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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 6
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Restauration und malerischer Schmuck des Domes zu Eichstätt, [2]
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Die Pfarrkirche zum hl. Martin in Kaufbeuren
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0068

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64

abwärts ausgestreckt, als ob sie dem Ur-
theilsspruche Ausdruck geben wolle: „Wei-
chet von mir ihr Verfluchten." Unter der
Weltkugel, noch im innern Raum des Uhr-
blattes , tauchen aus Wolken zwei Engel
auf, abwärts die Posaune zum Gerichte
blasend. Das ganze Bild erinnert lebhaft
an den Christus als Richter in der Sche-
del'schen Chronik vom Jahre 1493. Diese
beiden Gestalten, großartig und reich in
ihrer Komposition und stilgerecht in ihrer
Durchführung, sind von gewaltiger Wirkmtg
und zeigen, wie die monumentale Malerei
auch bei ihren einfachen Mitteln Großes
zu leisten vermag.

Mit der Polychromirung des Chores,
den Glasfenstern und dem Altäre sind drei
hervorragende Restaurations-Arbeiten voll-
endet und dem Cichstätter Dome drei Edel-
steine von dauerhaftem Künst-Werthe ein-
gesügt. Ein Hauptverdienst der Restaura-
tion liegt wohl darin, daß sie das werth-
volle Figurenwerk des alten Altares wieder
zu Ehren brachte und in den Zuthaten und
neuen Schöpfungen sorgfältig und geist-
reich die Spuren der Gothik aus der besten
Zeit aufsnchte. Da diesen Sommer in
gleicher Weise die Restauration des Kirchen-
schiffes in Angriff genommen wird, so läßt
sich mit Zuversicht erwarten, daß Eich-
stätts Dom, nach Vollendung seiner stil-
gerechten Restauration das Wohlgefallen
und die Aufmerksamkeit der Kenner und
Freunde kirchlicher Kunst in reichlichem
Maße gewinnen wird. 14.

In Folge oben beschriebener, stilgerechter Re-
stauration des gothischen Domes ju Eichstätt
wurde das bisherige Chorgestiihl ans dein Chore
entfernt. Gefertigt gegen Ende des vorigen Jahr-
hunderts von dem fürstbischöflichen Hofbildhauer
Alexander von Breitenaner, der seiner Zeit in
weiten Kreisen einen guten Namen hatte, würde
dies Gestühl, in seiner Art vortrefflich, einer
nicht gothischen Kirche zur Zierde gereichen.

Die Zahl der Sitze beträgt auf jeder der
zwei Reihen 12, (in Summa 24) und mit Ab-
rechnung eines Sitzes, vor welchem die Mittel-
thnre sich öffnet tt, in einer Gesammtlänge von
9 in beziehungsweise 18 in und einer Höhe der
Gesammtrückwand vom Fußboden bis zur ober-
sten Linie des Gesimses 3,18. Jeder Sitz ist
1,53 tief mit Rückwanddicke 1,58, wovon 0,45
auf den Sitz, 0,81 ans dem Zwischenraum zwischen
Sitz und Vorderbank und 0,27 ans die Vorder-
bank entfallen. Die Füllungen an der Vorder-
bank und an der Rückwand sind mit gut ge-

schnitztem Ornamentschmuck geziert, der and) am
oberen Schlußgesimse entsprechende Anwendung
findet. Genanntes Gestühl wird um einen ent-
sprechenden Preis abgegeben.

Die Pfarrkirche zum hl. Akartin in
'Kaufbeuren.

Dieser einfach, aber großartig angelegte gothische
Bau harrt noch, wie viele andere Schicksalsge-
nossen, ans seine Restauration. Die nächstbethci-
ligten Pfarrgenossen sind einig in dem Verlan-
gen darnach; aber es herrscht Meinungsverschie-
denheit unter den Rathenden und den Berathenen
über die Art, in welcher restaurirt werden soll.
Zwar hat die Kirche während der Herrschaft der
Renaissance und des Roeoeo baulich nur wenige
Veränderungen erlitten; sie beschränken sich im
Wesentlichen auf die dekorative Ausstattung des
Chorgewölbes und das an die Stelle des ur-
sprünglichen Holzgetäfels getretene Scheingewölbe
des Mittelschiffs. Aber die Nebenaltäre und
Kanzel sind zöpfisch. Der Hochaltar ist modern.
In den Augen einiger Kunstliebhaber sind diese
Werke von solcher Bedeutung, daß sie ihre Er-
haltung wünschen und von diesem Ausgangspunkt
auch die übrige Restauration geplant wissen wol-
len. Dann also bestände sie im Wesentlichen in
einer Erneuerung des alten Zustandes und, da
zwei der Nebenaltäre wurmstichig sind und
eine Restauration kaum aushallen, im Er-
satz derselben durch zwei neue, im Geiste der
alten gebildete. Dieser Standpunkt hat jedoch
große Bedenken gegen sich und birgt fiir diejeni-
gen. welche vor der Mit- und Nachwelt die finan-
zielle und künstlerische Verantwortung tragen, sehr
gefährliche Schwierigkeiten. Es dürfte nämlich
kaum ernstlich bestritten werden, daß nicht der
spätere Einbau, sondern das Baumonument den
Ausgangspunkt für alle die Restauration betref-
fenden Entschließungen bilden muß. Nun aber
ist der durch Größe, gute Verhältnisse und Fen-
sterbildung majestätische Chor durch den riesigen
und dabei werthlosen Hochaltar in allen diesen
Beziehungen alterirt; der primitive, wirkungsvolle
Chor existirt so zu sagen gar nicht mehr. Möge
sich Kausbenren seiner erbarmen, den Altar ent-
fernen und ihn durch einen gothischen, im Charakter
eines reichen Flügel-Schreines gehaltenen Altar
mit gemaltem und plastischem Bildwerk ersetzen,
das Maßwerk der drei vorderen, bis jetzt den
Blicken entzogenen, auch der übrigen Chorfenster
erneuern, stylgerechte Glasmalereien einsetzen, das
Gewölbe des Chors der wenigen späteren Zu-
thaten entkleiden, das alte Chorgestühl styleinheit-
lich ergänzen und den ganzen Chor figurativ und
dekorativ polychromiren. Dagegen — so dürfen
wir hoffen — wird kein ernster und allseitig ge-
bildeter Kunstkenner Einspruch erheben können.
Ist einmal das geschehen, dann ist über den
ferneren Restanrationsplan leichter zu diskutiren.
Bis dahin also wollen wir — soweit es ans
uns ankommt — die Besprechung ruhen lassen.

Stuttgart, Buchdruckerei der Akt.-Ges. ..Deutsches Voiksblatw.
 
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