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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 10
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Festing, F.: Studien über Plastik, [7]: 10. bis 13. Jahrhundert. Der romanische Stil
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0104
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der Opposition getreten. Und indem so
die christliche — als die echt romantische
— Idee in diesen Bildnissen sichtbare
Gestalt gewinnt, so zu sagen körperlich
greifbar uns entgegentritt, sind sie eben-
soviel Belege der erziehenden, veredelnden
ja vergöttlichenden Kraft des Christen-
thums.

Malerei und Plastik entwickelten sich im
engsten Anschluß an die Architektur. Der
romanische Stil mit seinen großen Mauer-
massen, den weiten, ruhigen Flächen, den
flachen Holzdecken, rechtwinkligen Pfeilern
und kleinen Portalen, bot wohl bent Maler,
nicht aber dem Bildhauer, reiche Gelegen-
heit zur Entfaltung seiner Kunst. Jener
fährt fort, in Fresken und Mosaiken die
Wände und Decken, die Absiden, Nischen
und Bögen der Gotteshäuser, meist Pfeiler-
basiliken , mit den erhabenen Gestalten
Christi und seiner Heiligen, mit Darstel-
lungen aus dem alten und neuen Testament,
sowie der Heiligenlegende zu schmücken, sie
mit reichem, phantasievollem Ornament
umrahmend. Bis zum 11. Jahrhundert
ist die Plastik darauf beschränkt, hie und
da ein schwaches Band- und Linienorna-
ment anzubringen; sie kann sich bis gegen
das 12. Jahrhundert fast nur als Klein-
kunst bethätigen. Auf diesem eng begrenzten
Gebiete schult sich nun in unverdrossener
Arbeit Hand und Phantasie der Kunst-
jünger, bis diese, hier vollständig Meister,
zur Herstellung größerer, selbständiger
Werke fortschreiten konnten.

Oben an steht noch immer die Elfen-
beinschnitzerei. Das Elfenbein wurde
einmal wegen seiner Kostbarkeit, dann
wegen seiner glänzenden Weiße als Sinn-
bild der Reinigkeit geschätzt; der Elephant,
das keusche Vieh nach den alten Thier-
büchern, ist das Sinnbild der Keuschheit.
Vorzüglich waren es kirchliche Gegenstände,
die tragbaren Altärchen, die Deckel der
Bücher, Hostienbüchsen, sodann auch welt-
liche Arbeiten, zierliche Schmuckkästchen,
Trink- und Jagdhörner, Kämme und andere
Dinge ans Elfenbein, welche sie mit ihren
Reliefbildern schmückte. Der antike Stil
artet hier immer mehr aus. — Siehe
Reliquienkasten Heinrich I. in der Schloß-
kirche zu Quedlinburg; Kugler, kl. Schrif-
ten I. 628. — Die byzantinischen Arbeiten
mit ihrer sorgfältigen zierlichen Technik

spornten immer mehr zur Nachahmung an,
nachdem dieselben, besonders seit der Ver-
mählung Otto II. mit der griechischen
Prinzessin Theophano, durch Handel und
Verkehr vielfach nach dem Westen wan-
dert en.

Als schöne Exemplare erwähnen wir:
eine Elfenbeintafel im Hotel de Cluny zu
Paris; mehrere in der Bibliothek zu Würz-
burg; zwei in der Bibliothek zu St. Gallen.
Die eine zeigt in der Mitte in einem
Medaillon den thronenden Christus, beide
Hände, die Rechte mit dem Buche, erhoben,
rechts und links einen Cherub mit 6 Flü-
geln in steifer Haltung; oberhalb und
unterhalb des Medaillons die 4 Symbole
der Evangelisten; neben diesen in den
Ecken die letzteren selbst, — diese wie jene
lebendig gezeichnet, — zwei schreiben eifrig,
einer spitzt mit Anstrengung die Feder,
und ein anderer taucht sie behutsam ein;
ganz oben sieht man, antik personifizirt,
Sonne und Mond mit Fackeln, ganz unten
den Oceanus auf einem Meerthiere, die
Erde mit stilisirtem Aehrenbündel und ein
Kind säugend. Die antike Gewandung hat
nicht mehr ganz den alten freien Falten-
wurf, sondern beginnt schon sich in die
immer mehr in Mode kommenden vielen
kleinen Parallelfalten aufzulösen. Die Tafel
foll vom Abte Tutilo (ch 915) herrühren.
Die andere, in 3 Felder getheilt, zeigt
unten in naiver Darstellung den Verkehr
eines Einsiedlers mit einem Bären, im
zweiten Felde Maria in alter Tunika und
Unterkleid von 4 Engeln mit lebhafter
Bewegung empfangen, im obersten die ge-
wandte Imitation einer antiken Akantus-
rankenfüllung.

Prachtvolle Arbeiten aus den: 11. Jahr-
hundert befinden sich in der Bibliothek zu
München; unter diesen die zwei von Kaiser
Heinrich dem Heiligen nach Bamberg ge-
schenkten Evangeliarientafeln mit lebensvoll
empfundenen Darstellungen aus der Pas-
sion; dann jenes des hl. Udalrikus von
Augsburg und ein anderes vom Jahre 1051,
die mit andern gleichzeitigen verwandte
Passions-Darstellungen aufweisen. In der
Liebfrauenkirche zu Tongern sieht man auf
einer solchen dem Gekreuzigten zwei Engel
eine Krone bringen, auf welche die Hand
Gottes aus Wolken zeigt; unter dem Kreuze
erscheint neben Maria und Johannes die
 
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