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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 7
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0075
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71

Himmel zu finden, der übrigens auch die
Kirche iu Assisi überspannt; bei uns war
man vielfach genöthigt, gegen ihn anfzu-
treten. Man beachte aber, daß hier das
Blau nicht die einzige eigentliche Farbe
in dem Kirchenranm ist, etwa noch neben
Ockergelb oder Weiß, wie man es häufig
bei uns zur Tortur der Angen sehen konnte.
Hier ist die ganze Kirche in Farben ge-
hüllt, deswegen stört diese machtvoll anf-
getragene blaue Farbe in keiner Weise.
Im Gegentheil, diese ruhige Farbenfläche
ist nothwendig. Es wogt eine reiche und
bewegte Farbenharmonie durch den ganzen
Raum hin, sie klingt in dem blauen Ge-
wölbe aufs schönste aus und zusammen,
wird von oben gleichsam beruhigt und ge-
bunden, aus ihrer Vielheit und Mannig-
faltigkeit in eine Einheit zusammengefaßt.
Uebrigens ist anznfügen, daß in den blauen
Raum zwei große und acht kleine Medail-
lons eingelassen sind, und auch dadurch die
weite Farbensläche unterbrochen wird.

Steht nun so die malerische Ausstattung
im schönsten Einklang mit dem Ban, so
stellt sie auch für sich eine herrliche gei-
stige Einheit dar. Die obere Chorwand
nimmt die großartige Darstellung des Hei-
landes in der Glorie ein; darunter sehen
wir die Verkündigung, die Vorbereitung
seines Erdenwandels; durchs Langhaus
hin zieht sich in einer Prozession von Bil-
dern das Erlösungsleben und Heilsleiden
Jesu, das in die Glorie des Himmels zn-
rückführt, seinen Abschluß aber findet im
jüngsten Gericht, welches die untere Schlnß-
wand einnimmt. Die Glaubenslehre der
Kirche ist somit hier in Farben angeschrie-
ben; aber auch die christliche Moral fehlt
nicht. Unter jenen Bildern zieht sich hin
der Weg der Tugend und des Lasters;
der erstere mündet ans zur Rechten des
Richters, dort, wo die Gerechten der ewi-
gen Herrlichkeit entgegengehen, und zwar
ist es die Hossnnng, welche mit Recht die-
sem Beseligungsmoment zunächst steht; der
Weg des Lasters mündet in die Hölle und
zwar ist die letzte unter den Gestalten des
Lasters und die nächste an der Hölle die
Verzweiflung, die alle Verbindung mit Gott
endgiltig gelöst hat. Wir sehen, wie hier
überall ein völlig geschlossener Jdeengang
eingehalten ist.

Die hier verwendeten Allegorien der

Tugenden und Laster sind weit befriedigen-
der, als die der Ordensgelübde in Assisi;
sie sind nicht in historische Szenen ausge-
nommen, haben nicht zu handeln, sondern
sind Gestalten in der Ruhe, die nur re-
präsentiren. Dabei ist ihre symbolische
Ausstattung nicht so komplizirt und ge-
meinverständlicher. Zum Theil walten hier
herrliche symbolische Gedanken, welche
durchaus verdienen würden, von der Kunst
wieder ausgenommen zu werden. Die Kom-
positionen ans der hl. Geschichte aber sind
in ihrem meisterhaften Entwurf und ihrer
Erhabenheit bei aller Einfachheit nachahm-
bar und nachahmungswürdig (mit Aus-
nahme der Geburt Jesu, in welcher Giotto
sonderbarer Weise nach der alten griechi-
schen Art Maria ans ein Bett hingelagert
sein und von einer Frauensperson bedient
werden läßt). Einige, wie die Aufer-
weckung des Lazarus, das Abendmahl, die
Dornenkrönung, die Kreuztragung und
Grablegung sind durchaus klassisch.

Auf eine Einzelbesprechnng der Bilder
können wir umso eher verzichten, als der
gründliche Kenner Or. Erich Frantz in
der T ü b i n g e r Q n a r t a l s ch r i s t (1879
S. 564—609) einen sehr eingehenden und
trefflichen Kommentar zu dem ganzen Eyk-
lus gibt, der allen Besuchern der Arena
das Verständnis; sehr erleichtern wird.

d) Auch in Sant Antonio zu Pa-
dua hatte Giotto's Pinsel gearbeitet. In
der Capella del Capitolo malte er das
Leben der hl. Antonius und Franziskus.
Aber mehrere Brände zerstörten die Fres-
ken und führten zur Umgestaltung des
Baues selbst. Gegenwärtig ist der Raum
nur noch von der Sakristei ans zugäng-
lich und zeigt als einzige Reste seines
einstigen Freskenschmnckes noch einige im
Jahre 185k anfgedeckte Heiligengestalten,
deren Hoheit und geistige Durchbildung
mit Sicherheit ans Giotto's Pinsel weisen,
nämlich die Figuren der hl. Klara, des
Jsajas, Daniel, Franziskus, Johannes
Bapt. und eine Personifikation des Todes.

Als kleines Spezimen der Kunst Giot-
to's mag auch die Gewölbemalerei der
vierten Kapelle links in 3. Giovanni
Evang. in Rav enn a erwähnt werden,
bemerkenswerth dadurch, daß Giotto hier-
in die vier Felder je einen Kirchenvater
und einen Evangelisten znsammenstellt, und
 
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