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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 9
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0095

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91

man diese herrlichen Männer-, Greisen- und
Frauenköpfe betrachtet, in deren Antlitz
Freude und Entzücken durch alle Tonarten
hindurch variirt ist, wenn man dazwischen
die süßen Engelgesichter voll ewig jugend-
lichen, jauchzenden Lebens herausleuchten
sieht, so wird man gerne gestehen, daß das
eine wahre Versammlung von Heiligen und
Seligen ans himmlischen Welten ist. Man
findet dann auch, daß der Maler jeder
Steifheit und Monotonie auf die zarteste
Weise entgegengearbeitet hat, indem er die
durch jene Anordnung entstehenden geraden
Linien möglichst belebt. Je zwischen zwei
Heilige ist ein musizirender Engel einge-
schaltet; die Heiligen selbst lauschen theils
in süßem Entzücken dem Engelspiele, theils
schauen sie mit verklärtem Ang, in welchem
ihre ganze Seele liegt, auf zum Mittel-
punkt des Himmels, zum Throne, von
welchem die Ströme der Seligkeit ausfließen.

Von der geistreichen Erfindungsgabe des
Meisters zeugt insbesondere Ein Zug. Er-
läßt nämlich unten in der Mitte des Bildes
die Scene sich öffnen und es ist, als ob
man in eine weite Landschaft hinaussehe,
und als ob aus dieser Landschaft ein Zug
von Menschen in die Himinelsräume sich
herein bewege. Eine überaus feine Idee
des Künstlers, die es ihm ermöglicht, einen
ganzen Strom von Leben und Bewegung
in die Komposition hereinzuleiten. Da
machen die Erdenpilger, die gut vollendet
haben, ihre letzte Wallfahrt ins tadernacu-
lum non rnanutadntn; sie werden bei
ihrem Einzug vom Jubel der himmlischen
Chöre begrüßt und reihen nun selbst in
die Schaaren der Seligen sich ein. So
entschädigt der Meister für den Mangel
an größerer Bewegung und Abwechslung
n den oberen Regionen; er verzichtete auf
letztere, um desto mehr die Ordnung,
Harmonie und Ruhe der ewigen Seligkeit
und die Abstufungen der Glorie je nach
dem Verdienst betonen zu können.

Aus diesem (leider sehr beschädigten)
Bild tönen uns die ersten reinen Klänge
jener himmlischen Harmonien entgegen,
welche später Fiesolcks Knnstwelt dnrchwog-
ten. An solchen Vorbildern lerne der Künst-
ler einen Blick thun ins Reich des Himmels;
hier lerne er die Mittel ab, das zu schildern,
was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört,
keines Menschen Herz empfunden hat.

Der Beachtung sind auch noch werth
die vier Kirchenväter im Gewölbe, welche
am besten erhalten sind. Das sind ge-
waltige Gestalten mit herrlichen Köpfen,
voll Geist und Kraft, das Antlitz durch-
blitzt von einem majestätischen Blick.

Orcagna scheint auch noch in der Kirche
Maria-Novdla selbst, in St. Croce, in
der Kirche ddl’Annunziata gemalt zu
haben, aber diese Bilder sind gänzlich zer-
stört. Die Hanptgemälde des Camposanto
in Pisa, welche früher seinen Namen
trugen, der Triumph des Todes, das
Weltgericht, die Hölle, stannnen aber nicht
von ihm.

h. Orcagnds Reform und Fortschritt
bewegt sich noch ganz innerhalb der Formen-
nnd Gedankenwelt und der Kompositionö-
gesetze Giottds. Nun aber finden sich
in Padua Werke, in welchen ein neuer
Geist aufdämmert und welche daher so recht
den Abschluß der Schule bilden. Sehr-
dürftig sind die Nachrichten über die Meister
dieser Werke. Mit Mühe ist es gelungen,
zwei sichere Namen den spärlichen unsicheren
Nachrichten abzngewinnen: Alticchiero
da Zevio und Iacop o d'Av anzo,
Meister, welche um 1370 geblüht haben
müssen, von welchen uns aber außer den
sofort zur Sprache zu bringenden Werken
so gut wie nichts bekannt ist, und deren
Antheil an diesen Werken wir nicht ein-
mal mehr zu scheiden vermögen.

Es ist eine eigenthümliche Fügung, daß
in derselben Stadt, in welcher Giotto erst-
mals in so klaren Sätzen den Katechismus
einer neuen Kunst angeschrieben, auch die
letzten, nach Einer Seite hervorragendsten
Leistungen dieser Kunst sich finden, daß
der gewaltige Ring, welcher von Padua
aus ganz Italien umschloß, eben in Padua
in den Anfang zurückmündet. Von der
Kapelle der Arena geht die religiöse Wall-
fahrt der Kunst Giottds ans; in der St.
Felix- und St. Georgs-Kapelle in Padua
schließt sie ab.

Die Capdla S. Felice befindet sich tut
Santo der Antoninskapelle gerade gegen-
über. Wenn man sie von der Kirche aus
betritt, fällt der Blick zuerst auf ein großes
Krenzignngsbild über bent Altar. Die-
Westwand nimmt das Votivbild ein : die
Stifter mit Heiligen knieen vor Maria
(sehr beschädigt); die Ostwand ist ansgefüllt
 
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