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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 6
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [2]: die Vorgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0064

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Sein Ziel und Zweck ist vielmehr mög-
lichst klare und wahre, möglichst ties er-
greifende, möglichst einfache und bündige
Darstellung der hl. Gegenstände und Vor-
gänge. Die Nachbildung der Natur ist
ihm lediglich nur Mittel, nicht Zweck.

Das zeigt schon die Knappheit und
Beschränkung, welche er sich in seiner
Komposition auferlegt, — einer der
Hauptvorzüge, die ihn zum Meister der
monumentalen Malerei erheben. Er nimmt
nur soviel Personen in seinen Rahmen
herein, als nöthig, d. h. als entweder selbst
bei der Scene betheiligt sind, oder zur
Jllustrirung und Verdeutlichung zu dienen
haben. Bloße Ausfüllfiguren, Bereicherung
der Komposition aus bloß künstlerischen
und malerischen Motiven gibt es bei ihm
nicht. Von den in seine Komposition auf-
genommenen Figuren ist keine müßig, keine
indifferent und unbetheiligt am geschilderten
Vorgang; sie stehen alle im Bann und
unter dem Eindruck dieses Vorgangs und
haben zum mindesten die Aufgabe, ihn in
Gesicht, Stellung, Bewegung zu reflektiren,
und gleichsam dem Beschauer zu sagen,
wie er ihn aufzufassen, mit welchen Affekten
er ihn zu begleiten habe.

Was seine Körperwelt anlangt, so
zeichnet er zwar das, was die alte Kunst
allmählig denaturalisirt hatte, wieder in's
Natürliche; aber er formt und bildet doch
auch den Körper nicht um seiner selbst
willen, er modellirt ihn nicht plastisch her-
aus; die menschliche Gestalt ist mehr nur
Hülle und Ausdruck für einen Affekt und
Gedanken. Für das menschliche Antlitz
hat auch er gewisse konstante, freilich mit
künstlerischer Freiheit verwendete Typen;
er individualisirt nur soweit es nöthig ist.
Die Gewandung ist mit großer Einfach-
heit und Sparsamkeit behandelt; sie soll
nicht für sich wirken, sondern kommt ledig-
lich nur als Hülle der Gestalt in Be-
tracht.

So ist auch der Raum, der Schau-
platz und Hintergrund, die landschaftliche
Staffage mit größter Einfachheit behandelt,
mehr ideal oder symbolisch angedeutet, als
in den Verhältnissen der Wirklichkeit ge-
dacht unb ausgeführt. Nur soviel soll ge-
boteu werden, als zur Darstellung und
Erklärung des Vorgangs nothwendig ist.
Man mag lächeln über diese Miniatur-

Häuser, die halb so groß sind, als die
Menschen, über diese kleinen niedrigen
Hallen und Thore, über diese seltsam auf-
gestusten Berge, die ein andermal schroff
abgeschnitten erscheinen, um die Scenen
von einander getrennt zu halten, ■— aber
man meine ja nicht, daß Giotto und die
Seinigen aus Unkenntniß, oder Unver-
mögen, oder perspektivischer Unfähigkeit ihre
Hintergründe so arrangirt haben. Sie
hätten Kenntnis; und Kunst genug gehabt,
die Natur sorgsamer nachzubilden; aber sie
verschmähen es, sie wollen das Neben-
sächliche nebensächlich behandeln; alles das
kommt für sie nicht um seiner selbst willen
in Betracht, sondern lediglich als Beiwerk;
es soll malerisch nicht Mitwirken, sondern
hat nur den Schauplatz zu repräsentiren.

Nun erkennen wir, in welchen: Sinn
Giotto Naturalist ist: Nachahmung der
Natur ist ihm nur Mittel zum Zweck,
nicht Selbstzweck. Er hat eine gewaltige
Aenderung in der religiösen Kunst hervor-
gerufen, aber an ihrem Geist hat er nichts
geändert. In aller Strenge, in seiner
ganzen Reinheit und Erhabenheit hat er-
den Begriff der religiösen Kunst ans der
alten Zeit herübergenommen. Er hat sich
keine andere Aufgabe gesetzt, als die alten
kirchlichen Meister: auch er will das Hei-
lige ans möglichst heilige Weise ansspre-
chen; rein malerische und künstlerische Er-
wägungen und Motive können ihn in die-
sem obersten Prinzip niemals iin gering-
sten wankend und unsicher machen. So
streng hält er es fest, daß er von seinen
Naturkenntnissen nur den enthaltsamsten
Gebrauch macht; daher liegt in seinen
Bildern nicht viel äußerlich anziehende
Schönheit, vielmehr eine gewisse herbe, kurz
angebundene männliche Kraft, aber eben
darum desto mehr geistige Schönheit, die
dem denkenden Beschauer sich offenbart.

Zeigt diese seine Stellung zur Natur,
wie ernst er es mit der religiösen Ausgabe
der Kunst nimmt, welcher er nur andere,
wahrere Formen zur Verfügung stellen
will, so beweisen seine Freskogemälde, wie
klar er sich die Aufgabe und den Berns
der monumentalen Malerei gemacht hatte.
Auf's feinfte weiß er, selbst auch Bau-
meister, seine Hauptkunst den architektoni-
schen Gesetzen anzubeqnemen, die Linien
der Architektur in der Dekoration, in der
 
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