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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 11
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Festing, F.: Studien über Plastik, [8]: die Stein- und Holzskulptur des 12. und 13. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0111
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107

platten, eines früheren Altares deö Domes
zn Basel, einmal sechs Apostel unter Säu-
lenarkaden, das andere Mal Darstellun-
gen des Martyrertodes des hl. Vincentius,
alles noch im alten gut verstandenen Stil
mit sprechender Bewegung und lebendigem
Ausdruck. Die Holzreliess an den Ni-
schensänlen des Nordportals von St. Em-
meran in Regensbnrg, —- ein erhaben ge-
dachter, aber hart gezeichneter thronender
Christus, St. Emmeran und Dionysius ^—
in unbeweglicher byzantinischer Haltung,
gehören durch die erhaltene Bemalung zu
den ältesten Denkmälern mittelalterlicher
Polychromie.

Gleich am Beginne der neuen Epoche
steht in Deutschland ein für die Zeit ganz
außerordentliches Werk vom Jahre 1115.
Es ist das großartige, in den lebendigen
Fels gehauene Relief der Externsteine bei
Horn in Westfalen, eine mit seinem künst-
lerischem Geiste lebendig und empsindnngs-
voll geschilderte Kreuzabnahme und darun-
ter die ersten Menschen von einem Schlan-
gendrachen umschlungen darstellend. Zwei
Freunde Christi haben den Leichnam ab-
genommen. Der Eine hat ihn soeben aus
die Schulter des Andern sinken lassen,
während die Mutter das herabhängende
Haupt mit beiden Händen aufgefangen und
es sanft an ihr eigenes Gesicht drückt.
Johannes steht, wenn auch in stark naiver
Bewegung, so doch in durchaus rythmischer
Verbindung mit dem Ganzen, mit seiner
Bücherrolle gleichsam als evangelischer
Augenzeuge und Interpret abseits der
Hauptgruppe. lieber dem Querbalken
oberhalb der letzteren erscheint Gott Va-
ter , in der Linken die Siegesfahne und
auf dem Arme in der Gestalt eines Kin-
des die Seele Christi, die rechte Hand nach
Maria, ihren Schmerz beschwörend, aus-
gestreckt. Sonne und Mond fehlen nicht,
um weinend ihr Mitleid kund zu geben.
Nicht der geringste Vorzug dieses Stein-
bildes ist seine Gruppirung, die fein ab-
gewogene Komposition, die harmonische
Zusammenbewegung und Vertheilnng der
einzelnen lebensgroßen Figuren in den
Raum, wodurch es selbst modernen Künst-
lern noch zum Vorbild dienen könnte.
Auch in den benachbarten Distrikten West-
falens treffen wir manche Reste plastischer
Arbeiten jener Zeit, Reliefs, Bogenfüllun-

gen, Tympana, letztere meist mit den
Gestalten Christi und den Symbolen der
Evangelisten in mehr oder weniger typisch
strenger Haltung.

Weniger zahlreich und bedeutend sind
die Skulpturreste in den Rheingegenden,
in den Niederlanden und Frankreich, da-
gegen jene der sächsischen Plastik die wich-
tigsten. Während anfänglich manche Werke,
wie die Reliefbilder — Apostel stehend
aus dem Rücken der Propheten — am
Taussteine im Dome zu Merseburg, daun
die Figuren der Vorhalle des Domes zn
Goslar, noch ziemlich mangelhaft und roh
erscheinen, zeigt eine Anzahl Stückarbeiten
in niedersächsischen Kirchen ein schon be-
deutend fortgeschrittenes Verständniß eines
freieren und schöneren Stils. So die in
der Haltung noch strengeren, in Bewegung
und Gewandung aber lebhaften Gestalten
Christi und der Apostel an einer Empor-
brüstung der Kirche zu Kloster-Gröningen
(Förster, Bildnisse. V. 7—12); die noch
mehr entwickelten, ebenfalls sitzenden Re-
lieffiguren Christi und zweier Apostel an
der nördlichen Ehorschranke zu Hamers-
leben, sowie jene von Christus, Maria
und den Aposteln in der Frauenkirche zu
Halberstadt (Förster, Baut. XI. Taf. 2 n.).
Von monumentaler Großartigkeit und schö-
ner Gesammtwirkung ist der Reliefschmuck
der beiderseitigen Chorschranken von St.
Michael in Hildesheim, aus der zweiten
Hälfte des 12. Jahrhunderts. Es sind
die lebensgroßen Gestalten Christi und
Mariens sowie der Apostel, die in kuppel-
gekrönten Arkaden stehen, in strenger sti-
listischer Haltung mit reich gefalteter, wohl
studierter Gewandung. An der inneren
Wand sieht man in den Zwickeln kleiner
Gallerien sinnig angebrachte Engel schwe-
ben. Im Schisse der Kirche sind die Lai-
bungen der Arkaden mit mannigfaltigem
Stuckornament ausgefüllt und über den
reichen Kapitälen der Seitenschiffe stehen
wieder in strenger Haltung Heiligenfiguren.
Auch die Godehardikirche ebendaselbst weist
ein Tympanon mit den Brustbildern Christi
und der hh. Bernward und Godehard von
ernstem, schönem Ausdruck auf.

In Bayern, das in Süddeutschland in
hervorragender Weise mit plastischen Ar-
beiten sich befaßte, arteten dieselben in
phantastische Symbolik aus, die Fanden,
 
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