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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 9
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [5]
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Detzel, Heinrich: Aphorismen aus dem Gebiete der kirchlichen Symbolik und Ikonographie, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0097

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93

Plus, was Formen- und Farbenreichthum
aulangt. Nicht nur sind die Handlungen,
Bewegungen, Stellungen, Gesten, Aenße-
rnngen der Affekte in Formen wiedergegeben,
welche der Wirkliches besser entsprechen;
es sind auch in Folge dieser intimen Be-
ziehungen gitr Natur und Wirklichkeit die
Scenen viel reicher und mannigfaltiger
ausgestattet. Die Menschenwelt, welche
in denselben zur Darstellung kommt, ist
individnalisirt; diese Gestalten und Gesichter
sind nicht mehr typenartig, sie sind indivi-
duell verschieden, ans dem täglichen Leben
genommen, und nähern sich dem Bildniß,
dem Porträt. Aber mit demselben Gefühl
für die Realität ist auch die Thierwelt
behandelt und die Architektur, welche nach
der Gewohnheit der Schule meist als Hinter-
grund und Schauplatz figurirt, hier aber
mit besonderem Reichthnm anstritt und
mit einem stannenöwerthen Sinn für Per-
spektive behandelt ist.

Sodann aber zeigt sich hier ein Reick-
thnm der Farben, eine Kunst, sie zu stimmen
und ihnen Leuchtkraft und Glanz zu geben,
wie weder Giotto noch irgend einer seiner
Schüler sie besaß. Durch die Kolorirung
wird hier nicht bloß ein Zauber über die Bil-
der ansgegossen, welcher wie eine Vorher-
sagung der Farbenpracht der späteren vene-
zianischen Schule anmuthet, sondern es
werden anchdie Gestalten aus der Fläche
herausgehoben und die Gesichter aufs Feinste
modellirt; man beachte besonders das Ant-
litzder Madonna und des Kindes auf der
Flucht nach Egypten in Lun Giorgio und
ebenda den Kopf der hl. Lucia auf dem
Katafalk, sodann die Krönung Mariens,
die eine wahre Farben-Symphonie genannt
werden kann. (Fortsetzung folgt.)

Aphorismen

aus d e in Gebiete der kirchlichen
Symbolik und Ikonographie
Von Pfr. Detzel.

A l l g e m eine s.

Als symbolische Bilder und Zeichen
haben wir zunächst solche anzusehen, in
welchen der dem Auge dargebotene Gegen-
stand nicht seiner s e l b st wegen dar-
gestellt ist, sondern aus einen andern Ge-
danken Hinweisen soll, der von dem dar-

gestellten Objekte zwar verschieden ist, aber
doch, sei es in natürlicher sei es in kon-
ventioneller Beziehung zu ihm steht. Es
sind, kann man mit andern Worten sagen,
mit den äußern Sinnen wahrnehmbare
Zeichen, welche die darstellende Kunst be-
nützt, um einem christlichen Gedanken, einer
christlichen Wahrheit oder Lehre Ausdruck
zu geben. Diese benützten Zeichen können
entweder der betreffenden christlichen Idee
verwandt sein und sie so gleichsam un-
mittelbar ausdrücken, oder sie sind ihr
fremd d. h. der den betreffenden Zeichen
snbstitnirte christliche Gedanke liegt in je-
nen gleichsam verborgen und kann nicht
direkt aus ihnen erschlossen werden. Aber
nicht bloß christliche Gedanken, sondern
selbst historische Vorgänge zieht die sym-
bolische Kunst in ihren Bereich.

Schon der Erlöser selbst hat im Laufe
seines sterblichen Lebens sich so oft der
symbolischen Sprache bei Auslegung und
Entwickelung der hl. Wahrheiten bedient.
Er sprach nur in Parabeln und Gleich-
nissen und manchmal übernahm er es selbst,
die geheimnißvolle Sprache zu erklären.
Auch die Apostel und die ersten Verkün-
diger des Evangeliums, welche den Völkern
die Lehre Jesu verkündeten, bedienten sich
nach dem Beispiele ihres göttlichen Meisters
fortwährend der Bilder und Symbole und
das sinnbildlichste aller Bücher ist ja die
geheime Offenbarung des hl. Johannes.
Diesem Vorgänge entsprechend finden wir
denn auch die christliche Kunst handeln.
Schon die ältesten Denkmäler der aposto-
lischen und nachapostolischen Kirche bezeu-
gen in Schriften und Monumenten eine
so reiche und tiefe Erkenntniß und einen
so ausgedehnten Gebrauch der Symbolik
und vorchristlichen Typik, daß keine spä-
tere Zeit sie darin erreicht oder übertrifft.
Der ganze Charakter der altchristlichen
Kunst ist ein vorwaltend typisch-symboli-
scher, denn fast alle von der frühchristlichen
Kunst dargestellten, durchweg dem Gebiete
der Theologie entnommenen Ideen, hüllen
sich in das Gewand der Symbolik. Es
genügt dem Künstler, durch irgend ein
charakteristisches Moment das Ereigniß er-
kennbar gemacht zu haben. So reicht eine
Reihe von Brotkörben in den Katakomben
hin, um auf die wunderbare Brotvermeh-
rung hinzuweisen; so beschränkt sich die
 
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