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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 7
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [3]
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Die Missalbänder
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0077

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73

Oder man betrachte die Auferweckung
der Drusiana durch den Apostel Johannes.
Welch' liebliches Jneinanderwogen von
Affekten in den einzelnen Gruppen! Glaube
und Zuversicht auf dem Antlitz der Frauen,
welche vor Johannes knieen, Verwunde-
rung, Staunen und Freude auf den Ge-
sichtern der Gruppe zur Rechten, welche
bereits das Geschehen des Wunders vor
Augen haben, herrliches Lebensgefühl, das
eben in die Gestalt der Drusiana zurück-
gekehrt ist und sie aus der Todtenstarre
in reiche Bewegung gebracht hat und das
auf ihr Antlitz einen lieblichen Schimmer
der Wonne und holder Verwirrung legt.

Von besonderer Schönheit ist auch die
Himmelfahrt des Apostels. Die Anord-
nung mag allerdings aus den ersten Blick
seltsam erscheinen; aber der Meister wählte
sie im Streben, sich ganz genau an die
Legende zu halten. Da nämlich nach die-
ser der Heilige sein Grab in der Kirche
zurichten ließ und hier sich zum Sterben
niederlegte, andern Tags aber von den
Seinigen nicht mehr vorgefunden wurde,
so verlegt der Maler die ganze Szene in
eine Kirchenhalle, durchbricht aber einfach
deren Decke und läßt durch die Lücke Chri-
stus herab- und den Apostel hinaufschwe-
ben. Aber wenn man von diesem Noth-
behels absieht, was sind das für herrliche
Gruppen, die das Grab flankiren! Einer
ist, durch den übernatürlichen Vorgang ge-
blendet, rücklings zu Boden gestürzt; ein
anderer steht ausrecht, schützt aber sein
Auge durch die vorgehaltene Hand; ein
anderer schaut in dunkeln Zweifeln be-
fangen ins Grab hinab; andere sind in
ihrem Sinnen und tiefen Nachdenken zu
Statuen erstarrt; wieder andere können
sich nicht zurückhalten, sie müssen laut in
erregter Rede ihrem Staunen und ihrer
Meinung Ausdruck geben. (Forts, folgt.)

Die Missalbänder.

Im „Ambrosius" und aus ihm in dem
„Anzeiger für die kath. Geistlichkeit Deutsch-
lands" ließ sich folgende Klage vernehmen:

„Neulich las ich in einer Klosterkirche, wo doch
sonst gewöhnlich alles in Ordnung ist, die hl.
Messe. Zufällig waren verschiedene Kommemo-
rationen und ich gebrauchte deshalb mehrere
Buchzeiger. Es war aber eigentlich keiner zu
sehen. Nicht als ob solche nicht vorhanden ge-

wesen wären. Das schon, aber sie waren so in
einander hinein „gewurstelt", daß sie auf die
Hälfte ihrer Länge reduzirt waren und nicht mehr
genügend zwischen den Blättern hervorschauten.
Jeder der dort celebrirenden Herren hatte eben
immer die Bnchzeiger gelegt, wie es gerade be-
quem war, und daher schließlich dieses vollstän-
dige Jneinanderliegen. Es kostete mich geraume
Zeit, bis ich die Bänder wieder in Ordnung ge-
bracht hatte, jedenfalls mehr Zeit, als es den
einzelnen gekostet hätte, um die Bänder nach
ihrer Reihenfolge zu legen. Möge man auch in
dieser Hinsicht denken: dilexi decorem domus
Dei, denn schön und erbaulich sieht es in der
Thal nicht aus, wenn aus dem Missal so ein
Konglomerat von Knoten herausschaut."

Der getadelte Uebelstand besteht unfrag-
lich. Aber er ist nicht der einzige und
wird durch bloße Mahnung wohl auch
nicht abgestellt werden. Das beste Mit-
tel zur Beseitigung dieses und der anderen
Mißstände ist die zweckentsprechende Form
und der richtige Stofs der Missalbänder.

Als Stoff eignet sich bloß kräftige Seide.
Vielfach trifft man Missalbänder aus Wolle.
Sind sie vollends eingerichtet wie die oben
getadelten, so schaden sie auch dem Buche,
besonders, wenn die Wolle von schlechter
Qualität und rauh ist. Ueberdies ist die
Seide elastischer und verhindert das Um-
legen und Verschränken des Bandes.

Eben so wichtig ist die Form. Die Bän-
der sollen nicht unter 3 cm breit sein, da-
mit sie die oft nicht geringe Last der Mis-
salblätter mit breiter Basis fassen können
und gegen das Verschränken noch mehr
geschützt sind. Die Hauptsache aber ist,
daß die Bänder niemals unmittelbar
an die außerhalb des Missals liegenden
hölzernen und mit Seide übersponnenen
Bügel befestigt, sondern zunächst an
Schnüre oder Litzen von sehr guter Seide
angenäht werden. Diese Litzen, 13—14 cm
lang, werden doppelt um eine unter dem
Bügel laufende, in dessen Seiden-Umhüllung
eingesponnene starke Schnur geschlungen,
so daß zwei gleiche Theile sich bilden; an
deren Ende wird je ein an den Winkeln
eingeschlagenes Missalband kräftig und fest
genäht. Vier solchergestalt gebildete Band-
paare werden in gleichen Abständen an der
unter dem Bügel befindlichen Schnur be-
festigt. So wird sich niemals ein „Kong-
lomerat von Knoten" bilden. An dem
unteren Ende der Bänder kann zur Ver-
zierung eine mit Seide übersponnene Eichel
angebracht werden, welche in die umge-
 
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