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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 8
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0088

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84

len Katechismus der Technik dieser Schule,
in welchem er uns einen Einblick in die
Werkstätte jener Künstler vermittelt und
mit größter Pietät, mit einer Genauigkeit,
deren vielleicht nur ein etwas inferiorer,
auf eigenes Suchen und Erfinden ver-
zichtender Schüler fähig war, den ganzen
Besitz und Reichthnm jener Schule an
technischen Regeln, Vortheilen, Vorschriften,
Erfahrungen registrirt.

Diese sehr merkwürdige Schrift, welche
Cennini nach zwölfjähriger Schulung durch
Agnolo verfaßte, beginnt: „Anfang des
Buches von der Kunst, gemacht und zn-
sanunengestellt von Cennino da Colle, in
Verehrung Gottes, der Jungfrau Maria,
des hl. Eustachius, des hl. Franziskus, des
hl. Johannes des Täufers, des hl. Anto-
nius von Padua, aller Heiligen Gottes, in
Verehrung des Giotto, Taddeo, Agnolo, des
Lehrers von Cennini, und zum Vortheile,
Wohle und Nutzen dessen, der zu besagter
Kunst gelangen will" (übers, u. herausg.
von Jlg in denOnetlenschriften für Kunst-
geschichte von Eitelberger und Edelberg
Band I. Wien 1871). Die Schrift zer-
legt sich in 189 Kapitel meist technischen
Inhalts. Nach einem eingehenden Zeichen-
unterricht folgen Anweisungen über die
Farbenbereitung, Pinselfertigung, Zurich-
tung der Mauer und der Malfläche, über die
Maße des menschlichen Körpers („ehe ich
weiter gehe, will ich dir die Maße eines
Mannes ausschreiben, die der Frau lasse
ich bei Seite, weil sie keine ebenmäßigen
hat" c. 70), über das Malen der Ge-
wänder, des Wassers, Fleisches, Leich-
nams n. s. f. Von allgemeinerer Bedeu-
tung sind folgende Lehren:

„Vergnüge dich unermüdlich mit dem
Nachahmen der besteil Sachen, die du von
den Händen großer Meister finden kannst.
Bist du an einem Orte, wo viele große
Meister leben, umso besser für dich. Den
Rath aber gebe ich dir: trachte stets das
Beste zu wählen und was den höchsten
Ruhm hat. Folgest du nun Tag für Tag,
so wäre es wider die Natur, wenn du in
seine Manier und seinen Luftkreis nicht
miteinbezogen würdest, während, wenn du
dich entschließest, heute nach diesem, mor-
gen nach jenem Meister zu zeichnen, du
weder des einen noch des anderen Weise
dir aneignen wirst. Und du wirst mit Ge-

walt ein Phantast werden und die Nei-
gung zu jedem Stil wird dir den Kopf
verwirren. Willst bu jetzt also nach der
Weise dieses arbeiten und nach jener mor-
gen, so wirst du in keinem vollkommen
werden. Folgest du aber Einem ununter-
brochen, so muß dein Sinn schwerfällig
sein, wenn er nicht einige Nahrung da-
von zieht. Dann wird es geschehen, wenn
dir die Natur nur ein Bischen Phantasie
verliehen hat, daß du eine dir selber eigene
Materie wählest und sie wird nicht an-
ders als gut sein können, da deine Hand
und dein Verstand, stets gewohnt, Blumen
zu pflücken, schwerlich Disteln nehmen
werden" (c. 27).

Man hat Cennini schon hart angelassen
wegen dieser Regel und ihn sklavischen
Sinnes beschuldigt, der am wohlsten sich
fühle, wenn er gar nicht mehr selbstän-
dig zu denken und zu erfinden brauche,
sondern blindlings Einem Herrn und
Meister folgen könne. Allein einmal ist
die Empfehlung Eines Meisters nicht ex-
klusiv gemeint, sonst könnte ja Cenneni es
nicht als Glück preisen, an einem Ort zu
sein, wo mehrere Meister leben. Daß aber
die Weisung, nicht gleichzeitig in den Ge-
leisen verschiedener Meister gehen zu wol-
len und Einen als eigentlichen Führer
anzunehmen, für Schüler, Anfänger und
die ganze große Mehrheit der gewöhnlichen
Talente doch eine wahre Klugheitsregel
ist, wird nicht zu leugnen sein. Er denkt
aber auch an kein todtes mechanisches
Nachbeten, wie folgende Lehre beweist:

„Bemerke, daß die vollkommenste Führe-
rin, welche man haben kann, das beste
Steuer, die Triumphpforte des Zeichnens,
das Studium der Natur ist. Es steht
dies vor allen anderen M u st e r n,
diesem vertraue dich immer mit glühender
Seele an, namentlich wenn du anfängst,
einiges Gefühl für das Zeichnen zu be-
kommen" (c. 28).

Die M oral des Künstlers aber faßt
er in Einen Satz: „Dein Leben soll im-
mer sein, als hättest du Theologie, Philo-
sophie oder andere Wissenschaften zu stn-
diren, du sollst mäßig sein im Essen und
Trinken, indem du höchstens zweimal des
Tages leichte und kräftige Kost und wenig
Wein zu dir nimmst" (c. 29), und er
 
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