemeiner gehaltenen Grund-
sätzen fixirt sich dieser Stil, sondern ver-
zweigt sich in eine Uebersülle von Einzeln-
vorschriften über Wahl, Komposition, Ein-
zelausführung, Kolorirnng der Gemälde.
Für Bildung voir Schulen war diese Aus-
 
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